Gemeinsam und manchmal einsam

Beispiele An vielen Orten in Deutschland gibt es schon Koalitionen zwischen Grünen und CDU. Wie sie sich miteinander - und gegenseitig - schlagen

Fluch der Karibik (Saarland)

Über den saarländischen Versuch einer Jamaika-Koalition scheiden sich die grünen Geister. Die einen betonen, dass mit dem Nichtraucherschutz und der Abschaffung der Studiengebühren bereits zwei Wahlversprechen durchgesetzt werden konnten. Die anderen beklagen die Art, mit der Landeschef Hubert Ulrich das Bündnis durchdrückte. Nicht nur, dass damit ein rot-rot-grünes Modell in einem West-Bundesland verhindert wurde. Für Ärger sorgen auch die Spenden eines FDP-Millionärs, bei dem Ulrich beschäftigt war, und den er später im Koalitionsausschuss wieder traf. Nun klärt ein Untersuchungsausschuss die Vorgänge.


Man nannte sie „Pizza-Connection“, junge Bundestagsabgeordnete von CDU und Grünen, die sich zu einer Zeit in einem Bonner Ristorante trafen, als Berlin noch nicht Hauptstadt war. Einige haben inzwischen Karriere gemacht, etwa Norbert Röttgen und Ronald Pofalla bei der CDU sowie Volker Beck und Cem Özdemir bei den Grünen. „Lockerungsübungen“ hat der die Treffen der neunziger Jahre einmal genannt. In Bonn ist solche Politgymnastik seit Dezember 2009 nicht mehr nötig: CDU und Grüne einigten sich in einer 42-seitigen Vereinbarung darauf, „Bonns Zukunft in einer Koalition gemeinsam zu gestalten“.

Zweitoption Fegefeuer (NRW)

Bei der Landtagswahl in NRW geht es am 9. Mai auch um Merkels Bundesrats-Mehrheit, die Zukunft der Linkspartei im Westen – und womöglich auch um Schwarz-Grün. Die Grünen haben diese Variante nicht ausgeschlossen, inzwischen aber Mindest­bedingungen genannt. Schwarz-Grün gilt der Spitzenkandidatin Sylvia Löhrmann als „eine mögliche Zweitoption“. Die Rhetorik lässt Distanz erkennen, aber keine Ablehnung: „Ich möchte nicht mit den Grünen koalieren“, sagte Ministerpräsident Jürgen Rüttgers. Für Arbeitsminister Karl-Josef Laumann allerdings ist Schwarz-Grün „eine grausame Vorstellung – fast schon Fegefeuer“.

Mülheimer Modell

Als der grüne Bundesvorstand Lukas Beckmann 1987 von einer schwarz-grünen Perspektive sprach, war die Aufregung noch groß. Sieben Jahre später kam erstmals in einer größeren Stadt Schwarz-Grün zustande: in Mülheim an der Ruhr. 1994 eroberte das bis dahin kaum für möglich gehaltene Bündnis das rote Rathaus. Drei Jahre später zählte die CDU-nahe Adenauer-Stiftung mehr als 30 solche Kooperationen in Kreisen und Gemeinden – die Zusammenarbeit verlief „in den meisten Fällen überraschend problemlos“. 1999 platzte das Mülheimer Bündnis – und linke Grüne sahen „ein Modell am Ende“. Voreilig, wie sich zeigte.

Bamberger Rückzieher

Schwarz-Grün als Bündnis großstädtischer Milieus, das scheint näher als Koalitionen der Ökopartei mit der CSU in Bayern. Alternative Tradition hier, Selbstverständnis als christliche Staatspartei dort – der kulturelle Graben scheint breiter als anderswo. Im oberfränkischen Bamberg scheiterte 2008 Schwarz-Grün an der CSU bevor es richtig losging. Die Fraktionsspitzen im Stadtrat hatten eine Kooperation bereits vereinbart, die Grünen-Basis ihren Segen schon ge­geben. Dann verweigerte die CSU-Fraktion die Unterschrift. „Mit einem Rückzieher hätten wir nicht mehr gerechnet“, erklärte seinerzeit ein enttäuschter GAL-Stadtrat.Streitfall

„Nonsens-Airport“ (Kassel)

Als 2003 die schwarz-rote Koalition in Kassel nach langem Streit zerbrach, schlug in der nordhessischen Großstadt die schwarz-grüne Stunde. Sie währte allerdings nicht allzu lange und scheiterte an einem umstrittenen Infrastrukturprojekt. Die Grünen blieben bei ihrem Nein zum Ausbau des Flughafens Kassel-Calden und eine millionenschwere Finanzspritze der Stadt. Die Ausbaupläne wurden selbst von Fluggesellschaften als „Nonsens-Airport“ verspottet, das Thema spielte im hessischen Landtagswahlkampf eine Rolle und beschäftigte die Gerichte. Im November 2009 wurde dennoch mit den Arbeiten begonnen.

Ostdeutsche Traditionen

Wenn Schwarz-Grün zur „Wiedervereinigung des bürgerlichen Lagers“ stilisiert wurde, dann war damit der Westen gemeint. Im Osten ist die Lage eine andere: Die Grünen sind nicht nur schwächer, einer Annäherung an die einstige Blockpartei CDU steht zudem deren Geschichte im Wege – für die von der Bürgerbewegung der Wendezeit geprägten Ost-Grünen eine hohe Hürde. Was aber nicht heißt, dass es in den neuen Ländern gar keine Avancen gibt: Im Landtagswahlkampf 2009 kamen schwarz-grüne Signale in Thüringen und Sachsen von der um ihre Macht fürchtenden CDU. Die Grünen winkten bei dem Gedanken jedoch ab.

Theoretische Verträglichkeit

Eine Antwort auf die Frage, ob Schwarz-Grün eine realistische Option für den Bund ist, findet man in keiner Umfrage. Rechnerisch betrachtet käme eine Koalition zurzeit durchaus in Betracht. Es gibt Studien, nach denen Schwarz-Grün auf Bundesebene von mehr als 40 Prozent befürwortet wird, bei den Sympathisanten der Ökopartei waren es über 70 Prozent. Angeblich stimmen die Anhänger bei einigen gesellschaftspolitischen Themen sogar weitgehend überein. Für zentrale Felder wie die Energiepolitik gilt das freilich nicht – weshalb Kanzlerin Merkel die Farbvariante auch nur als „theoretische Verträglichkeitsoption“ bezeichnet.

Hamburger Verhältnisse

Seit zwei Jahren regieren CDU und GAL die Hansestadt. Die Bilanz des schwarz-grünen Pilotprojekts auf Landesebene ist nicht besonders – vor allem für die Grünen. Elbvertiefung, Kohlekraftwerk Moorburg und das mögliche Scheitern der Schulreform machen der Hamburger Ökopartei zu schaffen. Zur Halbzeit war von „schmerzlichen Kompromissen und schwierigen Hürden“ die Rede. Doch in Umfragen verliert nur der Koalitionspartner. Seit der Bürgerschaftswahl im Februar 2008 hat die CDU mehr als zehn Prozent eingebüßt, nicht zuletzt wegen der Bildungspolitik. Die GAL legte dagegen zu: um mehr als sechs Prozent.

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