Kommunikationsprobleme aller Art

SPD Dank Peer Steinbrück dominiert einen Monat vor dem SPD-Parteitag immer noch die K-Frage. Vielen in der Partei scheint das nicht ungelegen zu kommen

Die bisher schönste Pointe der Steinbrück-Schmidt-Festspiele konnte man vergangene Woche erleben. Alt-Finanzminister Peer und Alt-Kanzler Helmut hatten auf ihrer Buchtour in Hamburg Station gemacht und forderten: Schluss mit der Personalisierung! Inhalte statt Namen! Was im Lichte des eitlen Medien-Feuerwerks, das die beiden Sozialdemokraten zugunsten des Kanzlerkandidaten-Kandidaten Steinbrück abgebrannt haben, zumindest aufhorchen ließ. Schließlich lautete das Motto der Werbetour „Er kann es“ – und die Betonung lag dabei ganz klar auf dem „Er“, nicht auf dem „es“.

In der veröffentlichten Meinung kam das eine lange Weile sehr gut an. Vom ersten Steinbrück-Geraune bis zu den Titelgeschichten lief ein politisches Perpetuum mobile, angetrieben von immer neuen Umfragen über das Ansehen Steinbrücks, von Hinweisen auf die Verliererqualitäten Frank-Walter Steinmeiers und die Sprunghaftigkeit Sigmar Gabriels. Und stets geschmiert mit Anmerkungen über das etwas schwierige Verhältnis zwischen der SPD und Steinbrück, die weniger als Kritik denn als Koketterie gemeint waren: Die Partei soll sich mal nicht so haben.

Nun hat sich die Partei aber so. Die Steinbrück-Kampagne geht vielen Genossen auf die Nerven – bei den einen geben politische Differenzen den Ausschlag, bei den anderen ist es eher das nüchterne Kalkül. Denn erstens funktioniert Personalisierung in der Mediendemokratie wie ein Fahrstuhl: Dem Weg nach oben folgt oft die Fahrt in den Beliebtheits-Keller. Und zweitens müssen die Sozialdemokraten den Trotz von Basis und Apparat fürchten, denen die Beteiligung an der K-Frage quasi schon versprochen ist – und die des Ein-Mann-Theaters offenbar überdrüssig sind.

Der Berliner Landeschef Michael Müller hat von Skepsis in den Gremien gesprochen, sein niedersächsischer Kollege Olaf Lies erinnerte daran, dass der SPD-Kandidat „nicht in einer Talkshow bestimmt“ werde. Selbst Steinmeier trat auf die Steinbrück-Bremse. Und Gabriel wiederholte seine Ankündigung: Er werde Ende 2012, Anfang 2013 einen Vorschlag in der Kandidatenfrage machen – sofern es nicht vorgezogene Neuwahlen gibt.

Allein mit dieser Eventualität lässt sich Steinbrücks Vorpreschen kaum erklären. Die Regeln des Politikbetriebs, nach denen ein zu früh ausgerufener Kandidat schon bald keiner mehr ist, werden dem Ex-Minister bekannt sein. Ebenso dürfte er die Signale der Mäßigung aus der Partei empfangen haben. Inzwischen werden nicht nur Umfragen publiziert, in denen Steinbrücks Stern schon wieder sinkt, sondern auch solche, die Auskunft über den Unmut geben, welchen die Steinbrück-Schmidt-Kampagne beim Wähler auslöst.

Wenn die Protagonisten das nun selbst merken und sich gegen Personalisierung und für die Befassung mit Inhalten aussprechen, wirft das die Frage auf, warum sonst kaum jemand in der SPD eine solche Diskussion in die Öffentlichkeit zu tragen versucht. Vielleicht passt es vielen ja sogar, dass nicht über Politik gestritten werden muss, sondern „nur“ über ihre Form. Grund genug, das heißt unterschiedliche Auffassungen zu Zielen und Strategie, gibt es durchaus, etwa bei den Steuerforderungen oder der Ausgestaltung der Bürgerversicherung. Fast schon wie ein Geheimnis wird behandelt, dass beim Parteitag in einem Monat nicht bloß organisationspolitische Fragen auf der Tagesordnung stehen, also die berühmte Parteireform. Sondern sieben (!) politische Leitanträge, mit denen die Sozialdemokraten eine Phase der programmatischen Debatte abschließen, die nach der historischen Pleite bei den Bundestagswahlen von 2009 unter der Überschrift „Neuaufstellung“ begann.

„Wer ein derartiges Wahlergebnis bekommt“, hatte Gabriel bei seiner Wahl zum Vorsitzenden vor zwei Jahren ausgerufen, „der hat mehr als nur ein Kommunikationsproblem“. Peer Steinbrück hat jetzt auch eines. Aber das löst das der SPD noch nicht.

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Geschrieben von

Tom Strohschneider

vom "Blauen" zum "Roten" geworden

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