Mangelnde Motivation

Sicherheit Die Scanner-Debatte suggeriert, dass sich Gefahren allein durch Technik mindern lassen. Gewerkschaften fordern, die Arbeitsbedingungen der Kontrolleure zu verbessern

Nach dem vereitelten Anschlagsversuch von Detroit rückt der Einsatz von Nacktscannern in Deutschland rasch näher. Die Regierung will noch 2010 eine Entscheidung – welche das sein soll, das lässt sie täglich erkennen.

Vor gar nicht allzu langer Zeit waren Befürworter der Technologie hier zu Lande noch in der Minderheit. Das hat sich nun binnen weniger Tage verändert. Zwar will Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer die Einführung solcher Scanner „keinesfalls übers Knie“ brechen. Aber selbst die sich gern als Bürgerrechtspartei sehende FDP hält die Technologie für „den richtigen Ansatz“.

Manche Flugreisenden mögen Vorführungen in unschöner Erinnerung haben, bei denen die Geräte sichtbar machten, was sonst aus guten Gründen im Verborgen bleibt – und das ist keineswegs nur eine Geschmacksfrage. Die Umbenennung in Körperscanner und eine neue Gerätegeneration sollen die Vorbehalten mindern. Denselben Zweck erfüllen vorsorgliche Forderungen, die schemenhaften Bilder dürften keinesfalls von irgendwelchen Behörden gesammelt werden. Eine aktuelle Umfrage legt nahe, dass die mediale Dauerbestrahlung der Öffentlichkeit Erfolg zeitigt: 63 Prozent der Befragten haben sich dafür ausgesprochen, Reisende vor allen Flügen mit den Scannern zu kontrollieren.

Scanner? Experten zweifeln

Immerhin – oder nur: 31 Prozent der Befragten waren dagegen. Denn ein Eingriff in die Persönlichkeitsrechte bliebe der Gang in die Terahertz-Kabine allemal. Von etwaigen Gesundheitsrisiken, die das zuständige Bundesamt nicht ausschließen will, einmal abgesehen. Zudem zweifeln Experten sogar am Sinn der Übung: Den Sprengstoff in der Detroiter Maschine hätte man, heißt es, selbst mit den Nacktscannern übersehen.

Die Gewerkschaft der Polizei hat auch deshalb gefordert, die „gesamte Flugsicherheit“ auf den Prüfstand zu stellen. „Vom Flicken nur eines Sicherheitsloches“, sagt der GdP-Chef Konrad Freiberg, könne man sich „keine Wunderdinge erwarten“. Sein Kollege Josef Scheuring lenkte den Blick dabei auf ein Problem, das in der Diskussion über angebliche Terrorgefahren nur am Rande zur Sprache kommt: auf die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten in der Personenkontrolle und Flughafensicherheit.

Knapp 12.000 Mitarbeiter beschäftigen private Sicherheitsfirmen an deutschen Flughäfen. Mehr als 90 Millionen Passagiere sind im vergangenen Jahr von deutschen Airports abgeflogen – jeder musste sich einer mehr oder weniger genauen Kontrolle unterziehen. Eigentlich ist die Inspektion von Passagieren und Gepäck eine hoheitliche Angelegenheit – doch das Luftsicherheitsgesetz hat schon vor Jahren den Weg für eine Privatisierung solcher Aufgaben freigemacht.

Privatisierte Hoheitsaufgaben

Zwar liegt die gesetzliche Verantwortung weiterhin bei den zuständigen Behörden, vor allem der Bundespolizei. Einen Großteil der Arbeit machen jedoch die Luftsicherheitsassistenten privater Firmen. Diese kontrollieren Passagiere schon seit 1973 in Berlin-Tegel, seit 1985 in Nürnberg und seit 1987 auf dem Münchner Flughafen. Die „Arbeitsteilung“, wie es der Bundesverband Deutscher Wach- und Sicherheitsunternehmen (BDWS) nennt, habe sich bewährt.

Das sieht Holger Thieß anders. Der Hamburger Rechtsanwalt, der im vergangenen Herbst Mitarbeiter einer am Hamburger Airport tätigen Sicherheitsfirma vertreten hat, nannte seinerzeit die Zusammenarbeit von Behörden mit Unternehmen „in einem hochsensiblen Sicherheitsbereich“ Besorgnis erregend. Bei der Fluggastkontrolle lasse sich der Staat „den Schutz vor terroristischen Angriffen in bedenklicher Weise aus der Hand nehmen“. Thieß kritisierte auch, dass sich Regierung und Bundespolizei „der Verantwortung für die korrekte und angemessene Bezahlung der Sicherheitskräfte“ entziehen würden.

Auf dieses Problem weist auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) hin. Es sei „nicht akzeptabel, dass heute Menschen in teuren Ballungsräumen mit Stundenlöhnen von 7,50 bis 12 Euro hochspezialisierte, hoheitliche Sicherheitsaufgaben ausüben“, meint Scheuring. Zumal sich die Anforderungen beständig erhöhen würden. GdP-Chef Freiberg sagt, die Angestellten privater Sicherheitsfirmen würden „meist so schlecht bezahlt und so stark eingesetzt, dass ihnen mangels Motivation entgeht, wenn jemand raffiniert eine Waffe durchschmuggelt“. Der Druck auf die Kontrolleure wachse immer weiter, sagt auch Gerald Richter von der Gewerkschaft ver.di, und damit steige die Wahrscheinlichkeit, dass Fehler gemacht werden.

Ordentliche Gehälter, mehr Zeit

Die privaten Sicherheitsunternehmen wollen solche „despektierlichen Äußerungen“ nicht auf sich sitzen lassen. Der Hauptgeschäftsführer des BDWS, Harald Olschok, hielt dem GdP-Vorsitzenden vor, „mit gefährlichen Pauschalaussagen in einer ohnehin schwierigen Sicherheitslage unnötigerweise die Reisenden“ zu verunsichern. Aber verunsichert die Scanner-Debatte nicht mindestens ebenso die Sicherheitsmitarbeiter?

Richter hält denn auch die Debatte über den Einsatz von Nacktscannern für einen Fall von „typischem Aktionismus“. Die Kontrollen an den Flughäfen würden viel eher dadurch verbessert, dass den dort Beschäftigten ordentliche Gehälter gezahlt und sie ausreichend Zeit bekommen würden. Dies sei aber oft nicht der Fall. Bei einem Tariflohn von zehn Euro für die Personenkontrolle und einer durchschnittlichen Arbeitszeit von 160 Stunden im Monat bleibe kaum etwas übrig, so der Gewerkschafter. Nicht selten würden die Fluggastkontrolleure sogar auf Nebenjobs angewiesen sein.

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