Merkels Werk und Röslers Beitrag

Eurokrise Nach zwei Jahren Schwarz-Gelb an der Regierung kämpft die Kanzlerin mit einem politischen Feuer, das sie selbst gelegt hat

Die Stimmung war weniger aufgeräumt, als es den Bildern von damals anzusehen ist: Vor fast zwei Jahren haben CDU, CSU und FDP ihren Koalitionsvertrag unterschrieben. Die schwarz-gelbe Euphorie des Wahlerfolgs war längst verflogen. Und auch Angela Merkels Hinweis an jenem Abend des 26. Oktober 2009, dies sei nun die Bundesregierung, „die wir uns gewünscht haben“, stand schon im Schatten, den die kommenden Konflikte vorauswarfen.

Das schwarz-gelbe Bündnis, dem die Opposition nun umso lauter Unfähigkeit attestiert hat, stand von Anfang an unter großen Druck, der als ständiger Zoff aus dem Regierungskessel entwich: Steuerdebatte und Gesundheitsstreit, Gurkentruppe und Wildsau, Atomzickzack und Eurokrise – was jetzt als Krise der Regierung gilt, ist doch eigentlich seit 23 Monaten ihr Normalzustand. Daran haben auch die regelmäßigen „Neustarts“ nichts geändert. Es wurde nach dem ersten im Frühjahr 2010 nicht besser, nicht nach dem „Herbst der Entscheidungen“ und nicht nach dem Neuanfang im März 2011.

Nach der Berlinwahl fällt es Merkel nun erst recht schwer, das Reden vom Koalitionsdebakel zu zerstreuen. „Das, was gesagt wurde, ist gesagt“, versuchte es die Kanzlerin mit einem weiteren Schlussstrich. Es sei keineswegs so, dass die Regierungspartner „nicht vernünftig miteinander arbeiten können“. Wird doch noch alles anders?

Es gibt ein Argument dafür und eins dagegen. Einerseits steht Schwarz-Gelb in den kommenden acht Monaten bis zur Wahl in Schleswig-Holstein nicht mehr so sehr unter dem Druck des „permanenten Wahlkampfs“, der im föderalen System jeder Berliner Regierung zusetzt. Landtagswahlen sind Gelegenheiten, die Bundespolitik abzustrafen. Was zu einer Pendelbewegung führt: Wer ins Kanzleramt einzieht, bekommt bald auf Landesebene Probleme.

Niederlagen wie Schröder

Rot-Grün zum Beispiel. Kaum im Amt, verlor die SPD 1999 in Hessen die Regierung an die CDU. Damit war auch Gerhard Schröders Mehrheit im Bundesrat dahin, das Regieren unter CDU-Einfluss wurde nicht einfacher. Bis zum Ende von Rot-Grün im Herbst 2005 büßte die SPD bei 19 von 26 Wahlen Prozente ein.

Nach Bildung der schwarz-gelben Koalition erging es Merkel ähnlich: Seit der Bundestagswahl 2009 haben CDU und FDP bei acht Landtagswahlen jeweils nur zwei Mal dazugewinnen können. Wie schon SPD-Kanzler Schröder verlor Merkel auch bei erster Gelegenheit ihre Bundesratsmehrheit. In Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Hamburg wurde die Union aus Regierungen gedrängt, die Liberalen flogen aus fünf Landtagen heraus.

Mit der jeweiligen Landespolitik allein lassen sich solche Serien ebenso wenig erklären wie umgekehrt nur mit der „Performance“ im Bund. Schwarz-Gelb hat jedoch von Anfang an versucht, wichtige Entscheidungen taktisch anzugehen, weil Abstimmungen in den Ländern anstanden.

Noch im März 2010 verkündete Merkel, sie „glaube nicht, dass Griechenland im Moment Geld braucht“. Genau das aber war nach der Offenlegung der Bilanz durch die in Athen neu ins Amt gekommenen Regierung jedem ersichtlich. Merkel hingegen meinte mit Blick auf die bevorstehenden Wahlen in Nordrhein-Westfalen, man solle das Problem „nicht überbewerten“. Auch die FDP stemmte sich gegen die Unheil ankündigenden Umfragen und brachte sich mit jenem euroskeptischen Populismus in Stellung, der mit der Berlinwahl wohl endgültig gescheitert ist: Es könne nicht sein, polterte der damalige Wirtschaftsminister Rainer Brüderle, dass „der deutsche Steuerzahler die Zeche für das Missmanagement in anderen Ländern zahle“.

NRW-Poker als Lunte

Merkels Versuch, die Entscheidung über Hilfen für Griechenland trotz immer nervöser reagierender Finanzmärkte auf die Zeit nach der Wahl an Rhein und Ruhr zu verschieben, ging damals angesichts des wachsenden internationalen Widerstands nicht auf – die Sorge wuchs, eine deutsche Blockade könnte zum Risiko für die ganze Weltökonomie werden. Anfang Mai sagten die Eurostaaten Griechenland Hilfen über 110 Milliarden Euro zu. Eine Woche später, in der Nacht zum 10. Mai 2010, also nur Stunden nach der Wahl in Nordrhein-Westfalen, wurde der erste Euro-Rettungsschirm über 750 Milliarden aufgespannt.

Merkels NRW-Poker war nicht nur erfolglos, er verschärfte auch noch jene Probleme, welche ihr nun am meisten zusetzen. Die Blockade der Griechenlandhilfe im Frühjahr 2010 nährte Zweifel, ließ die Rendite für Staatsanleihen in die Höhe schnellen und wurde so zur Lunte an dem Brand, der inzwischen FDP-Chef Philipp Rösler tüchtig einheizt.

Die europäische Finanzkrise blieb der Resonanzboden, auf dem Schwarz-Gelb agieren muss. Die immer heftiger werdenden Schwingungen sind dabei von Merkels Politik zum Teil mitverursacht worden. Die von der Kanzlerin angeführten Bundesregierungen seit 2005 haben weder bei der Regulierung der Märkte wirksame Schritte unternommen, noch an eine Abkehr vom deutschen Exportparadigma gedacht, das einen gewichtigen Anteil am Zustandekommen der Krise hat.

Nächste Woche steht im Bundestag die Abstimmung über den erweiterten Euro-Rettungsschirm an. Und Anfang kommenden Jahres folgt die Entscheidung über den Stabilitätsmechanismus ESM. Bis dahin werden die Mitglieder der FDP gesprochen haben. Hier droht neuer Ärger. Denn ein Teil von Merkels Euro-Politik widerspricht der Beschlusslage der Liberalen.

Merkel hat nach der Berlinwahl gesagt, sie habe „keinerlei Zweifel, dass wir die Aufgaben, die wir zu erledigen haben, auch erledigen werden“. Die Zweifel an der Restlaufzeit der Regierung werden bleiben.

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