Signal der Nähe

Wahlkampf Die SPD wünscht sich mehr Hilfe von den Gewerkschaften. Hinter der Fassade des gemeinsamen Gegners Schwarz-Gelb gehen die Partei-Präferenzen im DGB indes auseinander

Aus Allensbach kamen diese Woche neue schlechte Nachrichten für die SPD: Schon das dritte Institut, das in den vergangenen Tagen ein historisches Umfragetief der Sozialdemokraten vermeldete. Die SPD tröstet sich mit zweierlei: der Erinnerung daran, dass die Demoskopen im Herbst 2005 teils deutlich mit ihren Vorhersagen daneben lagen, und den Wählern, die sich noch nicht entschieden haben. Für eine Aufholjagd nach Schröder-Art wird es zwar kaum reichen. Wenn die SPD ihr Potenzial aus dem Lager der Unentschlossenen aber voll ausschöpft, macht jetzt Forsa-Chef Manfred Güllner Hoffnung, könnten die Sozialdemokraten auf bis zu 28 Prozent kommen. Das ist zwar kein Sieg, könnte aber reichen, um Schwarz-Gelb zu verhindern.

Allein auf die eigene Kraft will sich die SPD verständlicherweise ungern verlassen. Als am Montagabend der Gewerkschaftsrat der Partei zusammentrat, so konnte man später in den Zeitungen lesen, hätten Frank-Walter Steinmeier und Franz Müntefering gegenüber den sozialdemokratischen Gewerkschaftsvorsitzenden den Wunsch nach mehr Unterstützung im Wahlkampf geäußert. Von Andrea Nahles wird die Aufforderung überliefert, wen die DGB-Organisationen schwarz-gelbe Politik nach dem 27. September verhindern wollten, müssten sie jetzt mal loslegen.

Keine Wahlempfehlung

In dieser Frage sind die Gewerkschaften mit der SPD weitgehend einig. Mehr oder weniger offen wird der gemeinsame Gegner angegangen. IG-BAU-Chef Klaus Wiesehügel sagt: „Schwarz-Gelb zu verhindern, das wäre schon vernünftig.“ Auch die Chemiegewerkschaft IG BCE will „dazu beitragen, dass es nicht zu einer schwarz-gelben Koalition kommt“. Die Ablehnung ist zuletzt eher noch gewachsen, woran vor allem der Wirbel um den Entwurf eines industriepolitischen Gesamtkonzeptes aus dem Hause von CSU-Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg einen Anteil gehabt haben dürfte.

Aus der gemeinsamen Ablehnung erwächst aber noch längst keine Empfehlung für die SPD. Wundert das jemanden? Dass IG Metall und Co. nicht zur Wahl der SPD aufrufen, ist erstens nicht sonderlich ungewöhnlich. Dutzende Male haben die Gewerkschaften ihre Überparteilichkeit hervorgekehrt, eine historische Lehre sei dies, hörte man immer wieder. Als man 1998 dann doch einmal klar für die Sozialdemokraten warb, folgte die große Enttäuschung. Seither klafft – zweitens – ein deutlicher Riss zwischen der Agenda-Partei und den Gewerkschaften. Und es ist bezeichnend, dass führende Sozialdemokraten darüber immer noch staunen. Für ihn sei es „schwierig zu begreifen, warum ein Signal der Nähe zu schwer ist“, habe Steinmeier im Gewerkschaftsrat gesagt.

SPD-Anteil bei Gewerkschaftsmitgliedern geht zurück

Manche begreifen es nicht – und manche hoffen einfach darauf, dass alles so bleibt wie immer. Der Parlamentsgeschäftsführer der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion Thomas Oppermann zeigte sich unlängst „sicher, dass am Ende auch die Gewerkschaften und die Gewerkschaftsmitglieder ganz überwiegend wieder SPD wählen“. Nun kann die Partei zwar tatsächlich auf viele gewerkschaftliche Stimmen hoffen – schon wegen der schieren Menge an Mitgliedern. Aber einen elektoralen Automatismus gibt es keineswegs. Die Verbundenheit, die Oppermann anspricht, geht seit Jahren zurück.

Im Westen ist der Anteil der SPD-Wähler unter Gewerkschaftsmitgliedern seit 1998 um fast zehn Prozent auf 50,1 Prozent bei den Wahlen 2005 zurückgegangen. Im Osten brach die Zustimmung von organisierten Kollegen zur Sozialdemokratie zwischen 2002 und 2005 um mehr als elf Prozent ein – die SPD liegt bei den Gewerkschaftsmitgliedern mit 34,5 Prozent hier nur noch knapp vor der Linkspartei (30,3 Prozent). Aufschlussreich ist vor allem die Entwicklung bei jüngeren Wählern: Zwar waren 2005 die Gewerkschaftsmitglieder ab 45 Jahren noch eine feste SPD-Bastion, aber in den Altersgruppen zwischen 18 und 44 lag der Anteil schon gut neun Prozent niedriger. Hier wurden Parteien wie die Grünen, die Linke oder „Sonstige“ überdurchschittlich oft gewählt.

Unterschiede unter dem DGB-Dach

Wenn vom Verhältnis zu den Parteien die Rede ist, reicht es im Übrigen längst nicht mehr, von den Gewerkschaften zu reden. Es gibt unter dem Dach des DGB durchaus unterschiedliche Vorlieben – und Gegnerschaften. Die IG BCE etwa polemisiert immer wieder gegen die Linke. Gerade erst wieder hat Gewerkschaftschef Hubertus Schmoldt medienträchtig davor gewarnt, diese Partei dürfe in keiner Bundesregierung vertreten sein. Damit wird auch jene Regierungskonstellation in Frage gestellt, die andere innerhalb des DGB für diejenige halten, in der am ehesten gewerkschaftliche Forderungen wie ein gesetzlicher Mindestlohn durchgesetzt werden könnten: Rot-Rot-Grün. Dass sich in den Reihen des Fusionsprojektes aus WASG und PDS viele Gewerkschafter vor allem aus IG Metall und ver.di parteipolitisch betätigen, lässt ebenfalls die unterschiedlichen Sichten innerhalb des Dachverbandes erahnen. Auch innerhalb von Einzelgewerkschaften wird das Verhältnis zu Parteien kontrovers diskutiert. Einigen IG-Metall-Funktionären zum Beispiel stieß es im Frühjahr sauer auf, dass sich die Gewerkschaft bei Veranstaltungen derart mit SPD-Politikern umgab, so dass der Eindruck entstehen musste, hier werde eben doch Wahlkampf gemacht.

Unlängst hat der Vorsitzende der IG Metall von der SPD gefordert, zuzugeben, „dass es in der Vergangenheit Fehler gegeben hat“ – die zu den schlechten Umfragewerten der SPD geführt hätten. Was Berthold Huber vor allem meint: die Rente mit 67 und die Hartz-Reformen. Der Vorsitzende der Gewerkschaft NGG, Franz Josef Möllenberg hat gefordert, den Einstieg in die Rente mit 67 zumindest aufzuschieben, gleiches will der DGB. Die SPD, so Möllenberg Anfang des Monats, habe noch „die Chance, zur Bundestagswahl glaubwürdig und nachvollziehbar Fehler zu korrigieren. Die Aussichten, dass sich die Steinmeier-Sozialdemokratie tatsächlich davon distanziert, sind allerdings gering.

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