Armin Schild ist sauer. Es sei „unerträglich, dass die Heckenschützen, die aus durchsichtigen Eigeninteressen den Verhandlungsprozess mit Magna torpedieren, durch das Bundeswirtschaftsministerium täglich mit Munition versorgt werden“, wird der Frankfurter Gewerkschafter mit Sitz im Opel-Aufsichtsrat zitiert. Sein Vorwurf zielt vor allem auf den Chef des CSU-geführten Ressorts, auf Karl-Theodor zu Guttenberg. Von „Störfeuern“ spricht der Mann von der IG Metall, die die Gerüchteküche aufheizten und für Irritationen nicht zuletzt bei den Beschäftigten sorgten.
Armin Schild ist nämlich auch in Sorge. Die IG Metall fürchtet, dass die seit Wochen laufenden Gespräche zwischen Magna und General Motors zur Über
IG Metall fürchtet, dass die seit Wochen laufenden Gespräche zwischen Magna und General Motors zur Übernahme des Autobauers Opel noch scheitern könnten. Der österreichisch-kanadische Zulieferer ist der Wunschpartner der Belegschaftsvertreter – mehr noch: Es gebe in Sachen Opel-Rettung „keine Alternative zu Magna“, sagt der nordrhein-westfälische IG-Metall-Chef Oliver Burkhard. Ebenso sieht es Betriebsratschef Klaus Franz.Jemand wie Wirtschaftsminister Guttenberg muss den Gewerkschaftern daher wie das fleischgewordene Böse erscheinen. Zu den Vorwürfen aus der IG Metall will sich das Ministerium nicht äußern. Allenfalls weist man darauf hin, dass die Entscheidung über die Zukunft von Opel von GM getroffen wird und von niemandem anderen.Gewerkschaft gegen Guttenberg – ein DauerkonfliktDennoch war es der CSU-Aufsteiger, der von Beginn des Tauziehens um den Autobauer an mit seinen Positionierungen die IG Metall verärgert hat. Erst keilte der Minister gegen die Gewerkschaften, deren Kritik an Fiat schwäche die deutsche Verhandlungsposition. Die Arbeitnehmer hatten die Offerte aus Italien mit der Begründung abgelehnt, „zur kranken Mutter General Motors käme die zweite kranke Mutter Fiat hinzu. Und zwei kranke Mütter überlebt die stärkste Tochter nicht“. Schon damals hatte Schild dem Wirtschaftsministerium vorgeworfen, mit Indiskretionen gezielt Misstrauen in der Opel-Führung zu schüren.Später empfahl sich Guttenberg beim wirtschaftsliberalen Flügel der Union mit dem Vorschlag, den Autobauer am besten in die Insolvenz gehen zu lassen. Sein demonstrativer Auftritt bei einem Spitzentreffen im Kanzleramt Ende Mai, bei dem er aus Protest gegen Magna seinen Rücktritt ins Spiel gebracht haben soll, verschaffte ihm mancherorts sicher Respekt – nicht jedoch bei den Gewerkschaftern. „Verantwortungslos, unehrlich und töricht“, nannte die IG Metall die Insolvenz-Vorschläge des CSU-Politikers, diese seien eine Art „Sterbehilfe“ für das Unternehmen.Handwerkliche Fehler, politische AbsichtenNach der Einigung auf Magna als bevorzugtem Investor hatte die IG Metall jenen in der Politik gedankt, „die sich für die Rettung von Opel konstruktiv und kompetent eingesetzt haben“. Den Rettern, diesen Seitenhieb auf Guttenberg konnte sich die Gewerkschaft nicht verkneifen, stünden „die gegenüber, deren Handlungen von handwerklichen Fehlern und eigenen politischen Absichten bestimmt waren“.Der Wirtschaftsminister hat dies wohl als Aufforderung verstanden, weiterzumachen. Kaum hatte sich die Erleichterung über das Ende des politischen Kräftezerrens gelegt, zu dem die Opel-Rettung wegen der anstehenden Wahlen längst geworden war, klagte die IG Metall erneut über den „Versuch des Ministeriums, im Nachhinein diese Lösung zu torpedieren“. Es grenze „an einen Skandal, weil wir damit in eine unendlich schwierige Verhandlungsposition getrieben werden“, so Schild.Zwar war aus Verhandlungskreisen mehrfach durchgesickert, dass die Gespräche wegen der kompromisslosen Haltung der Detroiter GM-Führung nicht gerade einfach verliefen. Die Gewerkschafter wiederum sprachen von starkem Druck Magnas – das Unternehmen habe in den Verhandlungen „die Motorsäge rausgeholt und versuche, wie zu erwarten, tief zu schneiden“, so Schild Ende Juni. Dennoch war von „guten Fortschritten“ die Rede. Anfang Juli signalisierte GM-Europa-Chef Carl-Peter Forster, dass „weitgehend Einverständnis erzielt“ worden sei.CSU-Mann kritisiert CDU-MinisterpräsidentenZuletzt, da erschien ein Vertragsabschluss zwischen General Motors und Magna nur noch Formsache, war es abermals Guttenberg, der das Übernahme-Rennen noch nicht für entschieden erklären wollte. Es gebe keine Vorfestlegung im Bieterwettstreit, behauptete Guttenberg sogar – und versuchte auf diese Weise, die Einigung beim Berliner Opel-Gipfel zu kassieren. Selbst Parteifreunde aus der Union bekamen ihr Fett weg: Nachdem die CDU-Ministerpräsidenten von Hessen und Thüringen Magna noch einmal als „beste Lösung“ bezeichnet hatten, belehrte Guttenberg Roland Koch und Dieter Althaus, sich nicht in „Selbstüberschätzung“ zu gefallen: „Ein Vertragsabschluss zur Sicherung von Opel gelingt nicht deshalb, weil dies eine Landesregierung oder die Bundesregierung so wünscht.“Das wäre anders, wenn die Politik den Mut aufgebracht hätte, den Staat zum Miteigentümer von Opel zu machen. Als Gegenleistung für den 1,5-Milliarden-Überbrückungskredit zum Beispiel – Rettungsbeihilfe aus öffentlichen Mitteln von Bund und Ländern. Stattdessen setzte man auf eine Treuhandlösung, die eine politische Steuerung des Verkaufsgeschehens eher erschwert.Treuhand ohne RegierungskontrolleDie Treuhandlösung war notwendig geworden, um Opel vor der Insolvenz von GM abzuspalten. Die Gesellschaft überwacht den Verkaufsprozess – ist allerdings sehr einseitig besetzt. Als Vorsitzende der Treuhand fungiert neben dem Europa-Vizechef von GM, Eric Stevens, der Sanierungsexperte und Rechtsanwalt Alfred Hagebusch. In einem fünfköpfigen Beirat finden sich neben zwei GM-Managern und dem Vorsitzenden der American Chamber of Commerce in Deutschland, Fred Irwin, lediglich der Unternehmensberater, Insolvenzverwalter und FDP-Politiker Dirk Pfeil als Ländervertreter sowie Manfred Wennemer, der vom Bund entsandt wird. Damit soll ausgerechnet der frühere Vorstandschef des Autozulieferers (und Magna-Konkurrenten) Continental die Belange der Regierung in dem für die Opel-Zukunft so wichtigen Gremium wahren.An wen Opel am Ende verkauft wird, wird so von allem Möglichen beeinflusst – nur nicht von der gebotenen Vernunft. Angesichts der Doppelkrise aus den Überkapazitäten einer Branche und den Umweltproblemen einer verfehlten Mobilitäspolitik würde diese darin bestehen, Opel unter sozialen und ökologischen Gesichtspunkten zu einem Unternehmen umzubauen, in dem weniger Markterfordernisse als politische Entscheidungen eine Rolle spielen. Das wird man von keinem der drei noch gehandelten Übernahmekandidaten erwarten dürfenDrei Bieter im RennenNeben Magna sind das der Finanzinvestor Ripplewood (RHJ) und die Beijing Automotive Industry Holding (BAIC). Bei einem Vergleich der drei Angebote, beziehungsweise von dem, was darüber – in wessen Interesse auch immer – bekannt geworden ist, kommt RHJ nicht schlecht weg. Am Mittwoch will das Finanzunternehmen dem Wirtschaftsminister ein überarbeitetes Konzept präsentieren. Dem Vernehmen nach liegt Ripplewood bei den erwünschten Garantien der Standort-Länder mit 3,8 Milliarden Euro rund eine dreiviertel Milliarde niedriger als Magna. Außerdem soll RHJ zugesichert haben, nötige Hilfen bereits bis 2014, also früher als der österreichisch-kanadische Konkurrent, zurückzuzahlen. Zur Offerte der BAIC ist ein internes Papier aus dem Wirtschaftsministerium an die Öffentlichkeit gelangt (oder gegeben worden?), in dem „die Stärken des Angebots“ benannt sind – diese liegen danach „in dem geringen Finanzierungsbedarf durch die öffentliche Hand und den insgesamt geringeren Arbeitsplatzabbau“. Den Chinesen wird allerdings attestiert, ihnen gehe es „eindeutig um den Zugriff auf moderne Technologien“. Es gilt als wahrscheinlich, dass BAIC deshalb chancenlos ist.Was man von RHJ nicht unbedingt sagen kann. Der Investor zeigt sich selbstbewusst und spricht davon, dass die Verhandlungen mit General Motors bereits „in einem fortgeschrittenem Stadium“ angekommen seien. Die GM-Führung könnte der Opel-Treuhandgesellschaft, die nach der Abspaltung derzeit 65 Prozent der Anteile hält, also zwei Angebote zur Prüfung vorlegen.Ursprünglich hatte Magna für den heutigen Dienstag eine Aufsichtsratssitzung angesetzt, auf der das Kontrollgremium die Vereinbarung mit General Motors abnicken sollte. Der Termin wurde inzwischen verschoben, so dass auch das angepeilte Datum für den Vertragsabschluss am 15. Juli nicht mehr einzuhalten ist. Der Verhandlungsvorsprung gegenüber dem Konkurrenten RHJ scheint zu schmilzen.Hieraus erklären sich auch die deutlichen Worte der IG Metall. Ausgerechnet inmitten der schwersten Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten an einen Finanzinvestor verkauft zu werden – das ist für viele Gewerkschafter ein Unding. Waren es nicht gerade jene Zocker, die Unternehmen einem noch rabiateren Renditedenken unterworfen hatten?IG Metall fürchtet "Weiter so"Auch wenn RHJ betont, dass man an einem langfristigen Engagement interessiert ist – die Angst vor einem „Weiter so“ ist groß. Betriebsratschef Franz hat in einem Schreiben an die Mitarbeiter vor Ripplewood gewarnt. Der Finanzinvestor handle im Interesse von GM und wolle Opel so schnell wie möglich wieder an den Mutterkonzern verkaufen. Bekomme RHJ den Zuschlag, werde General Motors wohl „alles beim Alten“ lassen. Deshalb ist ihnen Magna lieber, auch wenn der Wunschkandidat der Gewerkschaften keineswegs ihr Traumpartner ist. Aber die IG Metall glaubt wenigstens, zu wissen, woran man ist. Es geht viel, um die Jobs der Opelaner, um Einsparungen im Milliardenbereich. Das beschert auch den Gewerkschaftern untereinander Konflikte.Von einem „Aufatmen mit Schmerzen“ sprach IG-Metall-Bezirkschef Oliver Burkhard nach der Vorentscheidung für das österreichisch-kanadische Unternehmen Ende Mai. Nun wird klar: Der Poker um Opel ist längst nicht zu Ende. Und das Leiden der Gewerkschafter geht weiter.
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