Linkspartei Ohne Lafontaine, das ist über die Partei hinaus unbestritten, wäre die Linke nicht so erfolgreich. Ihn für unverzichtbar zu erklären, ist aber ein Problem
Am Silvesterabend meldete eine Nachrichtenagentur, „die Anzeichen für eine baldige Rückkehr von Oskar Lafontaine in die aktive Politik“ würden sich mehren. Das kam deshalb überraschend, weil gerade erst der gegenteilige Eindruck entstanden war. Dieser allerdings hatte auch wieder nur eine frühere Interpretation abgelöst. Aus „Lafontaine plant Rückkehr in die Politik“ wurde „Lafontaine manövriert die Genossen aus“ - und dann das Ganze wieder retour. Die Antwort auf die Frage hatte sich längst von ihrem eigentlichen Gegenstand gelöst, war ebenso Instrument im Flügelstreit der Linken geworden wie Schlagzeilenmaschine der Zeitungen: Wann wird sich der Linksparteichef zu seiner Zukunft äußern? U
wieder retour. Die Antwort auf die Frage hatte sich längst von ihrem eigentlichen Gegenstand gelöst, war ebenso Instrument im Flügelstreit der Linken geworden wie Schlagzeilenmaschine der Zeitungen: Wann wird sich der Linksparteichef zu seiner Zukunft äußern? Und was wird er mitteilen?Seit Mitte November kreist die Welt der Linken um diesen einen Punkt. Erst sorgte ein Nachrichtenmagazin mit einem alten Gerücht für die vielleicht peinlichste Medienerregung des vergangenen Jahres. Worauf sich der Parteivorsitzende, die Angelegenheit gleichsam richtigstellend, gezwungen sah, seine Krebserkrankung öffentlich zu machen. Dies mündete in eine Nachfolge-Diskussion, die später niemand mehr geführt haben wollte. Am Ende saßen in der Partei die Vorwürfe locker, manche Nerven lagen blank.Mehr als nur eine PersonalieDa war einiges zusammengekommen. Die politischen Differenzen zwischen den Strömungen, die im Wahlkampf zurückgestellt worden waren, drängten nach dem 27. September wieder stärker an die Oberfläche. Hinzu kam der viele überraschende Rückzug Lafontaines vom Fraktionsvorsitz, der auch personelle Fragen aufwarf. Und wohl da schon die Befürchtung nährte, der Saarländer könne mehr als nur die Führung im Bundestag abgeben. Die Erkrankung Lafontaines und seine zurückhaltende Äußerung, er wolle zu Beginn des Jahres nach eingehender Beratung mit seinen Ärzten entscheiden „in welcher Form“ er seine politische Arbeit fortsetzen werde.Für die Linke ist das mehr als nur eine Personalie. Lafontaine ist die unbestrittene Führungsfigur, ein Erfolgsgarant, ohne den die Linke bundesweit am Rande des Fünfprozent-Abgrunds stehen würde. Wenn überhaupt. Das wird nicht nur im Umfeld der Partei Lafontaines so gesehen. Die Konrad-Adenauer-Stiftung etwa meinte nach den Landtagswahlen im Saarland, „der Spitzenkandidat der Linken polarisiert nicht nur, er dominiert die Wahrnehmung der Partei und stellt für die Wähler ein zentrales Wahlmotiv dar“. Überhaupt sei die Akzeptanz der Linken erst seit 2005 gestiegen, „als Oskar Lafontaine aus der SPD austrat und für die WASG auf einer PDS-Liste antrat“.Ein Zeichen des VorsitzendenVor diesem Hintergrund ist es verständlich, wenn die Linke auf ein Zeichen des Vorsitzenden wartet. Dass seine Rückkehr mit einer Beharrlichkeit von den eigenen Genossen immer wieder neu ankündigt wird, lastet dem 66-Jährigen allerdings auch eine Bürde auf, setzt ihn unter Druck. Dabei scheint mitunter aus dem Blick zu geraten, dass sich der Mann gerade von einer Krebserkrankung erholt. Darf man da nicht andere Sorgen haben, als die um das Fortkommen einer Partei? Abgesehen davon, dass jemand wie Oskar Lafontaine es ungern sieht, wenn andere über seine Termine entscheiden. Ein in den Medien wiedergegebene Äußerung seines Büros hat das angedeutet: Der Saarländer behalte sich vor, zu entscheiden, wann er sich zu seiner politischen Zukunft äußern werde.Ob das nun am 11. Januar im Rahmen einer Klausur der Linksfraktion geschieht, oder am 19. Januar im Rahmen eines Neujahrsempfangs in Saarbrücken. Oder zu einem anderen Zeitpunkt, einem womöglich, der sich nicht dem politischen Terminkalender unterordnet, sondern dem Stand der Genesung - Lafontaines Rückkehr wird erhofft, ja: sehnlich erwartet. Die Äußerungen aus seiner Partei zeigen es an, strömungsübergreifend und unabhängig von den persönlichen Meinungen, die man über den Vorsitzenden haben kann.Gefährliche ÜberhöhungAus der Abwehr einer Nachfolgedebatte, die vor allem von den Medien angetrieben wurde, ist dabei allerdings so etwas wie ein Personenkult entstanden. Der Saarländer wird nicht nur als Erfolgsgarant gelobt, es wird nicht nur seine Rückkehr gewünscht – in der Partei wird Lafontaine für „unverzichtbar“ erklärt. Das ist nicht nur politisch ein Problem, weil es einer Personalisierung zuträglich ist, die mit der linken Erzählung von Basisdemokratie, Selbstbewegung und Hierarchiefreiheit nicht in Einklang steht. Selbst wenn man dies aber wegen der Funktionsweise der Mediendemokratie, die auch eine Linke nicht von heute auf morgen ändern wird, für ein geringeres Übel hält, für einen Vorteil sogar, weil prominente Zugpferde eine Partei stärken können - die Überhöhung bleibt gefährlich.Wer heute ständig behauptet, die Linke sei ohne den Saarländer „führungslos" (Diether Dehm), Lafontaine sei „unersetzlich“ (Klaus Ernst), man brauche alle, aber „einen besonders“ (Gregor Gysi), der drückt damit seine Hoffnung nach Lafontaines Rückkehr aus. Aber was, wenn der 66-Jährige einmal eine andere Entscheidung trifft? Nicht jetzt womöglich, aber vielleicht in zwei Jahren. Wird dann die Partei nicht dennoch an diesem, mit einer einzigen Person verknüpften Anspruch gemessen? Man kann eine Lücke auch so groß reden, dass sie, wenn sie dann aufreißt, vielleicht niemand mehr wird schließen können.
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