Jedes Jahr werden in Deutschland rund 100 Milliarden von einer Generation auf die nächste vererbt. Frauen profitieren genau wie Männer jetzt und künftig von den Vermögen der Eltern, der Nachkriegsgeneration, die von Krieg und Inflation verschont blieb. Die Bundesbank schätzt den gesamten Vermögensbestand der privaten Haushalte auf rund 12,8 Billionen Mark, von denen knapp die Hälfte im Besitz der sogenannten Gründergeneration ist. Die Erbinnen und Erben können in den nächsten Jahren mit Erbschaften von bis zu 600 Milliarden Mark rechnen, davon sind rund 40 Prozent Geldvermögen, der größere Teil Wohnungen, Häuser und Grundstücke. Andere Experten gehen von 2,5 Billionen Mark in den nächsten Jahren aus, indem sie
Es begann mit Ellen Malcolm
VERMÖGEN IN FRAUENHAND In den USA haben sich bereits vor Jahren Erbinnen großer Vermögen zusammengeschlossen, um mit ihrem Geld Projekte zu unterstützen, die sie für sinnvoll halten
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ie Immobilien, Schmuck, Lebensversicherungen und Bargeld zusammen schätzen. So wurden beispielsweise 1997 in etwa 800.000 Erbfällen 250 Milliarden Mark übertragen. Die derzeit Begünstigten sind Erben der ersten Generation ersparten Vermögens - und nicht die üblichen Verdächtigen generationenüberschreitenden Reichtums. Anders als in Deutschland (siehe Interview) weiß man in den USA auch etwas über die geschlechtsspezifische Verteilung von Vermögen: 60 Prozent der gesamten Vermögenswerte dort gehören Frauen, 41 Prozent der 3,3 Millionen Amerikaner, die als »top wealth owners« eingestuft werden, sind weiblich.Frauen, auch in Deutschland als Erbinnen rechtlich längst gleichgestellt, sind vom häufig plötzlichen Reichtum immer noch anders betroffen als Männer: Sie haben weniger Routine im Umgang mit unbegrenzten finanziellen Mitteln. Großes Geld war schließlich immer Männersache. Bis zum Beginn dieses Jahrhunderts waren Frauen beim Erben extrem benachteiligt, bis in die sechziger Jahre hinein wurden Immobilien und Firmen fast ausschließlich an die männlichen Nachkommen vererbt. Vor allem dem Stammhalter. Das ist weitgehend vorbei. Nicht vorbei aber ist der andere Umgang der Erbinnen, der Töchter und Partnerinnen, mit ihrem Vermögen. Die eigene Rolle ändert sich - und die Reflexion darüber scheint nach Expertinnenerfahrung eine spezifisch weibliche Reaktion zu sein.»Frauen erben anders« heißen die Erbinnenkonferenzen, die seit drei Jahren in Köln veranstaltet werden und erstmals die »Erbinnen-Thematik« öffentlich machten. Die Presse reproduziert seither immer mal wieder das Klischee der verunsicherten, im Verborgenen wirkenden Millionärin. »Es gibt natürlich solche Frauen, die sagen, Âich habe niemandem von meiner Erbschaft erzählt und das Geld seit Jahren unangetastet gelassen oder erzählen, dass sich der Lebenspartner klein und zurückgesetzt fühlt und sie ein schlechtes Gewissen haben. Etliche haben auch nicht zu Unrecht Angst vor gewinnsüchtigen und betrügerischen Beratern, die man besonders häufig in der männlichen Verwandtschaft findet«, sagt Heide Härtel-Herrmann, seit 14 Jahren Inhaberin des Frauenfinanzdienstes in Köln und Mitinitiatorin der Erbinnenkonferenzen. »Aber die unter ihrem Reichtum leidende Erbin ist nicht die Regel, auch wenn es sich in der Öffentlichkeit gut macht. Richtig ist, dass Frauen immer noch eine grundsätzlich andere Haltung zum Geld und erst recht zum Reichtum haben. Sie möchten häufig etwas an die Gesellschaft zurückgeben, verantwortungsvoll mit ihrem Vermögen umgehen. Es ist gerade bei Frauen in den Vierzigern und Fünfzigern, die aus der Frauenbewegung kommen und jetzt zur Erbengeneration gehören, vielfach noch ein Tabu, sehr viel Geld zur Verfügung zu haben, für dass die Frau nicht gearbeitet hat.« Ein Tabu allerdings, dass zunehmend aufgebrochen wird. Härtel-Herrmann: »Frauen gehen inzwischen offensiver und selbstbewusster mit ihrem Geld um, da hat sich in den letzten Jahren sehr viel getan. Es ist ihnen nicht mehr so peinlich, wenn sie viel haben, sie können es auch genießen. Aber sie müssen es sozusagen erstmal mit ihrem gesellschaftlichen Anspruch in Einklang bringen. Und, ganz anders als Männer, fragen sich viele Frauen: Was will ich mit dem Geld, was bedeutet es für meine Identität? Das erlebe ich oft in meiner Praxis.«Viele der Erbinnen, die an den Konferenzen teilnahmen, suchen auch persönliche Beratung. Ein Problem: Ererbtes Vermögen gilt nicht als Zugewinn in einer Ehe, viele Männer haben mit einer reicheren Frau erhebliche Statusprobleme. Härtel-Herrmann. »Es verändert sich eben viel: Freundschaften zu Âarmen Frauen zerbrechen; viele Frauen sind plötzlich unabhängig von ihren Männern, denen das gar nicht gefällt. Auf unseren Konferenzen haben sich die Frauen darüber ausgesprochen und fanden es beruhigend, dass alle ähnliche Probleme haben.«Frauen erben, so die Anwältinnen, mit denen die Finanzberaterin zusammenarbeitet, nach wie vor wesentlich seltener Unternehmensanteile, sondern werden eher mit Schmuck, Immobilien und Bargeld beglückt - die Brüder erben die unternehmerische Macht. Immer noch passiert es auch, dass Väter oder Ehemänner für die Töchter oder Ehefrauen testamentarisch männliche Vermögensverwalter einsetzen. Die Unternehmensberaterin Anita Wagner, eine der Veranstalterinnen der Erbinnenkonferenzen: »Bei männlichen Erben habe ich eine solche Regelung noch nie erlebt.« Töchter würden auch viel häufiger als stille Gesellschafterinnen im elterlichen Betrieb ohne Mitspracherecht eingesetzt.Falls Frauen jedoch mit ihrem Erbe auch wirtschaftliche Macht erhalten, gehen sie - so Härtel-Herrmanns Erfahrung - anders damit um: »Es gibt eindeutig ein stärkeres Verantwortungsbewusstsein. Was ist mit den Arbeitsplätzen? Wie muss ich entscheiden, mache ich ein eigenes Konzept? Da müssen Frauen sehr viel Durchsetzungskraft haben, weil sie erst die Anerkennung in den Vorständen oder Aufsichtsräten erkämpfen müssen.« In den 500 größten Unternehmen Deutschlands sitzen unter mehr als 2.000 Topmanagern kaum mehr als ein Dutzend Frauen, und das sind Töchter, Gattinnen oder Erbinnen des Inhabers. Bekanntestes Beispiel ist Britta Steilmann.Dass Frauen sich beim Umgang mit großem Geld anders verhalten als Männer, hat auch Marita Haibach beobachtet. Die Publizistin und Finanzberaterin, ehemals Staatssekretärin für Frauenfragen in der ersten rot-grünen hessischen Landesregierung und promoviert über »Frauenbewegung und Philanthropie«, hat vor kurzem das erste deutsche Erbinnennetzwerk mitinitiiert. Eine erste Konferenz fand im Mai statt, derzeit etabliert sich das Netzwerk mit kleinen Regionalgruppen. Haibach berät und vermittelt die Erbinnen. Vorbild für ein solches Netzwerk sind die USA, wo sich bereits vor Jahren Erbinnen großer Vermögen zusammengeschlossen haben, um mit ihrem Geld Projekte zu unterstützen, die sie für sinnvoll halten.Es begann mit Ellen Malcolm, der milliardenschweren IBM-Erbin, die anonym an Organisationen spendete und 15 Jahre brauchte, um sich zu ihrem Reichtum zu bekennen. Sie rief die Frauenstiftung Windom Fund ins Leben und gründete Emily's list als Netzwerk von Geldgeberinnen, die Politikerinnen der Demokratischen Partei unterstützt. Initiatorin des amerikanischen Erbinnennetzwerks wurde dann Tracy Gary, die aus Rüstungsgeschäften erzieltes Aktienvermögen erbte, die Aktien umgehend verkaufte und mit Woman's Foundation eine der wichtigsten Frauenstiftungen der USA einrichtete. Sie tat sich mit anderen vermögenden Frauen zusammen, man berät sich mit Finanzexpertinnen, Therapeutinnen, eignet sich Kompetenz an. Über 70 Frauenstiftungen sind in den vergangenen Jahren in den USA entstanden.Auch in den Niederlanden gibt es inzwischen »Erbtöchter-Gruppen« mit etwa 60 Frauen, gegründet von Marjan Sax, die mit ihrem Millionenerbe die einzige niederländische Frauenstiftung Mama Cash gegründet hat. Haibach: »Frauen haben oft das Bedürfnis, mit ihrem Geld philanthropisch tätig zu sein. In den USA hat das Mäzenatentum eine große Tradition, aber es ist natürlich männlich geprägt. Reiche gelten als Âöffentliche PersonenÂ, die Rechenschaft darüber ablegen müssen, ob sie ihrer gesellschaftlichen Verantwortung in Form von Spenden nachkommen. Bei uns ist über das Spendenverhalten reicher Leute wenig bekannt, man weiß nur, dass Frauen insgesamt grundsätzlich etwas spendenfreudiger sind als Männer. Frauen bei uns müssen erst lernen, öffentlichkeitswirksam und offensiv ihr philanthropisches Wirken zu präsentieren. Männliche Stifter setzen ihr Geld häufiger für strategische Ziele ein, Frauen hingegen nicht nur taktisch, sondern im Sinne ihres Wertesystems.«Treibende Kraft für das Erbinnennetzwerk in Deutschland ist die Höge-Stiftung, die die Schweizer Erbin Barbara Reinhart in einen Künstlerinnenhof bei Bremen eingebracht hat und die als Vorbild für deutsche Frauenstiftungen gilt. Die Erbin aus einer traditionell mäzenatisch tätigen Schweizer Unternehmerfamilie ist erste Anlaufadresse für die Netzwerkfrauen.Heide Härtel-Herrmann beobachtet gleichfalls den Wunsch der Erbinnen, mit Stiftungen in ihren Augen förderungswürdige Frauenprojekte zu unterstützen, und damit ein sozusagen spezifisch weibliches karitatives Verhalten. Andererseits aber ist gerade dieses Verhalten auch nicht erwünscht: »Den Frauen wird davon vehement abgeraten nach dem Motto: ÂWie kannst du nur? Die meisten professionellen Berater sind entsetzt, weil es der männliche Umgang mit Geld erfordert, möglichst viel Rendite in möglichst kurzer Zeit aus dem Vermögen herauszuschlagen. Es wird den Frauen also eher ausgeredet, sich normativ weiblich zu verhalten.«Es gibt wenig frauenspezifische Beratungskompetenz bei den Banken. Härtel-Herrmann: »Viele Bankberater hören nur die Summe und die Laufzeit und spulen dann wie ein Raster ab: Soundsoviel Prozent in Immobilien, in Aktien und in Zinspapieren. Frauen wünschen sich transparentere Angebote und vor allem ethisch und ökologisch unbedenkliche Geldanlagen. »Dazu haben die meisten Banker keine Lust, weil sie bei Öko-Investments nichts oder nur wenig verdienen.« Die Beratung für Stiftungsgründungen sei alles andere als qualifiziert. Das wird sich wohl ändern. Die Pläne der Bundesregierung zur Vereinfachung des Stiftungsrechts - dem Vorhandensein einer Erbengeneration - geschuldet, wird von den Expertinnen begrüßt.Härtel-Herrmann hat noch einen anderen interessanten Trend registriert: Lesbische Erbinnen stiften zugunsten von Frauenprojekten. »Das hat bei ihnen viel mit dem Gefühl zu tun, dass die Verwandtschaft diese Lebensform ohnehin nicht billigt und dann auch nicht von einem möglichen Erbe profitieren soll.«Infos:www.frauenfinanzdienst.dewww.marita.haibach.dewww.erbinnen.de
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