Nischen

PORTRÄT EINER VERLEGERIN Brigitte Ebersbach blickt auf zehn Jahre "edition ebersbach"

Virginia Woolfs Mädchenprofil und Marlene Dietrichs Vampgesicht zieren das Büro der Dortmunder Verlegerin Brigitte Ebersbach. Sie ist spezialisiert auf Künstlerinnen und Frauen der zwanziger und dreißiger Jahre. Dem Klischee einer Kleinverlegerin, die im Hinterzimmer entnervt hinter Manuskriptbergen verschwindet, entspricht Brigitte Ebersbach in den hellen Büroräumen ihrer edition ebersbach keineswegs. Der Schreibtisch ist aufgeräumt, die Unternehmerin entspannt, mit Werken von Möchtegernautorinnen zugeschüttet wird sie nicht. Die edition ebersbach überlebt mit Literatur von und über Frauen wider den härter und unfeministischer werdenden Zeitgeist.

Die Germanistin erfand ihre edition, nachdem sie in mehreren Verlagen gearbeitet und mit vier Frauen den eF-eF-Verlag als ersten und einzigen Frauenverlag der Schweiz gegründet hatte. Nach dem Sprung in die Alleinunternehmerschaft kooperierte sie noch sechs Jahre mit eF-eF. Zuerst konzentrierte sich Ebersbach auf Belletristik von Frauen und auf Frauenbiografien. Der erste Bestseller war, entgegen allen Erwartungen, 1992 Marianne Brentzels Buch "Nesthäkchen kommt ins KZ".

Inzwischen verbindet Ebersbach eigene Entdeckerinnenfreude ("das Aha-Erlebnis, was es für wunderbare und verschwiegene Frauen gab") mit dem "Schmökerbedürfnis" der Frauen. "Paris war eine Frau", Andrea Weiss' Buch über Künstlerinnen im Paris der 20er und 30er Jahre, begründete eine Reihe. Berlin liegt vor, Wien und New York werden folgen. Ebersbach erklärt sich den ungewöhnlichen Erfolg des Paris-Buches so: "Diese Frauen haben so spannende und beeindruckende Geschichten, haben so kompromisslos und unkonventionell gelebt, dass sie offensichtlich ein heutiges Bedürfnis, vielleicht eine Sehnsucht, erfüllen. Ich bin ja selber fasziniert von ihnen."

Ihrem Motto "Programmsegmente mehrfach verwerten" getreu ließ sie Postkartenserien, Kalender und Adressbücher mit Fotos folgen. "Das war ein klassisches Geschenkbuch", glaubt Ebersbach, "es verbindet Amüsieren und Lernen, das ist gefragt." Die frauenbewegte Stammkundschaft aus den Anfangsjahren steht im Karrierestress und will Kurzweil, wenn auch feministische.

Dem Trend nach Lesestoff, der in Happen genossen werden darf, entspricht der Verlag auch mit einem reich bebilderten und teuren Buch über die Schriftstellerin Elsa Triolet, die als erste Frau den Prix Goncourt erhielt. Dass Triolet die Frau von Louis Aragon war, muss "aus Marketinggründen gesagt werden, auch wenn es mich stört, dass man so oft noch ‚die Frau von...' sagen muss."

Mit der Reihe "blue notes" hat Ebersbach kürzlich auch Raum für zwischen den Genres Biografie, Reisebericht, Sachbuch oder Roman mäandernde Texte erfunden. "Das Paris der Simone de Beauvoir" gehört dazu, "Jüdinnen im New Yorker Exil" und ein Literaturquartett mit hochkarätiger Besetzung: George Eliot, Virginia Woolf, Ruth Klüger und Adrienne Monnier.

Das Verlegen von Frauenbüchern ist kein bequemes Wurschteln in der Frauennische. "Ich habe lange gebraucht, mich zu dieser Nische zu bekennen, in der ich mich bewege. Aber gerade das erkenne ich jetzt als meinen Vorteil und eine Chance. Ich kann auch sehr flexibel auf Trends reagieren." Sie sei "immer eine große Gegnerin der Trauerliteratur" gewesen und hätte "überhaupt nichts dagegen gehabt, eine Hera Lind zu entdecken". Aber sie ist sich auch ihres "eher intellektuellen, akademischen Publikums" bewusst.

Obwohl "ursprünglich keine Quotenbefürworterin" hält Ebersbach Frauenliteratur unter diesem Signum nach wie vor "leider" für notwendig: "Wir haben erlebt, was passierte, als die Regale mit ‚Frauenliteratur' in den Buchhandlungen abgebaut wurden: Diese Literatur verschwand wieder." Umsatzsteigerungen gibt es, "gut natürlich geht es nie". Da braucht man Teamgeist im Drei-Frauen-Betrieb und jede Menge "Lust am Büchermachen". Allerdings: Brigitte Ebersbach gönnt sich zu Hause ein bücherfreies Wohnzimmer.

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