Erinnerung an die Tulpenrevolution

Unruhen in Moldawien In Moldawien, dem einzigen Staat in Europa, der noch von einer Kommunistischen Partei regiert wird, beruhigt sich die Lage nach den Unruhen Mitte der Woche nur langsam

Die Führer der bei den Parlamentswahlen vor einer Woche unterlegenen Parteien – Vladimir Filat von den Liberaldemokraten (LDPM) und Serafim Urechean von der Allianz Unser Moldowa – haben einen Teilerfolg errungen. Das Wahlergebnis wurde geringfügig zu Lasten der Kommunisten korrigiert, die nun einen Parlamentssitz weniger errungen haben als zunächst verkündet. Und das, obwohl die Beobachter der OSZE am Montag erklärt hatten, das Votum sei in einer „pluralistischen Atmosphäre“ und im wesentlichen nach internationalen Standards abgelaufen. Auch die Beobachter der EU hatten das Wahlergebnis nicht angezweifelt. Doch die Opposition sah das anders und forderte eine vollkommene Neuauszählung der Stimmen. Inzwischen ist auch immer wieder zu hören, dass es eine Wiederholung des Urnengang geben sollte.

Plünderungen in der Innenstadt

Die Unruhen in der Hauptstadt Moldawiens – in Chisinau leben etwas mehr als eine halben Million Menschen – erinnern an die Tulpenrevolution in der Armuts-Republik Kirgistan im Frühjahr 2005. Damals entwickelten sich aus Protesten gegen Wahlfälschungen blutige Unruhen. Als die Rebellion kulminierte, zogen junge Männer plündernd durch die Innenstadt.

Wie sich den Fernsehbildern russischer Kanäle entnehmen ließ, war die Polizei in Chisinau den Demonstranten personell und taktisch unterlegen. Letztere konnten ungehindert das Parlamentsgebäude mit Pflastersteinen bewerfen. Protestgruppen verbrannten rote Fahnen, warfen Möbel aus dem Parlament auf die Straße und zündeten sie an. Augenzeugen berichteten gegenüber dem Kreml-kritischen Radiosender Echo Moskwy, am Eingang der Präsidentenresidenz seien die rumänische Flagge und auf dem Dach des Gebäudes die EU-Flagge aufgezogen worden. Schon seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion sympathisiert ein Teil der Bevölkerung mit der Idee, Moldowa mit dem rumänischen Staat zu vereinen, der in der dem Augen vieler durch die vor zwei Jahren begonnene EU-Mitgliedschaft noch an Attraktivität gewonnen hat.

Woronin als Premierminister

Die bisherige Regierung hatte vor dem Wahltag Löhne und Pensionen erhöht, doch damit wenig an der sozial angespannten Lage in Moldowa ändern können. Das monatliche Durchschnittseinkommen liegt bei umgerechnet 124 Euro im Monat. Hunderttausende können in der kleinen Republik ihre Familien nur ernähren, indem sie sich als Gastarbeiter in Russland oder Italien verdingen. Doch Präsident Wladimir Woronin lobte Moldowa als "Insel der Stabilität". Womit er nicht nur Unrecht hat, denn die Landeswährung Leu blieb durch massive Interventionen der Nationalbank auch während der Finanzkrise stabil.

Die Kommunisten fordern die Integration in die EU, wollen aber zugleich komfortable Beziehungen mit Russland, das als Absatzmarkt für die eigene Agrarproduktion wichtig bleibt.

Eigentlich sollte das neue Parlament am 5. Mai in einer quasi ersten Amtshandlung einen neuen Präsidenten wählen. Wladimir Woronin, der schon zwei Amtszeiten hinter sich hat, kann nicht noch einmal kandidieren, hat sich nach eigenen Worten aber schon für einen Nachfolger entschieden, dessen Namen er jedoch vorerst nicht bekannt geben will. Der 68-jährige Woronin wolle nach seiner Demission die Zügel im Land weiter in der Hand halten, heißt es in Chisinau auch nach dem Aufruhr – er wird möglicherweise auf den Platz des Premierministers oder Parlamentssprechers wechseln.

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