„Ich habe meinen besten Mann geschickt“, beteuerte Kriminaldirektor Bitomsky am vergangenen Sonntagabend. Sein bester Mann ist Maria Furtwängler alias Charlotte Lindholm, toughe Tatort-Kommissarin aus dem Norden, die schon so manchen Macho zur Raison gebracht hat. Frauen als bessere Männer, weil Frauen als Frauen nie so gut sein können wie Männer? Weil noch die beste Frau, einmal ins Rennen geschickt, damit rechnen muss, auf männliche Vorbehalte zu stoßen?
Über 30 Jahre nach Einführung der ersten harten Frauenquote in der deutschen Politik wird sich das Kabinett diese Woche wohl dazu durchringen, auch in der Wirtschaft Ernst zu machen mit der allmählichen Gleichstellung von Frauen: Ab 2016 sollen 30 Prozent aller Aufsichtsratsposten in börsennotierten Unternehmen von Frauen besetzt sein. Wohlgemerkt: in den nebenamtlichen Kontrollorganen, nicht etwa in den hauptamtlichen Vorständen, in denen Entscheidungen gefällt werden, von den übrigen mittelständischen Unternehmen einmal ganz abgesehen. Diese dürfen auch weiterhin die weiche Selbstverpflichtung praktizieren und müssen nur einmal jährlich ihre Frauenquote stolz oder verschämt veröffentlichen. Mit der 30-Prozent-Quote wird Deutschland europaweit auch weiter hinterherhinken, denn das Europäische Parlament hat bereits 2013 eine Zielmarke von 40 Prozent beschlossen.
Norwegische Lehren
Natürlich schlägt der Bundesverband der Arbeitgeber (BDA) dennoch Alarm: Die Quote ignoriere die fachliche Qualifikation und schade Unternehmen und Beschäftigten. „Es entbehrt jeglicher wirtschaftlicher Vernunft, Frauen nur deswegen in Führungspositionen zu bringen, um eine Quote zu erfüllen“, sagt der Chef des Pharmakonzerns Merck, Karl-Ludwig Kley. Insbesondere die Drohung, Aufsichtsratsposten unbesetzt zu lassen, solange die 30-Prozent-Quote nicht erfüllt sei, sorgt für Empörung: Es sei, meint der BDA, verfassungsrechtlich fragwürdig, eine Wahl wegen des falschen Geschlechts für nichtig zu erklären.
Wenn man außer Acht lässt, dass die Arbeit so mancher Kontrollgremien auch Zweifel an der männlichen Qualifikation aufkommen lässt – erinnert sei nur an den Fall des Flughafens Berlin-Brandenburg –, verfügen Frauen, wenn sie in einen Aufsichtsrat gelangen, in der Regel über eine höhere formale Qualifikation als ihre männlichen Kollegen. Das gilt selbst im vorbildlichen Norwegen, wo 2008 eine Quote von 40 Prozent eingeführt wurde und Unternehmen, die sich dem verweigern, mit Zwangsauflösung gedroht wird.
In Norwegen liegen auch erste Erfahrungen über den Einfluss der kritischen Masse vor. Diese zeigen, dass Frauen erst in einem Unternehmen mitbestimmen und nach außen ausstrahlen, wenn sie mindestens ein Drittel der Chefposten innehaben. In den 317 untersuchten Unternehmen stellte sich heraus, dass nur dort von Frauen angestoßene innovative Managementsysteme, Geschäftsideen oder besondere Mitarbeiterinnenmodelle umgesetzt worden sind, wo mindestens drei weibliche Führungskräfte am Werk waren.
Andere erwünschte oder erwartete Ausstrahlungseffekte blieben dagegen aus. Eine Untersuchung des Bonner Forschungsinstituts zur Zukunft der Arbeit offenbarte, dass sich mittels Frauenquote in den Chefetagen die berufliche Realität anderer hochqualifizierter Frauen in Norwegen kaum verbessert hat. Die Einkommensunterschiede zwischen gleich qualifizierten Männern und Frauen liegen immer noch bei 15 Prozent, bei den Einstiegsgehältern noch weit höher. Und im mittleren Management, wo es keine Quote gibt, haben Frauen nicht signifikant aufgeholt.
Von mehr Aufsichtsrätinnen auf eine Unternehmensrevolution zu schließen, wäre aber schon deshalb verfehlt, weil Frauen der gleichen ökonomischen Rationalität unterworfen sind wie ihre männlichen Kollegen. Ihr Erfolg wird an der Profitmaximierung gemessen, nicht an dem von Familienministerin Manuela Schwesig erwarteten „Kulturwandel“. Dieser kann nicht viel mehr sein als ein Nebeneffekt.
Ein schönes Beispiel dafür ist der US-amerikanische Pax Ellevate Global Women’s Index Fund, ein Aktienfonds, der gezielt auf Unternehmen setzt, die sich durch hohe Frauenanteile in den Führungsetagen auszeichnen. Der Fonds kalkuliert damit, dass Gesellschaften, die die besagte kritische Masse aufweisen, in den vergangenen Jahren höhere Umsätze und eine um 46 Prozent höhere Eigenkapitalrendite erzielt haben als Unternehmen, in denen vorwiegend Männer das Sagen haben. Gemischte Teams, das belegen mehrere Studien, sorgen offenbar für Wettbewerbsvorteile.
Allerdings ist damit nicht gesagt, ob davon die Beschäftigten ebenfalls profitieren oder nicht vielmehr Opfer von Rationalisierungsmaßnahmen und Ähnlichem werden. Angesprochen fühlen sich von dieser Investitionsmöglichkeit übrigens vor allem vermögende Frauen, denen es nicht egal ist, an welche Unternehmen sie ihr Geld geben. Managerinnen wären in diesem Fall ein Baustein ethischer Geldanlage.
Ja, es stimmt: Die Quote in der Wirtschaft ist ein Stück Umverteilung. Nicht von oben nach unten, sondern zwischen Männern und Frauen. Und ja, einige Männer werden das Nachsehen haben, vor allem die männlichen Netzwerke und Klüngel, die dazu neigen, ihresgleichen auf gut bezahlte Posten nachzuziehen – nicht immer unter strenger Berücksichtigung der Qualifikation. Unternehmen begründen bislang in der Regel nämlich nicht, warum eine bestimmte Person zur Wahl in den Aufsichtsrat vorgeschlagen wird. Die Frauenquote könnte dazu beitragen, ein klareres Anforderungsprofil zu entwerfen.
Ja, die Soft Skills
Und ja, auch das stimmt: Wenn Frauen ihren Anteil reklamieren, müssen auch andere Gruppen den Finger heben dürfen, nichtdeutsche Kandidaten und Kandidatinnen zum Beispiel. Denn nach Auskunft des letzten Aufsichtsrats-Scores ist der Frauenanteil in den DAX-Unternehmen mittlerweile zwar immerhin auf 19 Prozent angestiegen, der Ausländeranteil an den Aufsichtsratsmitgliedern dümpelt aber bei zwölf Prozent und entspricht laut Score damit nicht dem häufig internationalen Geschäftsmodell der Unternehmen oder auch nicht dem Ausländeranteil unter den Beschäftigten. Interessanterweise entsendet die Arbeitnehmerseite zwar relativ viele Frauen in die Aufsichtsräte, dagegen aber relativ wenig ausländische Vertreter.
Bleibt die Frage, wie die Soft Skills, die den Frauen unterstellten Eigenschaften Empathie und Kommunikationsfähigkeit, eingeschätzt werden. Laut einer Studie unter Managern finden 83 Prozent der Frauen und 65 Prozent der Männer, dass sich Frauen Mitarbeitern gegenüber einfühlsamer verhalten; 69 Prozent der Managerinnen und 41 Prozent der Manager glauben, dass sie kommunikationsfähiger seien. Männern dagegen wird mehr Durchsetzungsfähigkeit nachgesagt, was sie prädestiniere, Führungspositionen zu übernehmen.
Volker Kauder, CDU-Fraktionsvorsitzender, hat kürzlich demonstriert, wie ein Mann das typischerweise macht: Man nennt Frauen wie Manuela Schwesig, die man als ungebührlich durchsetzungsstark erlebt, weinerlich (früher hätte man wohl gesagt: hysterisch) – und schon ist die schöne alte Genderwelt wieder in Ordnung. Angela Merkel hat Kauder am Ende zur Ordnung gerufen und sich stellvertretend bei der Kabinettskollegin entschuldigt. Aber Merkel ist ja auch so etwas wie unser bester Mann.
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