Bioethiker sind vielbeschäftigte Leute. Der bis vor zwei Jahrzehnten noch völlig unbekannte Berufsstand, der mittlerweile auch zum Zufluchtsort Einfluss suchender Theologen geworden ist, verzeichnet nicht nur ansehnliche Zuwachsraten, sondern agiert in einem explosiv anwachsenden Betätigungsfeld: Von der Stammzellenforschung über Biopatente und Klonen bis hin zur Sterbehilfe, heißt: von Anfang bis zum Ende des Lebens ist nichts Menschliches vor ihnen sicher. Als typische Politikberater unterscheidet sie höchstens der Grad demokratischer Legitimierung: Die Bundestags-Enquete-Kommission "Recht und Ethik der modernen Medizin" weiß sich über solcherlei Rechtfertigungsdruck erhaben und kann es sich immer einmal wieder leisten (wie gerade kürzlich beim Thema Sterbehilfe), der zuständigen Fachministerin (in diesem Fall Brigitte Zypries) und deren eigens eingesetzter Arbeitsgruppe mit einem missliebigen kritischen Mehrheitsvotum ins Handwerk zu pfuschen.
Der vom Kanzler berufene Ethikrat hatte es von Anfang an viel schwerer, denn er stand von jeher in Verdacht, mehrheitlich das Lied dessen zu singen, der das Brot verteilt (im Jahr immerhin 2,14 Millionen Euro). Und in der Tat haben die Räte unter der Leitung von Spiros Simitis in den vergangenen Jahren bereitwillig einige der aufgestellten Fettnäpfchen ausgetreten, man denke nur an die den Beschluss der Enquete konterkarierende Stellungnahme zur Präimplantationsdiagnostik. Angesichts der im August erstmals in Großbritannien erteilten Genehmigung zum "therapeutischen" Klonen und den Mitte September wieder aufgenommenen UN-Verhandlungen zum Klonverbot war die Empfehlung der Räte im Vorfeld bereits mit negativen Erwartungen aufgepuscht worden. Ganz im Sinne Gerhard Schröders, so die Vermutung, würden die Räte mehrheitlich für Experimente, bei denen Embryonen eigens für Forschungszwecke hergestellt und verbraucht werden, stimmen.
Dass es am Ende anders kam und der Ethikrat am vergangenen Montag nicht nur erwartungsgemäß einstimmig das reproduktive (Menschen)Klonen verwarf, sondern mit einem einzigen lapidaren, inhaltlich jedoch entscheidend eingrenzenden Satz empfahl, das (Forschungs-)Klonen "gegenwärtig nicht zuzulassen", war eine kleine Sensation, die Anlass zu Spekulationen gibt. Denn tatsächlich hatte sich die Mehrheit der Mitglieder eigentlich für eine regulierte, kontrollierte Klonierungserlaubnis ausgesprochen. Das Votum der zwölf (von 25) unterzeichnenden Räten bemüht sich über fast neun Seiten um den Nachweis, dass den zum Klonen benötigten "Blastozysten" (die bislang als "Embryonen" firmierten), verfassungsrechtlich ein minderer Schutz einzuräumen sei und ihr Status deshalb der garantierten Forschungsfreiheit nicht entgegenstehe.
Abgesehen von der aufschlussreichen begrifflichen Verschiebung fördert die insgesamt zwölfseitige Position B wenig Neues zu Tage. Bemerkenswerter ist, dass sie eingerahmt wird von zwei abweichenden Minderheitsvoten (bei insgesamt drei Enthaltungen), ein Novum in der Praxis des Rates. Der Tübinger Theologe Eberhard Schockenhoff und vier weitere (männliche) Ratsmitglieder bekräftigen den uneingeschränkten Lebensschutz des Embryos von Anfang an, während vier Ratsfrauen und der Vorsitzende Simitis in Position C darauf insistieren, dass die therapeutischen Perspektiven und das ineffektive und fehleranfällige Klonverfahren die Instrumentalisierung von Embryonen und eispendenden Frauen "gegenwärtig" nicht rechtfertigten. Es scheint, als ob an der Frage des Klonens ein lange andauerndes taktisches Bündnis zwischen eher religiös argumentierenden und sozialethisch motivierten Klongegnern beendet worden wäre.
Was aber mag den Rat dazu bewogen haben, am Ende doch eine einheitliche - wenn auch mit Verweis auf die jeweiligen Positionen versehene - Empfehlung gegen das Forschungsklonen abzugeben? Pflege am brüchigen Image einer Einrichtung, die im nächsten Frühjahr ihrer Verlängerung harrt, wie mancherorts spekuliert wird? Das hieße die Klonbefürworter (darunter im öffentlichen Geschäft versierte wie der Molekularbiologe Detlev Ganten) unverdient unterschätzen. Aufschlussreich war die stellvertretende Stellungnahme Wolfgang van den Daeles, der das dissent-gemeinsame Votum als "politisches Signal" verstanden wissen wollte, um "eine aufgeladene Debatte zur Ruhe zu bringen". Wider bessere Einsichten und eigene Interessen habe man sich der Ablehnung angeschlossen, um Entscheidungsprozesse "vorbildlich" vorzuführen.
Die darin unterschwellig enthaltene Kritik an den parlamentarischen Entscheidungsfindungen - wiederum Replik auf die böse Zurechtweisung des konkurrierenden Hubert Hüppe (CDU und stellvertretender Vorsitzender der Enquete), es sei eine "Zumutung", vom Ethikrat an seine Aufgaben erinnert zu werden - lässt sich auch dahingehend interpretieren, dass Klonexperimente, gleichgültig mit welchem Ziel, in Deutschland "gegenwärtig" politisch nicht durchsetzbar sind. Selbst die Franzosen haben sich kürzlich gegen das Klonen entschieden. Die forschungsliberalen Räte setzen auf Zeit: Wenn das Ausland mit spektakulären therapeutischen Erfolgen aufwarten sollte, ist mit dem Stimmungsumschwung noch immer auf den fahrenden Zug aufzuspringen. Sollte sich, was wahrscheinlicher ist, das therapeutische Klonen aber als Flop herausstellen wie einst die Gentherapie, ist man fein heraus. Das Zauberwort, übrigens auch in der forschungskritischen Position C, heißt "gegenwärtig".
Spannend bleibt, mit welcher Haltung nun die Bundesrepublik in die neue UN-Verhandlungsrunde gehen wird. Bekanntlich vertrat die Bundesregierung bislang - entgegen dem expliziten Auftrag des Bundestags - eine hinhaltende, das Forschungsklonen akzeptierende Position, weil sie diese weltweit für konsensfähiger hielt als ein Totalverbot. Mit dem Votum des Kanzler-Rats kann sich das deutsche Mandat in der UN nun nicht rüsten. Ob Taktik oder nicht, der Kanzler dürfte derzeit wenig Freude an seinen Räten haben.
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