Hirnspenden

Brain-Net Die Sammlung von Hirnen wirft die Frage nach Herkunft und Verwendung der Spenden auf

Zehn universitäre Zentren sind zusammengeschlossen in dem im Oktober 1999 eingerichteten Forschungsprojekt "Brain-Net", das vom Bundesforschungsministerium mit insgesamt etwa 4,36 Millionen Euro gefördert wird. Jede Klinik hat einen Schwerpunkt - Gehirne von Suchtkranken beispielsweise werden vorwiegend in Würzburg gesammelt, Hirne von Depressiven in Bonn.
"Hirngewebe von Patienten mit Erkrankungen des Zentralnervensystems zu sammeln und eine deutsche Hirnbank aufzubauen", sei das Ziel von "Brain-Net", heißt es harmlos zu Beginn eines Briefes, den Professoren der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Ende 2000 an Klinik- und Krankenhausleitungen verschickt haben. Darin bitten sie darum, "Möglichkeiten einer Unterstützung dieses Projektes seitens Ihrer Klinik zu prüfen".
Schwerpunkt der Düsseldorfer Klinik sei die Schizophrenie, "Kontrollhirne" von Patienten mit Depressionen oder mit neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer oder Parkinson würden aber ebenfalls gebraucht. Deshalb bitte man im Falle des Todes solcher Patienten um Benachrichtigung, "wenn ein Interesse an der Organspende beim Patienten vor dem Tode bestanden hat beziehungsweise bei dessen Angehörigen besteht".
Ob Hirne von Menschen, die zu Lebzeiten der Organentnahme zugestimmt haben, auch für Forschungszwecke explantiert werden dürfen, ist nur eine der Fragen, die sich bei diesem Schreiben stellen. Im Vorstand des Bundesverbandes der Psychiatrie-Erfahrenen (BPE) fragt man sich außerdem, ob ein gesetzlicher Betreuer über eine Organspende des von ihm Betreuten entscheiden darf. Denn die Düsseldorfer Professoren bitten auch in denjenigen Fällen um Benachrichtigung, in denen bereits zu Lebzeiten Interesse an einer Organspende signalisiert wird - vom Patienten selbst oder von dessen Angehörigen. Ausnahme: Patienten mit einer schizophrenen Psychose oder einer depressiven Erkrankung, "da in diesen Fällen (...) eine Vorabbefragung des Patienten negative Konsequenzen für den therapeutischen Verlauf zur Folge haben könnte". Beim BPE fragt man sich nun, ob das bedeute, dass Patienten mit den im Brief genannten Diagnosen über ihre mögliche künftige Gehirnspende zu Forschungszwecken grundsätzlich nicht aufgeklärt werden sollen, wenn Angehörige beziehungsweise Betreuer der Spende zustimmen.
Fragwürdig ist aber nicht nur, dass die Hirnspende zu Forschungszwecken von am "Brain-Net" beteiligten Professoren als Organspende bezeichnet wird. Brisant ist auch die Verwendung des beschafften Gewebes. Das "Brain-Net" wird nur noch bis Ende des Jahres vom BMBF gefördert. Deshalb werden in dem Projekt nicht nur Hirne gesammelt und asserviert, sondern auch auf dem Forschungsmarkt angeboten. Der "symbolische Beitrag für die Gewebeabgabe" liegt bei 1.533,88 Euro pro Forschungsprojekt und "wird ausschließlich dazu verwendet, um die entstehenden Kosten im Brain-Net auch nach Ablauf der Förderung durch das BMBF zu decken", heißt es auf den Internet-Seiten des Projektes.

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