Kinderlachen sieht anders aus

Sommerfest Horst Köhler lud noch ein, Christian Wulff feiert die bunte Republik, BP fehlt und Joachim Gauck singt mit Peter Maffay

Da ist er ja. Aus einer der hohen Türen, die aus der Diele von Schloss Bellevue in die Flügel links und rechts abgehen, kommt Christian Wulff mit einem ganzen Schwung Männer geeilt. Er wirkt so beruflich beschäftigt, dabei ist doch draußen im Garten sein Sommerfest, das Sommerfest des Bundespräsidenten. Vielleicht drei-, nach späteren offiziellen Angaben fünftausend Leute stehen und sitzen im weitläufigen Garten von Bellevue vor Bühnen, Snack- und Getränkeständen. Noch wird klassische Musik gegeben, später steht Peter Maffay auf dem Programm.

Wulff aber ist zwischenzeitlich verschwunden. Und siehe da - die eiligen, wichtigen Herren, die vor ihm die Treppe hinunter in den Park verschwinden, das war die gesammelte Spitze der Bild-Zeitung. Die Bild-Fürsten mussten sich, dem am selben Tag vereidigten Präsidenten und der Welt beweisen, dass sie den allerersten tête-à-tête-Termin bei Christian Wulff im Schloss bekommen.

Am Treppenabsatz wird dieser aufgehalten von einem SPD-Abgeordneten, der ihm gratulieren möchte. Wulff, der als Ministerpräsident jüngst noch die erste türkisch-deutsche Ministerin ins Amt gehievt hat, hat in seinen ersten Reden den Ansatz von Integration und Multikulturalität betont, ja, die „bunte Republik Deutschland“ hat er bereits zum Stichwort gemacht. Dafür wird er vom SPD-Mann gelobt. Wulff bedankt sich und sagt zweimal, dass er als Mann der Berufspolitik wirklich auch ganz stark mit Abgeordneten zusammenarbeiten möchte. Wulffs kugelrund-aufgerissene Augen erinnern unwillkürlich an jemanden, der bis kürzlich auf Bellevue residierte, der auch noch die Einladungskarten für dieses Sommerfest verschicken und die Gästeliste aufstellen ließ: Hatte Horst Köhler nicht auch immer diese geweiteten Augen, aus denen die Angst vorm Amt guckte?

Immerhin kann Wulff seine eigene Nervosität eingestehen. Hatte er sich sechs Stunden zuvor, bei seiner Vereidigung im Bundestag, doch prompt verhaspelt. „Es ist vielleicht eine Aufregungssekunde gewesen“, erklärt er bei der Eröffnung des Sommerfests. Als er damit getröstet wird, dass auch Barack Obama sich beim Amtseid versprochen hat, sagt Wulff: „Das macht mir Mut, dass es noch was werden kann.“ Sollte er sich diesen Witz vorher überlegt haben, so kommt er schnell genug. Das Publikum ist bereits gewillt, ihn zum schlagfertigen Ironiker zu erklären.

Aus der Vision Angela Merkels, die vor ihren eigenen Leuten damit für ihn warb, dass dann „Kinderlachen durch das Schloss Bellevue klingt“, wird vorläufig nichts – beziehungsweise nicht dauerhaft. Heute Abend sind die Kinder da – sowohl der Sohn von Bettina Wulff aus früheren Zeiten als auch der gemeinsame Sohn. Wulffs haben entschieden, die Kinder der Medienöffentlichkeit zuzuführen. Die Art und Weise wird im Laufe des Abends noch speziell bei Frauen für Kopfschütteln sorgen - „geschmacklos“ sei das, der noch nicht zweijährige kleine Bengel sei von den Kameras ganz erschrocken gewesen. So wenig wie vor ihnen die Köhlers und die Raus wollen die Wulffs allerdings im Schloss wohnen. Weil sie „sozusagen wohnungssuchend“ sind, wie Bettina Wulff erklärt, hätten sie auch schon „mit den Sponsoren gesprochen, was sich da machen lä...“ - der Moderator lenkt ganz fix ab. Unpassende Sache das, wenn die First Lady öffentlich ausführte, auf welchen Wegen man in Berlin Unterkunft zu finden hofft.

BP wird versteckt - zahlt aber doch

Womit Bettina Wulff allerdings auch ein anderes interessantes Stichwort genannt hat: Wo ist eigentlich BP? Auf keinem einzigen der insgesamt sehr dezent gestalteten Stände prangt die gelbgrüne Blume eines wichtigen noch von Horst Köhler gewonnenen Sponsoren. Der Konzern, der den USA gerade die größte Umweltkatastrophe ihrer Geschichte bereitet, zog sich am Wochenende zurück, nachdem SPD-Chef Sigmar Gabriel und Grünen-Chefin Claudia Roth es gegeißelt hatten, dass der neue Präsident sich von BP die Party bezahlen lasse, während die Fischer im Golf von Mexiko um jeden Cent Entschädigung kämpften. Zwei angeregt-vorwurfsvoll mit Finanzstaatssekretär Jörg Asmussen plaudernde Taz-Redakteure wissen allerdings, dass BP trotzdem gezahlt haben soll.

Nun sollte die Versorgung mit Eis und Hähnchen-Häppchen auch ohne Ölkonzern zu machen sein. Übermäßig geschlemmt oder schrankenlos getrunken wird beim Präsidenten ohnehin nicht. Dazu sind die Schlangen vor den Ständen viel zu lang. Ein Stern-Redakteur schwenkt sein Weinglas und weiß, dass man beim württembergischen Weißwein am schnellsten bedient wird – was nicht für den württembergischen Weißwein spricht.

Beim Pfälzer Wein steht der ehemalige Verteidigungsminister Franz Josef Jung und redet gelöst auf einige Bundeswehr-Offiziere in ihren grauen Ausgehuniformen ein. Die Anwesenheit eines ehemaligen Kabinettsmitglieds wird von vielen der anwesenden Abgeordneten genutzt, darauf hinzuweisen, dass das aktuelle Kabinett sich kaum blicken lässt. Da hinten unter dem großen weißen Hut steckt die Familienministerin Kristina Schröder. Aber sonst scheint niemand, erst recht nicht die Kanzlerin, sich einem Gespräch darüber aussetzen zu wollen, was für ein weiterer herber Schlag es für Schwarz-Gelb war, dass Wulff einen dritten Wahlgang brauchte.

Wenige Stunden vorm Fest hat dann auch noch das Gesundheitsministerium zugegeben, dass die Finanzreform der Krankenkassen ausgesprochen plump ausfällt – größer könnte die Niederlage für Minister Philipp Rösler kaum ausfallen. Abgeordnete von CDU wie FDP geben dies sofort zu. Nur einer wirft sich auch noch in diese Schlacht und vor den Minister: FDP-Generalsekretär Christian Lindner erklärt, in gewissem Sinne sei auch die Erhöhung der Krankenkassenbeiträge ein Schritt Richtung Kopfpauschale und eine Art Erfolg. Die Runde aus Politikern und Journalisten schaut ihn etwas mitleidig an, doch das braucht Lindner nicht. Mitten im immer noch schwülwarmen, von kleinen Kunstdarbietungen durchzogenen, lässigen Treiben im Park steht er wie eine stählerne Politikmaschine, wehrhaft, sprungbereit, unnahbar.

Peter Maffay marschiert Richtung Konzertpavillon. Wer jetzt noch eine Stunde durchhält, darf erleben, wie Joachim Gauck neben Maffay auf die Bühne springt und mit ihm den Refrain von „Über sieben Brücken musst Du gehn“ singt. SPD und Grüne dürften froh sein, dass sie für Gauck nicht mehr zuständig sind.

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Geschrieben von

Ulrike Winkelmann

Ressortleiterin Politik

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