Die Frau ist um Konkretion bemüht. Karoline Linnert, grüne Finanzsenatorin in Bremen, erklärt dieser Tage gern, wie Sparen geht. So erbringe etwa die zentrale Beschaffung von Kopiergeräten 1,6 Millionen Euro. Auch habe sie prüfen lassen, welche Wege die Reisekostenabrechnungen durch den Apparat nehmen. Es sei nicht nötig, dass sieben Leute damit befasst würden.
Den öffentlichen Haushalt sanieren, so Linnerts Botschaft, das muss nicht heißen, mit der Axt um sich zu schlagen, bis das Blut knöchelhoch steht. Das kann auch behutsam gehen, um Effizienz und Transparenz bedacht. Bremen scheint‘s zu danken, denn die Grünen erwarten am Sonntag bei den Bürgerschaftswahlen ein neues Rekordergebnis, das nicht nur die rot-grüne Regierung im Amt halten wird, sondern auch den Begriff „Große Koalition“ neu definieren könnte: Die CDU muss damit rechnen, als neue Kleinpartei auf dem dritten Platz zu landen.
Geraume Zeit war Bremen im grünen Kosmos ein Außenseiterplanet. Bundesweit schien alles möglich, war alles spannend: Dreier-Koalitionen, Schwarz-Grün, Minderheitsregierungen. Aber Rot-Grün unter Sparzwang? Wie öde. Denn dies unterscheidet Bremen von Baden-Württemberg: In Stuttgart steht Grün-Rot vor der Frage, wie sich der Reichtum des Ländles besser einsetzen lässt als für Tiefbahnhöfe – eine relativ luxuriöse Lage. Bremen dagegen muss aus seinem Haushalt jährlich 120 Millionen Euro herausschneiden, um den Vorgaben der Schuldenbremse zu genügen. Dadurch aber ist die Hansestadt nun doch ein sehr geeignetes Beispiel dafür, was die Mehrheit der Bundesländer für Sorgen hat, und worauf grüne Regierungspolitik sich einzustellen hat.
Zwang zur Schuldenbremse
Es könnte bloß sein, dass die zentrale Beschaffung von Kopiergeräten nicht überall ausreicht, um der Schuldenbremse gerecht zu werden. 2009 schrieb die Große Koalition aus Union und SPD ins Grundgesetz, dass die Nettokreditaufnahme ab 2020 auf ein Drittelprozent vom BIP begrenzt wird – mit großen Folgen für die Bundesländer. Die Grünen waren zwar dagegen. Doch arbeiten sie gleichzeitig weiter an ihrem Ruf als seriöse, der Nachhaltigkeit verpflichtete Partei, und vertreten daher landauf, landab Schuldenbremsen-Politik.
Es fällt dabei allerdings auf, wie wenig die grünen Slogans vom „Ehrlich Machen“ und vom „Seriös Gegenfinanzieren“ der grünen Beschlusslage entsprechen. Seit einem ganzen Jahr leitet Fritz Kuhn, Fraktions-Vize im Bundestag, eine „AG Zusammen-Denken“, die in Vorbereitung einer Regierungsbeteiligung 2013 ausrechnen soll, wie sich Green New Deal, Kindergrundeinkommen, Hartz-IV-Erhöhung und so weiter überhaupt finanzieren lassen. Doch weiß niemand aus der Fraktion bislang auch nur von Zwischenergebnissen zu berichten. „Bislang sind wir entschlossen, die Einnahmen aus der Abschaffung des Ehegattensplittings dreimal auszugeben“, frotzelt ein Abgeordneter fröhlich. Ein AG-Mitglied berichtet, dass geschaut worden sei, „bei welchen Gruppen die Belastungen kumulieren“, wenn man Bürgerversicherung und Steuerpläne zusammenrechne. Immerhin an die eigenen Wähler hat man also schon gedacht.
Kuhn selbst mag über seine AG nicht sprechen, lässt sich mit Verpflichtungen im „Ländle“entschuldigen – noch Tage nachdem die dortige Kabinettsbildung ganz ohne ihn, der lange als baden-württembergisches Mastermind galt, stattgefunden hat. Mittlerweile sollen die Fraktionschefs Jürgen Trittin und Renate Künast angekündigt haben, sich in die AG einbringen zu wollen. Ob dies der Entscheidungsfindung dienen wird, steht dahin. Künast will im September die Wahl in Berlin gewinnen.
Trend zur Priorisierung
Doch geht beim grünen Spitzenpersonal der Trend zur Priorisierung. Trittin deutete bereits im Freitag (Nummer 45, 2010) an, dass die Finanzierung des „zentralen Reformprojekts“ Green New Deal auf Kosten der Sozialpolitik gehen könne. Damit schien er sich von der Erhöhung der Hartz-IV-Sätze auf 420 Euro zu verabschieden. Wesentlich schwammiger noch wies Parteichefin Claudia Roth vor wenigen Tagen in dem Papier Eine neue Phase Grün auf Finanzierungskonflikte hin: Bis 2013 „müssen wir klar und deutlich aufzeigen, welche Reformprojekte uns nach der Wahl am wichtigsten sind“.
Verblüffend ist dabei, dass Landesgrüne und Bundesgrüne ganz verschiedene Pläne mit der größten angesteuerten Einnahmequelle haben, der Belastung der Vermögenden. Erst zu Jahresbeginn erklärte die Bundestasgsfraktion, die immerhin rund 100 Milliarden Euro, die sie mit einer – zeitlich befristeten – Vermögensabgabe einzunehmen hofften, sollten in die Haushaltskonsolidierung fließen. Reiner Priggen, Fraktionschef der in Nordrhein-Westfalen regierenden Grünen, formuliert dagegen in einem aktuellen Programmpapier „Verhandlungsaufträge Richtung Bund“. Darunter: Nicht etwa die Vermögensabgabe, sondern die Wieder-Einführung der Vermögensteuer. Deren Ertrag geht an die Bundesländer.
Es sieht aus, als wollten die vielen neuen Regierungsgrünen in den Ländern der Bundesspitze bis 2013 noch ein paar Vorgaben machen, mit welchem Programm sie in die Bundestagswahl ziehen soll. Das macht die Debatte darüber, welche schönen grünen Pläne aus den Oppositionsjahren dann dran glauben müssen, sicherlich nicht einfacher.
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