Gesunde Pölsterchen

Krankenversicherung Die ungewohnten Milliardenüberschüsse im Gesundheitswesen wecken Begehrlichkeiten – auch beim Finanzminister. Aber die Senkung des Bundeszuschusses wäre absurd

Vor zwei Jahren präsentierte die Bundesregierung ihren Stein der Weisen. Endlich, so behauptete der damalige Gesundheitsminister Rösler, werde die Gesetzliche Krankenversicherung so richtig solidarisch. Erstmals gebe es einen Sozialausgleich über Steuergelder. Für die verkrustete Staatsmedizin breche ein neues Zeitalter von Wett­bewerb und Effizienz an , den Krankenkassen werde mit den bald für alle geltenden Zusatzbeiträgen die Autonomie zurückgegeben. Solidarisch und wettbewerblich und eigenverantwortlich – das kriegen nur Liberale hin.

Das Ganze war schon damals großer Unfug. Der zentrale Punkt von Röslers Reform war die Erhöhung der Beiträge von 14,9 auf 15,5 Prozent, um Finanzlöcher zu stopfen. Dieses Hinlangen bei den Einzahlern – durchgesetzt ausgerechnet von der Partei, die stets die Lohnnebenkosten senken will – und die gute Konjunktur spülen dem Gesundheitswesen seither einen Milliardensegen in die einst leeren Kassen. Nun sind im Gesundheitsfonds drei Milliarden Euro übrig, und die Krankenkassen sitzen wohl noch einmal auf mehr als sieben Milliarden Euro.

Mit Zusatzbeiträgen allein am Haken

Das ist das Geld der Beitragszahler. Es ist deshalb nicht abwegig, eine Beitragssenkung zu fordern. So viele Milliarden wecken Begehrlichkeiten – auch bei Ärzten, Kliniken oder Pharmafirmen, die schon lange meinen, mit dem Sparen sei es genug. Doch ginge eine Kürzung des Kassenbeitrags im jetzigen System schnell zu Lasten der Arbeitnehmer. Denn das Milliardenpolster wird bei wackeliger Konjunktur schon bald wieder schwinden. Und dann sind die Kassenmitglieder mit Zusatzbeiträgen allein am Haken. Dass die FDP sich jetzt nicht für das einst von ihr gewünschte und eingeführte System einsetzt, ist scheinheilig. Aber besser ist es allemal.

Absurd ist jedoch die Idee, den Überfluss aus dem Gesundheitsfonds in den Bundeshaushalt umzuleiten. Eine Kürzung des staatlichen Zuschusses – der politisch gewünschte Leistungen und eben jenen von Rösler gepriesenen Sozialausgleich finanziert – käme einer Sonderabgabe gleich, mit der die 50 Millionen Kassen­­mit­glieder das Staatsdefizit abbezahlen. Das geht nicht.

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Geschrieben von

Verena Schmitt-Roschmann

Verena Schmitt-Roschmann ist Ressortleiterin Politik des Freitag.

Verena Schmitt-Roschmann

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