R.I.P. Bildungsbürger

Feuilleton. Ding, Dong die Hex ist tot. Das Bildungsbürgertum ist dahingegangen.

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In einem der legendären „Cheech und Chong“ - Stoner-Filme laufen beide durch die hitzeflirrende Wüste, Cheech findet eine tote Schlange und legt sie Chong um den Hals, worauf der hysterisch losbrüllt: „Ihh, es lebt! Es lebt!“ Cheech will ihn beruhigen und meint: „Nein, es ist tot!“ Und Chong schreit: „Ihh, es ist tot! Es ist tot!“ Ein ziemlich kongruentes Gleichnis für den Zustand des deutschen Bildungsbürgertums. Da überall zu lesen, Georg Seeßlens Text in der "Taz" über das Feuilleton impliziert es, im „Freitag“ wird darüber diskutiert, muss es stimmen: Das Bildungsbürgertum stirbt aus. Ja, na endlich, möchte man rufen.

Im achtzehnten Jahrhundert noch Ausdruck und Selbstverständnis für ein neues Menschenbild, dass von einem Individuum, dem aus eigener Kraft, aus eigenem Vermögen, der gesellschaftliche Aufstieg gelang, entwickelte es sich rasant zu einer elitären, dünkelhaften Elite. Angeblich machten Bildung und Wissen, nicht wie bei Kaufleuten oder Handwerkern der schnöde Mammon, die Vortrieb gebende Kraft seiner Entwicklung aus. Eine hehre, doch unerfüllbare Prämisse, denn ohne staatliche Protektion, in Form eines streng regulierten Beamtentums, wäre die so hoch gelobte Lebensart gar nicht möglich gewesen. Auf Gedeih und Verderb ketteten sich die Bildungsbürger damit, bei Strafe bitterster Armut, in einer Art Symbiose an das jeweilige, den Zeitgeist bestimmende Herrschersystem. Mit katastrophalen Folgen.

Aus Unfähigkeit und Dummheit scheiterte diese selbsternannte Elite mit dem einzigen, je unternommenen Versuch, einer Befreiung aus der staatlichen Knechtschaft, der Märzrevolution 1848, um dieses Versagen später mit dem tollkühnen Begriff vom deutschen „Sonderweg“ zu bemänteln. Ihre Unbotmäßigkeit bedauernd, zogen die Bildungsbürger jauchzend zum Schalmeienklang in des Kaisers Krieg und erschufen dem Führer, nach dem Schlachten der Kommunisten, eine Religion, eine Kunst und eine Wissenschaft als ideologische Unterfütterung für seine beispiellosen Untaten. Nach der absehbaren Katastrophe streuten sie Asche auf die überlebenden Literatenhäupter und fabulierten, nicht ohne Koketterie, vom „doppelt geschwärzten Eichensarg“.

Politische Korrektheit machte danach ihr Leitmedium, das Feuilleton, aus! Sobald eine verdächtige Formulierung im Medienzirkus fiel, eine die irgendwie nach Nazi, Sex oder Gewalt klang, rottete sich die Edelfedermeute im Blätterwald zusammen und warf, wie die bärtigen Weiber in: „Das Leben des Brian“ beim Ausruf „Jehova“, mit kränkenden Textbausteinen nach dem unglücklichen Verfasser. Ihre bräsigen, miteinander versippten Kinder lernten einen sinnlosen Kulturkanon auswendig, von dem behauptet wurde, er enthielte: „Alles was man wissen muss!“ Kein Wunder, dass mit schöner Regelmäßigkeit ein Teil dieser Kulturerben ihr Heil im Vergessen durch veritable Drogenräusche suchte, die sie später, wenn sie der Einreihung ins Heer der Kulturbewahrer im Wege standen, als Jugendsünde abtaten.

Alles Neue war dem Bildungsbürger, selbst wenn er damit Geld verdiente, fremd, unheimlich, ja grundsätzlich böse. Facebook, Computerspiele, Sextoys? Teufelswerk ohne Gottes Beitrag! Halbwissen, Mittelmaß und Mutlosigkeit regierten die wohltönenden Gespräche an den von silbernen Manufactumleuchtern bestrahlten, mit teuren Lafite Rothschild bestückten Ligne Roset – Esstischen im Eigentumsloft der Bildungelite. Fremdworte gebraucht der Bildungsbürger schamlos, ohne störende Kenntnis der Bedeutung. Am Umgang mit Minderheiten erkannte der Kundige die Doppelmoral der angeblich dem Humanismus verpflichteten kulturellen Bannerträger. Homosexuelle kreierten die saisonale Designermode für die unglücklichen Hausfrauenbürger, doch heiraten ließ man die, unter der Hand als gestört empfundenen, um Gottes Willen nicht. Für alles exotische, inklusive sexueller Befriedigung im Urlaub, durften die Nichtweißen aus dritte Welt Ländern sorgen, solange sie blieben, wo sie hingehörten und Behinderte wurden umsorgt, oft bemitleidet, wenn sie nicht allzu laut gesellschaftliche Beteiligung forderten. Geschmückt mit den Insignien ihrer naiven Religion fühlten sich die Bildungsbürger auserwählt, behütet und entschliefen sanft, ohne nennenswerte Gegenwehr.

Dennoch, was wird ihnen nachfolgen? Werden vielleicht die Bolognabachelorkrüppel die Ruinen besetzen und sich als legitime Nachfolger ausrufen? Oje! Wie es so schön heißt: Es muss erst ganz schlimm kommen, bevor Besserung eintritt.

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Geschrieben von

visionsbar

"Ich lasse meine Mitmenschen zur Hölle fahren, wie es ihnen beliebt!" Robert Louis Stevenson

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