Gauck reloaded - der widersprüchliche Konsenskandidat

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Nun ist soweit, Gauck wird unser neuer Bundespräsident. Wer hätte das gedacht, dass die FDP mit ihren schlappen 2% Wählerzustimmung in ihrem "Todeskampf" zu einer solchen Energieleistung fähig ist. Der "kleine" Herr Rösler hat sich gegen die "große" Bundeskanzlerin Frau Merkel gestellt und der CDU aufgezeigt, dass sich die FDP noch nicht aufgegeben hat. Es war sogar von einem Koalitionsbruch die Rede, den Rösler in Kauf genommen hat. Tja, wenn man nichts mehr zu verlieren hat, quasi am Abrgrund steht, dann wird man entweder mutig oder man ergibt sich in sein Schicksal.

Die SPD hat auch keine Alternative zu bieten. Sie hat es vorgezogen, Gauck erneut nominieren, nur um der Kanzlerin eins auszuwischen. Wie bemerkte Gabriel so schön "Ende gut, alles gut". Die Grünen konnten sich dem nur anschließen. Sie wollen sich mit dem zukünftigen Bundespräsidenten reiben, fragt sich nur, wo Gauck eine Reibungsfläche bieten soll.

Ja und die Linken überlegen noch, ob sie doch einen eigenen Kandidaten nominieren wollen und riskieren dabei, sich völlig der Lächerlichkeit preis zu geben. Jetzt haben sie bereits das zweite Mal einen unverhofften medialen Zuspruch erfahren und was machen sie daraus? Wenn Frau Nahles in der Sendung von Jauch bedauert, dass die Linke nicht in das Bundeskanzleramt geladen wurde, lässt dies tief blicken. Wenn Frau Merkel die Königscobra verkörpert, dann ist Frau Nahles die Klapperschlange, die ihren Biss durch lautes Rasseln vorher ankündigt.

Gauck ist noch nicht einmal im Amt und schon rührt sich der empörte "Wutbürger" und legt jedes seiner Worte, das er irgenwann einmal gesagt hat, auf die Goldwaage. Für die einen ist er zu alt, männlich und auch noch Protestant, für die anderen ist er noch nicht einmal geschieden, hat eine Freundin, kommt aus dem Osten Deutschlands und gehörte niemals der DDR-Bürgerrechtsbewegung vor der Wende an.

Und dann philosophiert er noch über Freiheit in Verantwortung und kritisiert die Occupy-Bewegung.

Wer ist denn Gauck nun wirklich? Warum urteilt man über einen Menschen und bezeichnet ihn im Vorfeld als den richtigen oder falschen Bundespräsidenten, wo er doch noch nicht einmal gewählt ist?

Was ist das für eine Gesellschaft, die einer Person nicht einmal die Chance einräumen will, sein Amt erst einmal anzutreten, um dann, nach einer gewissen Zeit ein Urteil darüber zu fällen, ob er es gut oder schlecht gemacht hat? In diesem Zusammenhang gelten die üblichen 100 Tage.

Was ist das für eine Medienlandschaft, die den Voyeurismus der Bevölkerung so gnadenlos bedient wie im Falle Wulff. Reicht es denn nicht, wenn ein Mensch am Boden liegt. Muss man dann immer weiter nachtreten, bis dieser Mensch samt seiner Familie "vernichtet" ist?

Postdemokratische Verhältnisse zeichnen sich u.a. dadurch aus, dass die politisch Handelnden nicht die Wahrheit sagen und das Volk als "Stimmvieh" missbrauchen und die politisch Nichthandelnden ihrem Hang nach "Brot und Spiele" ungezügelt nachgehen konnen. Im alten Rom stand dafür das Colosseum zur Verfügung, jetzt haben wir dafür das Internet.

Der Mensch hat sich nicht geändert, nur seine Art der Kommunikation.

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