Lafontaine - Fluch oder Segen der Linkspartei?

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An Oskar Lafontaine scheiden sich die Geister. Keine Persönlichkeit in den letzten 2 Jahrzehnten hat die politische Landschaft derart geprägt wie Oskar Lafontaine.

Neben den vielen Stationen, die Lafontaine politisch durchlaufen har, haben nach meiner Einschätzung zwei Ereignisse Lafontaine entscheidend geprägt und sind insofern entscheidend für seine spätere Handlungsweise. Das erste Ereignis war das Attentat auf ihn im Jahre 1990, bei dem er Glück hatte, weil der Messerstich nur knapp die Halsschlagader verfehlte. Das zweite Ereignis war sein Rücktritt vom Amt des Parteivorsitzenden der SPD und dem des Finanzministers am 11. März 1999.

Dennoch ist Lafontaine alles andere als ein eindimensionaler Mensch. Diese Multifunktionalität, die allen intelligenten Menschen eigen ist, lässt ihn für viele als unberechenbar, ja mitunter als gefährlich erscheinen. Durch sein Leben zieht sich wie ein roter Faden sein konsequentes Eintreten für Frieden und soziale Gerechtigkeit. Hier endet seine Bereitschaft zu Kompromissen. Sein Rückzug von der SPD, die unter Schröder eine Neoliberalisierung und der sozialen Kälte ohnegleichen erlebt hat, zeigt dies überdeutlich.

Lafontaine war doch tatsächlich der Meinung, dass er die Politik Schröders im Zaum halten könne, wenn er ihn zwar zum Kanzler machen würde, anschließend als Finanzminister und Parteivorsitzender die Leitlinien einer sozialdemokratischen Politik entscheidend beeinflussen würde. Ein fataler Irrtum, wie sich kurze Zeit später herausstellte. Schröder brauchte ihn nicht mehr. Die Wahl war gewonnen und der Architekt des Wahlerfolges wurde lästig, weil Schröder die SPD neu ausrichtete, ganz nach dem Vorbild der "new labour" eines Tony Blairs. Zwar wurde der Kanzleramtsminister Bodo Hombach schnell wieder entsorgt, im Grunde genommen war Schröder jedoch der Auffassung, dass nur eine wirtschaftsfreundliche Politik begleitet von massiven sozialen Einschnitten der richtige Kurs für Deutschland darstellt.

Lafontaines Abgang haben ihm viele seiner Anhänger in der SPD nie verziehen. Er wurde als Fahnenflüchtiger diffamiert, einer , der davonläuft, wenn es eng wird. Viele fragen sich, was passiert wäre, wenn Lafontaine zwar als Finanzminister zurückgetreten, aber als Parteivorsitzender geblieben wäre. Aber diese Handlungsweise passt nicht zu Lafontaine und nur er wusste um die innere Verfassung der SPD. Dass er damals schon geplant hatte, eine neue politische Linke ins Leben zu rufen, möchte ich ihm nicht unterstellen. Zuzutrauen wäre es ihm, weil jede charismatische Persönlichkeit auch etwas Visionäres in sich trägt. Er, der nach der Wende, dem Osten Deutschlands eine lange Anpassungsphase voraussagte, er, der nicht von blühenden Landschaften sprach. Nur, das wollte keiner hören, weder in den neuen noch in den alten Bundesländern.

Die Gründung der Linkspartei war eindeutig sein Verdienst und der Gysis. Beide haben erkannt, dass nur eine Westausdehnung der politischen Linken das Überleben sicherstellt. Hier war sie wieder die visionäre Kraft Lafontaines, die einen Reformer auszeichnet.

Im Grunde genommen ist Lafontaine aber ein Sozialdemokrat geblieben. Es blutete ihm das Herz, wenn er auf die SPD blickt, eine SPD, die ihr neoliberales Denkmuster nie aufgegeben hat, eine SPD des Seeheimer Kreises, eine SPD, die sich in weiten Teilen der CDU angeglichen hat, so wie sich die CDU unter Merkel der SPD angenähert hat. Was bitteschön ist denn der Unterschied zwischen einer Bundeskanzlerin Merkel und einem Bundeskanzler Steinbrück. Es gibt keinen.

Das Kalkül Lafontaines, die SPD zu spalten und große Teile dieser abgespaltenen SPD zu sich herüberzuziehen, ist nicht aufgegangen. Lafontaine hat sich viel zu sehr darauf konzentriert, die SPD zu marginalisieren, indem er ihr seine Vorstellungen von sozialer Gerechtigkeit aufzwang, die die Linke als Oppositionspartei im Bund mangels Beteiligung nicht durchsetzen konnte. Dabei hat er übersehen, dass die SPD seit 2005 nicht mehr Regierungspartei ist.

Wenn nun aber die Linke glaubt, auf Lafontaine verzichten zu können, weil er in bestimmten Fragen die nötige Kompromissbereitschaft vermissen lässt, irrt sie gewaltig. Lafontaine ist wie kein zweiter in der Lage, komplexeste Sachverhalte so zu erklären, dass sie ein jeder versteht, während andere über Austeritätspolitik fabulieren und sich der geneigte Wähler fragt, ob die Auster eine Delikatesse ist oder nicht.

Gerade das bestehende Führungsduo Lötzsch und Ernst, das sich selbst halbiert hat, zeigt doch mehr als deutlich, dass es nicht damit getan ist, eine Frau Ost/West bzw. einen Mann Ost/West zu positionieren, die die Partei führen. Die Linkspartei ist wie jede andere Partei darauf angewiesen, dass sie ein nach außen geschlossenes Bild abgibt und nicht wie in der Vergangenheit ein Bild der Zerrissenheit. Lafontaine hat mehr als einmal bewiesen, dass er dies kann, intellektuell und von seinen Führungsfähigkeiten her. Man wird nicht ohne Grund Parteivorsitzender der SPD. Und man jagt nicht jemand vom Hof, weil er seinen eigenen Kopf hat, man meint, einen Schuldigen für die Wahlniederlagen bei den zurückliegenden Landtagswahlen gefunden zu haben und sich wieder als Regionalpartei der neuen Länder etablieren will. Ein Zurück in die Zukunft gibt es nicht.

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