Was, wenn das Ende der Welt unmittelbar bevorsteht? Nicht langfristig und diffus, wie im Falle der Klimakatastrophe, inmitten derer wir uns befinden, die aber nur in kleinen Schritten vonstatten geht, sondern in Form eines auf die Erde stürzenden Asteroiden? Das ist die Idee der Sky-Serie 8 Tage. Es ist nicht besonders originell und im Grunde hochideologisch. Warum?
Es ist klar, dass die sich beschleunigende, die natürlichen Ressourcen ausplündernde Entwicklung des kapitalistischen Weltwirtschaftssystems massiv von Katastrophenängsten, vielleicht sogar von Katastrophensehnsüchten begleitet ist. All das aber, was sich daran wieder und wieder der Fasslichkeit entzieht und zu allerlei Ausflüchten und Ausweichbewegungen provoziert, wird in 8 Tage bequem zusammengedrängt und handhabbar gemacht.
Erstens: Die Katastrophe kommt in der Serie natürlich von außen. Mit dem Asteroiden Horus, der auf die Erde stürzen wird, haben die Menschen nichts zu tun. Sie haben nichts falsch gemacht, vom Schuldzusammenhang des Systems ist nicht die Rede. Wir alle sind unschuldig und haben das Ende der Welt nicht verdient. Für die Situation, in der wir uns dieser Tage tatsächlich befinden, macht das blind.
Flucht oder Party
Zweitens: Die Katastrophe tritt zu einem bestimmten Zeitpunkt ein: In acht Tagen wird’s knallen. Der Fetisch der Befristung lenkt von der viel verstörenderen Lage ab, in die uns der KLimawandel bringt. Das ist ja ein allmählicher Prozess, langsam, vielleicht quälend. An seinem fernen Ende steht irgendwann der evolutionäre Gattungstod. Und vielleicht hat er schon angefangen – selbst dann, wenn es doch noch gelingen sollte, die Klimaziele, die wir uns vorgenommen haben, einzuhalten. Niemals aber wird er auf fernsehgerechte acht Tage = acht Folgen zusammenschrumpfen. Agonie versus Apokalypse: Das ist das Problem.
Drittens: Der Asteroid in 8 Tage trifft nicht die ganze Welt, sondern nur einen Teil. Ursprünglich sollte er in La Rochelle einschlagen; ein nur partiell gelungener Versuch der Amerikaner, ihn von der Erde abzulenken, führt dann dazu, dass sein Einschlag in Kasachstan zu erwarten ist. Die Russen sind dann alle tot; wer in Europa lebt, ist mindestens gefährdet und versucht, in den Westen zu fliehen. Das heißt, es gibt Privilegierte und Nicht-Privilegierte, plus der entsprechenden dramatischen Verteilungskämpfe. Der Klimawandel dagegen ist ein globaler Prozess, der uns alle erfasst hat – auch wenn es zunächst die armen Länder sind, die am schnellsten unbewohnbar sein werden. Dennoch: Die Klimaerwärmung und der dadurch drohende evolutionäre Autogenozid sind etwas, das die Menschheit als Ganzes betrifft.
Der Erkenntniswert der Serie ist also eher gering. Dennoch hat sie einen. Was sie zeigen kann – und zwar durch das Serienformat dann doch viel besser als ein klassischer Katastrophenfilm –, sind Extreme menschlichen Verhaltens, die durch die Gewissheit des nahenden Todes freigesetzt werden. Die „unmögliche Möglichkeit“ des Todes, wie es Heidegger formulierte, macht die Menschen keineswegs besser, aber eindeutiger, klarer und typenhafter. Sie machen schon klar, auf was man sich wird einrichten müssen.
Was kann man tun? Man kann es krachen lassen, Party machen, auf dem Vulkan tanzen. So machen es, grob gesagt, die Jungen. Man kann das eigene Überleben auf Kosten der anderen absichern, ja, sich hämisch darüber freuen, dass in der kommenden Postapokalypse nicht mehr die Worte, sondern die Waffen sprechen werden. So ist es bei dem Baustoffunternehmer Frankenberg (Devid Striesow), der sich und seiner Tochter einen eigenen Bunker gebaut hat. Diesem Prepper kommt die große Barbarisierung angesichts des Untergangs gelegen. Man kann versuchen zu fliehen, entweder top end per Flugzeug oder bottom end mithilfe von Schleusern. So macht es die Berliner Durchschnittsfamilie (Christiane Paul und Mark Waschke), die wenigstens sympathiemäßig im Zentrum der Serie steht und vergeblich versucht, sich nach Russland durchzuschlagen (sie weiß noch nicht, dass der Asteroid nun dort einschlagen wird). Und so macht es, auf der anderen Seite, der hochrangige Ministerialbeamte Hermann (Fabian Hinrichs), der für sich und seine schwangere Freundin (Nora Waldstätten) zwei der umkämpften Flugplätze nach Amerika zu bekommen versucht – ebenfalls vergeblich.
Man kann religiös werden: Eine Erweckungsbewegung gründet sich unter der Führung des Charismatikers Robin (David Schütter); ein ehemaliger Häftling und bildschöner Analphabet, der in Zungen redet, begnadet durch Horus: „Er ist das Licht. Die Zeit ist jetzt.“ Man kann seinen Frieden mit dem Leben und all den verpassten Möglichkeiten machen und darauf beharren, den Tod wenigstens in eigener Regie zu inszenieren: Das ist die stoische Lösung, verkörpert von einem ehemaligen NVA-Offizier (großartig gespielt von Henry Hübchen), der nie so recht im wiedervereinigten Deutschland angekommen ist. Er trifft die große – homosexuelle – Liebe seines Lebens noch einmal wieder, am Ende erschießt er sich.
Es gibt die Frauen (und Mädchen), die nicht so genau festgelegt sind und zwischen den mit mehr Schärfe charakterisierten Typen in diesem Endzeitchaos umherirren. Und es gibt den deutschen, das heißt korrekterweise: deutsch-türkischen Polizisten (Murathan Muslu), Ehrenmann und Musterbild der Pflichterfüllung, der sowohl aufs Überleben wie auf die Liebe seines Lebens verzichtet und am Ende, kurz bevor Horus einschlägt – aufgepasst! –, Falschparker notiert.
Das sind die Typen, die durch das kosmisch arrangierte Sein zum Tode freigesetzt werden, nicht mehr und nicht weniger. Alles ein wenig schematisch, aber nicht zuletzt aufgrund der durchweg guten schauspielerischen Leistung ziemlich überzeugend.
Hat 8 Tage neben dieser groben, aber durchaus interessanten Phänomenologie des Untergangs eine „Botschaft“? Es ist zu befürchten. Das letzte Bild zeigt eine Braut – ihr Bräutigam ist jener Ministerialbeamte, der sie nach einigem Hin und Her verlassen hat, um sich selbst zu retten. Sie ist im Brautkleid und hält, gewickelt in eine blaue Decke, ihr neugeborenes Baby auf dem Arm. Verzückt blickt sie Horus entgegen, der in die Atmosphäre eingetreten ist und durch den rot verfärbten Himmel gleißend der Erde entgegenrast. Bis in die Farbgebung ist es ein apokalyptisches Marienbild. Es geht darum, die Katastrophe zu umarmen, das Unvermeidliche zu lieben und sich dem Sog zu überlassen, der ins „Ereignis“ führt. Dann ist man rein, frei von Schuld und falschem Leiden, das aus dem Widerstand gegen das Schicksal erwächst; ja mehr: Man ist größer als man selbst und von überindividueller Erhabenheit. Angesichts dieser weltanschaulichen Großmanifestation von Katastrophenlust sind alle analytischen Impulse des Unternehmens wie weggeblasen. Die Hysterikerin, die sich mit der Katastrophe identifiziert, und der Beamte, der bis zur letzten Sekunde Bußgelder verhängt: Das ist das Finale einer deutschen Apokalypse.
Das Thema ist so wichtig. Und wie es aussieht, nehmen sich im Moment seiner vor allem die populären Medien an. Das per se ist nicht das Problem, im Gegenteil. So aber, wie es in 8 Tage mit all seiner Verflachung und Verkürzung betrieben wird, kann man es nicht machen.
Vielleicht wäre eine Mehrgenerationensaga eine Möglichkeit, die Prozesse, in denen wir stehen, in ihrer schleichenden Langatmigkeit abzubilden. Einige Ideen: Irgendwie läuft der technische Fortschritt weiter, doch von Generation zu Generation bricht die Basis weg. Dürreperioden und Hungersnöte; ungleichmäßige Stromversorgung (mit allen Konsequenzen, zum Beispiel für die auf Kühlung angewiesenen Server); teils pragmatische, teils esoterische Gegenbewegungen; Abschaffung der staatlichen Rahmung, wie wir sie kennen, damit einhergehend Rückgriff auf ältere oder robustere Sozialstrukturen (Mafia und Sekte eher als die bürgerliche Familie) et cetera pp.
Wenn es nicht so schrecklich wäre, könnte man sagen: Wir leben in einer spannenden Zeit. 8 Tage wird ihr höchstens im Ansatz gerecht.
Info
8 Tage Michael Krumenmacher, Stefan Ruzowitzky Deutschland 2019, 8 Folgen auf Sky
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