Blackrock draußenhalten

Banken Die EU-Kommission beauftragt den weltgrößten Vermögensverwalter, sie in Fragen klimagerechter Wirtschaft zu beraten. Dagegen regt sich breiter Protest
Auch in Braunkohle hängt oftmals Blackrock mit drin. Der Vermögensverwalter soll dennoch die EU in Fragen klimagerechter Wirtschaft beraten (Symbolbild)
Auch in Braunkohle hängt oftmals Blackrock mit drin. Der Vermögensverwalter soll dennoch die EU in Fragen klimagerechter Wirtschaft beraten (Symbolbild)

Foto: Ina Fassbender/AFP via Getty Images

Eine Tochterfirma des weltgrößten Vermögensverwalters Blackrock wird die EU-Kommission beraten, wie das Finanzsystem zu einer klimagerechteren Wirtschaft beitragen kann. Zivilgesellschaftliche Akteure und Finanzpolitiker kritisieren die Auftragsvergabe an BlackRock mit Verweis auf Interessenkonflikte. Das Unternehmen und die EU-Kommission weisen die Vorwürfe von sich und verweisen auf strenge Vergaberegularien und Informationsbarrieren.

Die Blackrock Financial Markets Advisory soll die EU-Kommission zu zahlreichen Fragen beraten, die Banken in der EU betreffen. Dazu gehört: welche politischen Anreize das Potenzial haben, dass Banken Klimaziele in ihre „Geschäftsstrategien und Investitionspolitik“ aufnehmen, wie Banken Risiken des Klimawandels für ihre Geschäftstätigkeit erfassen und ob und wie die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) Klima- und Umweltrisiken in die Bankenaufsicht integrieren könnte. Gleichzeitig besitzt Blackrock als Vermögensverwalter Anteile an zahlreichen Banken. Der Vermögensverwalter ist größter Anteilseigner bei der Deutschen Bank (5,1 Prozent) und hält gut fünf Prozent der Anteile der Commerzbank. Blackrock ist auch größter Anteilseigner europäischer Großbanken wie der französischen Société Générale (sechs Prozent der Anteile), der italienischen Unicredit (5,1 Prozent), der niederländischen ING (fünf Prozent) sowie der spanischen BBVA (5,9 Prozent). An der spanischen Banco Santander hält BlackRock 5,4 Prozent und an der französischen BNP Paribas fünf Prozent. Sven Giegold, Finanzpolitiker der Grünen im Europaparlament, kritisiert: „Eigentümer sind schlechte Politikberater. Als Miteigentümer vieler europäischer Großbanken hat Blackrock einen direkten Interessenkonflikt, wenn es um die Regulierung dieser Banken geht“. Die Banken haben zahlreiche Kredite und Investitionen in fossile Wirtschaftszweige getätigt, die durch eine harte Klimaregulierung an Wert verlieren könnten, wodurch auch Blackrocks Interessen beeinträchtigt wären. Auch Gerhard Schick, Vorstand der Bürgerbewegung Finanzwende, sagt: „Ein Akteur wie Blacktock wird wohl eher keine Maßnahmen empfehlen, die aus ökologischer und gesellschaftlicher Sicht zwar notwendig sind, aber zur Folge hätten, dass Aktieninvestments des Konzerns an Wert verlieren. Die Entscheidungen, auf die sich das Beratungsmandat bezieht, sind viel zu relevant, als dass ich dafür riskieren würde, mir ein trojanisches Pferd ins Haus zu holen.“

Öl, Kohle und Cash

Ein Sprecher der EU-Kommission versichert, die Auftragsvergabe an Blackrock sei in voller Übereinstimmung mit den EU-Vergaberichtlinien geschehen. Diese würden Interessenkonflikte ausschließen. Blackrock habe das technisch und finanziell beste Angebot eingereicht. Das Unternehmen führe lediglich eine Studie durch, die ein einzelner Bestandteil einer Vielzahl von Konsultationen sei. Die EU-Kommission werde ihre politischen Entscheidungen unabhängig treffen.

Laut Recherchen des Guardian ist Blackrock einer der weltweit größten Kohle-Investoren. Der Vermögensverwalter gehört bei sieben der zehn größten Kohlefirmen zu den zehn größten Anteilseignern. Ähnlich sieht es im Erdöl-Sektor aus. Blackrock gehört laut Guardian bei allen großen Ölfirmen (außer Total) zu den drei größten Anteilseignern.

Der Vorwurf der Kritiker*innen lautet: Blackrock könne aufgrund dieser massiven Investitionen in klimaschädliche Energieträger gar nicht wollen, dass diese von der EU-Kommission offiziell als nicht-nachhaltiges und aufgrund der Klimakrise risikoreiches Geschäft erachtet werden. Denn stuft die EU-Kommission diese Geschäfte als risikoreich ein, weil ein Großteil der Investitionen wertlos werden könnte, da die Reserven aufgrund der Klimakrise im Boden bleiben müssen, wären auch die Investments von Blackrock viel weniger wert.

Blackrock hat Anfang des Jahres in einem offenen Brief an seine Kund*innen angekündigt, bis Mitte 2020 „Anleihen und Aktien, von Unternehmen, die mehr als 25 Prozent ihrer Umsätze aus der Kohleproduktion erwirtschaften, aus unseren diskretionären aktiven Anlageportfolios zu eliminieren“. Kritiker wie Sven Giegold sagen, es reiche nicht, schöne Briefe zu schreiben, wenn das eigene Handeln den Worten nicht folgt. So zeigte beispielsweise das Institute for Energy Economics and Financial Analysis im vergangenen Sommer auf, dass nur 0,8 Prozent der Anlagen Blackrocks in Fonds investiert seien, die sich an hohen Umwelt- und Sozialstandards orientieren. Die NGO Urgewald kritisiert die Ankündigung Blackrocks als Augenwischerei. Einige der weltweit größten Kohlebergbauunternehmen könnten in Blackrocks Portfolio verbleiben. Sie fördern zwar massiv Kohle, haben aber auch andere Einkommensquellen, sodass die Kohle weniger als 25 Prozent ihres Umsatzes ausmacht. „Blackrock hat seine Hausaufgaben in Sachen Nachhaltigkeit noch nicht erledigt", sagt Katrin Ganswindt, Klima- und Energiekampagnenleiterin bei Urgewald.

Ein Sprecher BlackRrocks hebt hervor: Die von der EU-Kommission beauftragte „Blackrock Financial Markets Advisory ist ein eigenständiges Unternehmen innerhalb von Blackrock, mit festgelegten Richtlinien und Verfahren zum Schutz der sensiblen Natur unserer Kundeninformationen, und arbeitet hinter einer strengen Informationsbarriere. Seit Gründung der FMA im Jahr 2008 wurde ihre Informationsbarriere von zahlreichen Kunden überprüft, darunter einige der weltweit größten und anspruchsvollsten offiziellen Institutionen". Ob diese Informationsbarriere verhindert, dass Interessen des Investitionsarms von Blackrock mit in die Analysen der Tochterfirma FMA einfließen, lässt sich erst überprüfen, wenn die Beratungsergebnisse Blackrocks für die EU-Kommission vorliegen.

92 zivilgesellschaftliche Organisationen aus ganz Europa wollen nicht so lang warten. Sie veröffentlichten am 29. April einen offenen Brief, in dem sie EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und die Vizepräsidenten Dombrovskis und Timmermans aufrufen, die Auftragsvergabe rückgängig zu machen. Die Organisationen werfen Blackrock vor, teilweise gegen genau jene Green-Finance-Vorhaben Lobbyarbeit gemacht zu haben, die sie jetzt bewerten sollen. Auch Gerhard Schick kritisiert dieses Vorgehen. Es nähre die Befürchtung „dass Blackrock im Rahmen seines Mandats wirklich fortschrittliche und notwendige Maßnahmen eher ausbremsen werde“.

Brisantes Engagement

So sieht der EU-Auftrag an mehreren Stellen vor, dass die Blackrock FMA eine EU-Richtlinie einschätzen soll, gegen deren Ausrichtung sich die Mutterfirma Blackrock schon öffentlich ausgesprochen hat. Die sogenannte Richtlinie zur Offenlegung nichtfinanzieller Informationen verpflichtet große, an der Börse notierte Unternehmen und Banken dazu, der Öffentlichkeit Bericht sowohl über die Risiken von Umweltveränderungen für ihre Geschäftstätigkeit als auch die sozialen und Umweltauswirkungen ihrer Geschäftstätigkeit zu erstatten. Investor*innen, Konsument*innen und Politiker*innen können dadurch einschätzen wie nachhaltig ein Unternehmen agiert. Die EU-Kommission hat im Sommer 2019 auch freiwillige Richtlinien erlassen, die Unternehmen auffordern, auch über die Klimaauswirkungen ihrer Tätigkeiten zu berichten. Laut EU-Kommission seien diese Informationen für immer mehr Investoren relevant. Nur so könnten die Investoren und die Politik die Klimaauswirkungen bestimmter Investitionstätigkeiten einschätzen. Da ist besonders relevant, da EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen mit ihrem Green Deal vor allem auf private Investitionen in grüne Wirtschaftsbereiche abzielt. Dafür müssen die Investoren jedoch einschätzen können, welche Unternehmen nachhaltig agieren. In Kürze wird die verpflichtende EU-Direktive aus dem Jahr 2014 überarbeitet, sodass auch die freiwilligen Klimaberichte zur Pflicht werden könnten. Gerhard Schick sagt: „Offenlegungspflichten müssen politisch entwickelt und implementiert werden und nicht von einem großen Finanzinvestor kommen. Nur dann erhalten sie eine Aussagekraft, die für die Gesellschaft relevant ist“.

Hier ist Blackrocks Engagement brisant, da der Vermögensverwalter einen Berichtsansatz favorisiert, bei dem die Unternehmen und Banken nur über die Risiken des Klimawandels auf ihr Geschäft berichten müssen; nicht jedoch über die Klimaauswirkungen ihrer Geschäftstätigkeit.

Hinzu kommt: Blackrock hat erst 2020 angefangen, die Unternehmen, in die es investiert hat, über die Geschäftsrisiken des Klimawandels zu befragen. Blackrock ist also selbst beim weniger Informationen umfassenden Berichtsstandard ein Nachzügler. Ein Sprecher des Unternehmens versichert jedoch: „Blackrock unterstützt nachdrücklich die allgemeinen Ziele der Kommission, die Nachhaltigkeit fest in das Finanzsystem zu integrieren“. Die kommenden Monate, in denen Blackrock vorläufige Ergebnisse vorlegen soll, werden Aufschluss über diese Aussage geben.

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