Im März 2012, ein Jahr nach Ausbruch des Bürgerkrieges in Syrien, entwarf der damalige Außenminister Avigdor Lieberman Empfehlungen bezüglich der eigenen Position. Er riet dazu, man solle das Morden in Syrien verurteilen und Präsident Assad zum Rücktritt auffordern. Israel dürfe nicht das einzige westliche Land sein, das Assad womöglich schont. Dies werde nur den Verdacht nähren, man ziehe es vor, dass der Diktator an der Macht bleibt. Premier Netanjahu konnte dem nicht viel abgewinnen. Er kritisierte zwar das Vorgehen der syrische Armee und erklärte, „verschiedene Führer“ hätten „keine moralischen Bedenken, die eigenen Leute zu töten“, doch nannte er Baschar al-Assad niemals den dafür allein Verantwortlichen und unterließ die Forderung nach dessen Amtsverzicht.
Israels damaliger UN-Botschafter Ron Prosor gab zu Protokoll, Assad habe jedes moralische Recht verwirkt, sein Volk zu führen – doch das war es dann auch. Diese diplomatische Akrobatik wie die Differenzen zwischen Lieberman und Netanjahu gaben Verschwörungstheorien erst recht Nahrung. Die Anführer syrischer Rebellenverbände waren überzeugt, Israel wolle Assad weiter an der Macht sehen, und hatten so Unrecht nicht.
Nun, da der syrische Staatschef eine wohl letzte Schlacht gegen Aufständische im Süden geschlagen hat, verhält sich Israel so, als sei es dabei, seine Politik neu zu justieren, und habe sich mit Assad „versöhnt“. Der wird offenbar in der Befürchtung toleriert, Rebellen-Milizen könnten erneut versuchen, ihn zu stürzen, und damit den Bürgerkrieg verlängern. Positionspapiere des israelischen Außenministeriums aus den vergangenen beiden Jahren waren nicht unbedingt Sympathieerklärungen für den Präsidenten Syriens, doch deuteten sie an, dass ein Fortbestand seines Mandats für die Sicherheit Israels als wünschenswert, wenn nicht unverzichtbar angesehen wird.
Eine Zusammenarbeit mit Russland, das die israelischen Streitkräfte augenscheinlich nicht an Angriffen auf die Hisbollah und iranische Ziele in Syrien hindert, hat die Israelis in eine informelle Koalition arabischer Staaten eingereiht, die Assads Herrschaft nicht mehr verdammen. Ägyptens Präsident Abd al-Fattah as-Sisi sagt plötzlich von sich und Syrien, man säße „im selben Boot“. Delegationen aus Kairo besuchen Damaskus, obwohl Syrien aus der Arabischen Liga ausgeschlossen bleibt. In einem Interview erklärte as-Sisi sogar, Ägypten unterstütze „die Armeen von Staaten wie dem Irak, Libyen und Syrien“.
In Jordanien war König Abdullah 2011 einer der ersten arabischen Staatschefs, die Assad fallen ließen, doch hat er seine Meinung geändert und damit Saudi-Arabien verärgert. Doch auch Riad polemisiert nicht mehr öffentlich gegen Assad, seit es Gespräche zwischen Kronprinz Mohammed bin Salman und der russischen Regierung in Moskau gegeben hat.
Eintracht auf dem Golan
Das russische Eingreifen in Syrien, das 2015 begann, galt in Israel zunächst als zum Scheitern verurteilt. Tatsächlich wurde Assad gestärkt, eine Koalition mit Iran und der Türkei ermöglicht und das interventionistische Verhalten Katars, Saudi-Arabiens und der Vereinigten Arabischen Emirate neutralisiert. Da sich die USA erkennbar zurückhielten, musste Israel mit dem mutmaßlich geringeren Übel Vorlieb nehmen, wohl wissend, dass die Triple-Allianz zwischen Moskau, Teheran und Ankara bislang nicht wetterfest ist. Iran und Russland streiten sich um die Kontrolle über die vier Deeskalationszonen. Die Türkei wiederum hat kurdische Gebiete in Nordsyrien besetzt und unterläuft den russischen Wunsch nach Rückkehr zur territorialen Integrität des Assad-Staates.
Will Israel die Iraner aus Syrien vertreiben, ist Russland – vielmehr als die USA – als einzige Macht in der Lage, ihnen entgegenzukommen und die iranische Präsenz zu limitieren. Dabei kommt sicher in Betracht, dass Assad mehr auf Russland als Iran angewiesen ist. Für Israel ist das von Vorteil, bedeutet es doch, dass die syrische Politik gegenüber Israel vom Kreml überprüft wird, sodass sich von Syrien ausgehende Gefahren in Grenzen halten dürften. Im Gegenzug wird in Tel Aviv Assads Herrschaft anerkannt, aber darauf bestanden, das Separation of Forces Agreement von 1974 – es folgte auf den Oktoberkrieg von 1973 – zu achten. Demnach ist der syrische Golan für syrische Truppen ein verbotenes Terrain.
Offiziell überwachen UN-Beobachter die Umsetzung dieses Abkommens, gegen das die Assad-Regierung noch nie verstoßen hat, sodass es an der Grenze zwischen beiden Ländern jahrzehntelang ruhig blieb. Mit dem Bürgerkrieg in Syrien blieb von den UN-Blauhelmen nur eine symbolische Präsenz übrig. Künftig wird Russland Teil dieses Überwachungssystems und sich mit Israel einig sein, dass es an der Grenze zu Syrien ruhig bleibt.
Insofern sollte Israel Baschar al-Assad Erfolg und ein langes Leben wünschen. Wenn ihm israelische Minister drohen, er sei die längste Zeit Präsident gewesen, sollte er zulassen, dass sich Iraner in Grenznähe niederlassen, müssen diese doch wissen, dass sie damit nicht nur ihren Partner im Präsidentenpalast von Damaskus attackieren, sondern auch Russland.
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