In Kooperation mit Panorama Museum

Überblick: Geschichte in Bildern

Die Ausstellung im Panorama Museum beleuchtet den Bauernkrieg von 1525 und Werner Tübkes monumentales Gemälde. Historische Grafiken und Texte zeigen den Umbruch zur Neuzeit als Spiegel künstlerischer und gesellschaftlicher Wandlungsprozesse

Werner Tübke: Frühbürgerliche Revolution in Deutschland (Ausschnitt: Schlacht), 1983-87, Öl auf Leinwand, 14 x 123 m, Panorama Museum, Bad Frankenhausen

Foto: VG Bild-Kunst, Bonn 2025

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Der Welt Lauf

Der Welt Lauf

Beitrag zur Thüringer Landesausstellung „freiheyt 1525 – 500 Jahre Bauernkrieg“

Panorama Museum

Am Schlachtberg 9 | 06567 Bad Frankenhausen / Thüringen

Vom 11. Mai bis 17. August 2025

In Kooperation mit Panorama Museum

Der Welt Lauf

Inmitten der Diamantenen Aue im Norden Thüringens liegt die idyllische Kurstadt Bad Frankenhausen, die vor knapp 500 Jahren Ort eines blutigen Glaubenskampfes war. Noch heute erinnern Straßen- und Flurnamen wie »Schlachtberg« oder »Blutrinne« an ein Ereignis, das im Mai 1525 etwa 6.000 Menschen das Leben kostete. Eine der letzten Schlachten im Deutschen Bauernkrieg wurde hier ausgefochten und endete in einem martialischen Gemetzel und der Festnahme sowie späteren Hinrichtung des wortgewaltigen, radikalen Predigers und »Endzeitpropheten« Thomas Müntzer.

Oberhalb der Stadt thront weithin sichtbar ein zylindrischer Zweckbau, der Mitte der 1970er Jahre eigens für ein traditionelles Schlachtenpanorama errichtet wurde, das primär und ausschließlich jenem Ereignis im 16. Jahrhundert gewidmet sein sollte. Doch Werner Tübke, der 1976 den staatlichen Auftrag übernahm, orientierte von Anfang an auf eine rein künstlerische Lösung. Kein Geschichtstempel mit didaktisch illustrativen Vorgaben, sondern »hochqualifizierte Malerei« (Werner Tübke), erreicht durch absolute künstlerische Freiheit, war das Ziel.

Nach einem knapp 12-jährigen Schaffensprozess war sein Opus Magnum vollendet, mit dem er Geschichte beschrieb und schrieb – ein epochales Gemälde des Umbruchs vom Spätmittelalter zur Neuzeit, aber auch ein universales, zeitloses Welttheater, in dem Grundthemen der Menschheit die unendliche Wiederkehr des Gleichen versinnbildlichen.

Stil und Motivik des Bildes sind der dargestellten Zeit entlehnt. Das Formklima der Malerei stimmt und suggeriert, dass hier Geschichte objektiv, also in ihrem wirklichen Verlauf, wiedergegeben ist. Das dem bei einer derart persönlichen Bilderfindung nicht so sein kann, ist indes selbstverständlich. Aber der Künstler hat sich kundig gemacht, und zwar in einem Maß, dass ihm die Universität Leipzig im Dezember 1985 gar die Würde eines Ehrendoktors der Philosophie verlieh. Immer wieder stößt man auf Figuren und Motive, die man schon einmal gesehen zu haben meint. Und in der Tat: Nicht nur der malerische Stil, auch die übergroße Mehrheit der Akteure, ja ganze Szenen und Figurengruppen sind Zitate nach Bildquellen jener Epoche, der Wende vom Spätmittelalter zur frühen Neuzeit. Das hat nichts mit mangelnder Erfindungsgabe oder Schöpferkraft zu tun, sondern ist konzeptionelle Methode.

Stil- und Motivzitat geben der Erfindung des Künstlers vielmehr ein besonderes Maß an Authentizität. Worauf hätte Werner Tübke sich im Übrigen sonst auch stützen sollen? Die Bildwelt jener Zeit bot ihm die einzige Gewähr, den Geist, das Klima, ja die Wirklichkeit dieser Umbruchsphase deutscher und europäischer Geschichte tatsächlich glaubhaft einzufangen.

Die Figuren im Bild sind mithin historische Figuren, Kunstfiguren, die in eine neue Rolle gebracht sind, um die Geschichte noch einmal, und zwar ganz nach Maßgabe des Welt- und Geschichtsbildes von Werner Tübke, aber auch mit einem Höchstmaß an Wahrscheinlichkeit auf der Bühne der Kunst zur Aufführung zu bringen. Insbesondere auf die populäre Flugblattgrafik der Reformationszeit hat der Künstler dabei zurückgegriffen, das bevorzugte Medium handfester aktueller Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen religiösen, politischen und sozialen Kräften im frühen 16. Jahrhundert. Es sind oft sogar anonyme Holzschnitte, Bilder von künstlerisch vielfach minderer Qualität, verbunden mit einem Motto und kurzen Texten, die Tübke hier als Motivreservoir herangezogen hat. Das Einschmelzen unterschiedlichster Vorlagen in ein neues homogenes Bildganzes gehört zu den frappierendsten Leistungen dieses methodischen Konzeptes. Es gibt Einzelfälle, bei denen das Zitat sofort auch als solches erkannt werden will. In der Regel wird es dem Betrachter in seinem Ursprung zunächst jedoch verborgen bleiben. Erst die intensive Beschäftigung mit dem Bildvokabular jener Zeit wird erlauben, die Quelle des Motivs ausfindig zu machen und so die Bedeutung, die die einzelne Figur in der Vorlage hatte, in die Interpretation des Panoramagemäldes mit einzubeziehen. Das ist eine spannende und anspruchsvolle Aufgabe, die neben historischen vor allem auch kunsthistorische Kenntnisse verlangt. Der Gewinn indes ist unvergleichlich, gestattet solches Quellenstudium doch erst, die eigentliche, tiefere Bedeutungsebene dieser Bildwelt im Wechselspiel von Anschauung und Wissen genauer zu ergründen.

Somit bilden die kunsthistorische Betrachtung der zeitgeschichtlichen Quellen und deren künstlerischer Verarbeitung im Monumentalgemälde das Zentrum der Ausstellung im Panorama Museum. Ausgewählte historische Werke (Bilder und Texte) werden unter kunsthistorischen Gesichtspunkten betrachtet und in ihrer Bedeutung analysiert, wobei der zeithistorische Bezug der Werke in ihrer Zusammenschau und Verknüpfung die Möglichkeit zu einer authentischen Widerspiegelung der künstlerischen und geistigen Veränderungs-Prozesse (Bildwelt – Weltbild) an der Wende vom Spätmittelalter zur frühen Neuzeit bietet.

Bildnerisch wird der Akzent auf der Grafik liegen: Holzschnitte, Flugblätter, Flugschriften, Illustrationen, die Cranach-Werkstatt, die Kleinmeister, der Petrarca-Meister etc. Die Popularisierung der Grafik wird ebenso zur Darstellung kommen wie die Bedeutung der zeitgenössischen Medienrevolution.

Herausragende Kunstleistungen der Zeit werden im Besonderen diskutiert. Die unmittelbare Knüpfung des Projektes an das Bildprogramm von Werner Tübke gestattet zugleich, die Rezeption von Kunst und Geschichte als Mittel zum Verständnis der Gegenwart zu thematisieren. Die künstlerische Verarbeitung bei Werner Tübke bietet dank der widerspruchsreichen Ganzheit des Panorama-Gemäldes dazu Einblicke in eine gleichermaßen objektivierte (an den Quellen orientierte) wie persönliche (auch historisch-philosophische) Interpretation von Geschichte als Weltgericht, der zugleich die tiefe Überzeugung von einer zyklischen Wiederkehr des Gleichen als Kreislauf unterliegt.

Die aus den historischen Quellen gespeiste, wissenschaftlich fundierte „Zeitalter-Besichtigung“ mit ihren konzeptionellen Schwerpunkten wird auf zwei Etagen des Panorama Museums zu erleben sein. Neben dem Saal des Monumentalgemäldes findet die Hauptschau im darunter gelegenen Ausstellungssaal (350 qm, 100 m Wandfläche) statt.

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Bildwelt im Wandel der Zeiten

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Die Ausstellung „Der Welt Lauf“ im Panorama Museum beleuchtet anhand von Werner Tübkes Monumentalgemälde und ausgewählter Werke die künstlerischen und geistigen Umbrüche an der Schwelle vom Spätmittelalter zur Neuzeit

In sechs Akten durch Tübkes Bildwelt

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Sechs Themenkapitel folgen der Komposition von Tübkes Monumentalgemälde und erschließen zentrale Deutungsräume: von religiöser Krise über Aufruhr und Gerechtigkeit bis zu Erkenntnis und Wandel an der Schwelle zur Neuzeit

Vielfältiges Programm zum „Welt Lauf“

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Das Panorama Museum bietet Führungen, Audio-Guides in 12 Sprachen und Filme zur Ausstellung „Der Welt Lauf“. Für Schüler gibt es altersgerechte Führungen und Materialien. Alle Smart-Guide-Inhalte sind im Eintrittspreis enthalten

Digitalisierung des Giganten | Kunstkraftwerk

123 Meter breit und 14 Meter hoch, mit mehr als 3000 Einzelfiguren: Das ist das Bauernkriegsgemälde von Werner Tübke in Bad Frankenhausen. Elf Jahre haben die Arbeiten am Monumentalbild gedauert. Wie digitalisiert man dieses gigantische Kunstwerk?

Tübke Monumental | The Great Circle

KUNSTKRAFTWERK präsentiert mit dem Projekt TÜBKE MONUMENTAL einen völlig neuen Zugang zu einem der bedeutendsten Kunstwerke der figürlichen Malerei des 20. Jahrhunderts, dem Panoramabild "Frühbürgerliche Revolution in Deutschland" von Werner Tübke

Das Manifest der Bauern | Terra X

Unterdrückt, entrechtet, ausgebeutet – im 16. Jahrhundert erheben sich Bauern gegen Adel und Kirche. Ihr Aufstand wird zur frühen Freiheitsbewegung. Das Video erzählt von Bildernsturm, „12 Artikeln“ und dem Kampf um Gerechtigkeit und Menschenrechte

Die Frauen des Bauernkriegs | Arte

Der Bauernkrieg, der „Aufstand des Mannes“ – ohne Frauen wäre er undenkbar gewesen. Erstmals beleuchtet ein Dokumentarfilm die Rolle von Frauen in den Unruhen, die sich im Jahr 1525 verdichten. Freiheit, Teilhabe, Selbstbestimmung treiben sie um