Dennis lacht nie I

Fußnote - beim Aufräumen fällt ein verschimmeltes Notizbuch aus dem Seesack

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DON’T TRY steht auf dem Grabstein von Bukowski,..... Wo sind wir, wenn wir uns erinnern? Wann biegt sich Realität zu Erinnerung? Unterliegt unser Gedächtnis einer plastischen Verformung? Sobald wir erinnern, müssen wir erfinden.... sind Erinnerungen eine Haut, die wir abstreifen können oder ein Mantel, der uns verhüllt? In diesen Tagen denke ich an meine Zeit in den Staaten, vor einem Jahr schrieb ich einen Text in den Blog...... beim Aufräumen fällt ein verschimmeltes Notizbuch aus dem Seesack: Oh wie peinlich, wer hat das geschrieben? Warum Bukowski in Deutschland so viele Fans hatte, habe ich nie verstanden....


„Mein Boss besucht mich bald…. er ist da eigen, er mag keine fremden Gesichter…“ Wink mit dem Zaunpfahl. Guys Boss ist der Besitzer einer 14m-Yacht. Mit dem Boot segelt Guy alle zwei Monate nach Kolumbien. Lädt eine halbe Tonne Gras ein und kehrt im weiten Bogen über den Atlantik wieder nach Miami zurück.

Fünf Wochen habe ich schon bei Guy und seiner Freundin Margie in seinem Häuschen auf Key Largo schmarotzt. Zeit zu gehen. Margie bringt meinen Seesack und mich zum Greyhound. Wünscht mir noch viel Glück.

Es wird zum Glück schon kühler. Der Abend kriecht langsam herauf. Der August ist ein heißer Monat für Florida. Ich muss zwei Stunden warten.

Ich sitze im Bus neben einem Mädchen aus Neuseeland und einem Burschen aus Dänemark. Haben sich beim Reisen kennengelernt und machen zusammen weiter. Sie erzählen viel. Wohin ich will?

Weiß nicht. Habe kein Ziel. Der Bus soll um zehn in Miami sein. Viel mehr Geld will ich nicht ausgeben.

Main Station Miami. Endstation. Alle raus. Zigarettenstummel und zertretene Kakerlaken. Kubanische Mamis. Zerbrochene. Zwei Cops dazwischen. Kein guter Platz zum Schlafen.

Was sagt der Fahrplan? Coconut Grove, sagt der Fahrplan. Künstlerviertel, hab ich gelesen. War mal kurz da. Nicht so viel Pack.

Der Bus will Kleingeld. Der Bus braucht eine knappe Stunde. Als ich aussteige, ist es Mitternacht.

Meinen Seesack versenke ich in das verschwiegene Gebüsch einer Seitenstraße.
Nur Geld, Papiere und Kamera behalte ich bei mir. Sondieren. Die Straße am Wasser entlang. Nacht überall. Palmen ragen rechts und links und auf dem Grünstreife in der Mitte. Lampions, Musik, geschniegelte Leute im Freien: Lobster-Place. Ich bin nicht geschniegelt. Hab nur noch 9 Dollar und 73 Cent. Außerdem 300 Deutsche Mark, aber davon braucht niemand was zu wissen. Vorm Lobster-Place Cadillac und Porsche. Hier steht ein armer deutscher Reisender, sucht ein Bett, wo ist die heiße Society-Mieze?

Neben dem Lobster-Place beginnt eine Art Promenade am Wasser entlang. Weiter weg ein kleiner Yachthafen, zehn Boote vielleicht. Dann eine Grünanlage, Liegewiese bis ans Wasser mit einigen großen Bäumen. Dahinter ein Drahtzaun. Die Straße biegt vom Wasser weg. Ich folge ihr. Nette kleine Klinkerhäuschen. Keramik im Vorgarten. Eine Schrottplastik. Alles schläft.

Ich bin zu müde. Hole meinen Seesack und hau mich im Schlafsack in die Anlage unter eine Baumgruppe in der hintersten Ecke.

Ich kriege kein Auge zu. Das sagt man von so einer Nacht. Leute schleichen herum. Zehn Meter weiter liegt ein Pärchen. Ein Hund verbellt mich stundenlang. Scheiße, vielleicht hat er Hunger. Unter dem Kopfteil des Schlafsackes liegt meine Rechte mit dem Messer.

Die Sonne kommt über dem Wasser hoch. Drüben liegt Key Biscayne. Das Pärchen lümmelt auf dem Rasen herum. Das Mädchen hat eine violette Gesichtshälfte.

Eine freundliche ältere Dame macht ihren Morgenspaziergang. Ich hätte Glück gehabt, sagt sie. Leute, die hier schlafen, werden eingebuchtet. Früher lebten tagsüber viele junge Leute auf der Wiese. Sie waren friedvoll und freundlich, machten Musik und diskutierten. Niemand störte sich an ihnen. Es wäre wunderschön gewesen, sagt die alte Dame. Die Cops griffen durch wegen Drogen. Jetzt würde jeder abgeschleppt, der hier schliefe. Meistens sei das Gelände nachts erleuchtet. Sie zeigt mir die Masten mit den starken Scheinwerfern. Woher ich komme?

Sie kennt auch einen Deutschen. Lebt hier. Macht Kunst, Bildhauer oder so. Ich wäre ein netter Junge, sagt sie. Ich soll mich von den jungen Tagedieben fernhalten, die den ganzen Tag am Hafen herumlungern und Gras rauchen. Warum bietet sie mir kein Bad an? Oder wenigstens einen Kaffee? Aber sie ist ganz nett. Wünscht mir viel Glück.

Mitten in der Liegewiese steht auf einem Hügel ein Pavillon mit viel Glas. Coconut Grove Recreation Center. Junge Kerls und Miezen in Trainingsanzügen treiben Frühsport, auch Ältere. Außerdem stehen ein paar Reisende herum, zwei Säufer, einige Zombies. Wasserhahn mit einem Spiegel drüber, ich wasche mir Dreck aus dem Gesicht. Eine Trainingsanzugmieze scheint ganz nett. Aber nicht zu mir.

Im Vorbeigehen kotzt einer der Reisenden elegant in einen Blumenkübel. Wirkt wie ein Schlafwandler mit seinem langen Gesicht, Typ empfindungsloses Pferd.

Ich gehe rüber in die Einkaufsstraße. Meine Barschaft schmilzt. Kaffee, Sandwich, Ansichtskarten, Briefmarken. Lebenszeichen. Zurück im Glaspavillon kritzle ich die Karten voll.

Der Schlafwandler stellt sich zu mir. Ob ich ihm zehn Dollar leihen könnte? Nein. Ob ich seine Sonnenbrille kaufen wolle? Er will zwei Dollar. Wozu er das Geld braucht? Um übers Wochenende zu kommen. Heute ist Samstag. Er hat Arbeit gekriegt, sagt er, aber sie zahlen nur alle zwei Wochen. Eine Woche muss er noch rumkriegen. Er ist blank.

Er heißt Dennis und arbeitet drüben in Miami Beach im Hotel Fountainbleu. Spricht er Fauntenblu. Eines der dreißig besten Hotels der Welt. Zu zweit machen sie die Zimmer sauber. Kannst da telefonieren oder dich in das Luxusbett hauen und Farbfernsehn gucken.Der Andere ist in Ordnung. Ob ich da auch arbeiten kann? Ich brauche Geld. Dennis sagt, dass sie noch jede Menge Leute suchen. Ab Oktober ist Saison. Er kann mich am Montag mitnehmen.

Ich kaufe die Sonnenbrille. Dennis zieht los mit zwei Dollar. Die Brille passt mir nicht, muss sie zurechtbiegen. Schmierige Gläser.

Die alte Dame kommt am Pavillon vorbei. Winkt mir zu. Winke zurück.

Ich geh und steck die Karten ein. Es wird allmählich heiß. Der Seesack zerrt an meiner Schulter. Bringe ihn wieder in die Seitenstraße, pass auf, dass niemand mich beobachtet.

Zurück zum Pavillon. Dennis taucht wieder auf, Tüte mit zwei Dosen Bier. Weil Wochenende ist.

Ich frage, wo man Gepäck lassen kann. Er weiß nichts hier, sagt er. Sein Zeug liegt irgendwo in Miami. Mit dem Burschen da drüben könnte ich reden, der hätte hier ein Zimmer. Wildbebärteter Mensch, Typ Rübezahl-Zombie. Ich frage lieber nicht.

Wenn Dennis ausreichend Geld zusammen hat, will er ein Auto kaufen, dann durch Mexiko, Mittelamerika und so nach Argentinien. Paradies. Gras satt. Hippies leben da auf Farmen und bauen nur Gras an. In die Himmelsrichtung will ich auch, hab da eine Adresse in Costa Rica.

Wenn wir zusammenbleiben, müssen wir uns nach einem Zimmer umsehen. Er ist heute rausgeflogen, weil er die Miete nicht zahlen konnte. Miami Beach ist zu teuer zum Wohnen. Wir sollten uns eine gediegene Bleibe in Miami suchen. Ich sag, ich wär so gut wie pleite. Er fragt, ob ich meinen Vater in Deutschland um Geld antelegrafieren könnte. Ich denke, Dennis geht mir auf die Nerven. Sein Vater sitzt in Australien und ist geizig, sagt er.

Wir gehen rüber zum kleinen Hafen. Kleine blaue Bude. Dennis braucht einen Kaffee. Ich zahle.

Aufeiner Bank sitzen drei junge Kerls. Dennis kennt sie: Larry, das Fass, der kurze Jay mit dem Rattengesichtund der lange Al. Dennis schnorrt was zu rauchen. Er kriegt’s. Die drei starren runter in das brackige Hafenwasser. Weiße Fischleichen dümpeln in Ölflecken zwischen den Booten.

Larry gibt Jay einen Zehner und schickt ihn los, mehr zum Rauchen zu holen. Das Rattengesicht verschwindet über die Straße.

Das Pärchen von heute Nacht kreuzt auf. Die mit der violetten Gesichtshälfte heißt Myrna, der Bursche Steve. Hocken sich zu uns. Larry redet mit ihnen.

Jay bringt eine Tüte voll Californian-Grass-Stäbchen. Larry ist der Einzige, der Geld hat. Larry gibt für jeden einen Hotdog aus. Danach dösen wir im Schatten. Schweißtreibend heiß und schwül die Luft. Ich schlafe ein.

Dennis ist weg, als ich aufwache. Auch das Pärchen. Dennis ist vor einer halben Stunde gegangen. Nicht unangenehm. Bei Larry sitzt so ein braungebrannter Junge, strohblond, all-american-beach-boy-type: Burt.

Al brüllt zu einem Auto auf der Straße rüber. Reifen quietschen, pfeifen, als der Wagen abbiegt und vor der Bank hält.

Hallo, Joe, lange nicht gesehen, wie geht’s? Joe arbeitet. Richtig. Jeden Tag und so. Joe lebt billig. Joe lebt in seinem Chevrolet-Coupé. Spart Miete und Bus.

Jetzt haben wir ein Auto hier. Larry kauft einen Sixpack an der Bude. Abfahrt. Larry und Jay sitzen vorne bei Joe, ich sitz hinten mit Al und Burt. Kreuzen durch die Stadt. Größer als ich gedacht. Hübsche Läden. Interessant für mich der Headshop. Bongs, kleine Pfeifen, Wasserpfeifen, Anstecknadeln. Das Bier ist alle. Es ist entsetzlich heiß in der Kiste. Jay besorgt Nachschub aus dem Supermarkt. Gekühlt.

Auf den großen Ausfallstraßen fahren wir über den Sund rüber nach Key Biscayne. Ganz hübsch, Sand und Palmen und alles. Ziemlich leer. Die Touristen kommen erst später im Jahr.

Es dämmert früh so weit im Süden. Es ist dunkel, als wir nach Coconut Grove zurückkehren.

Wir gehen zu Lum’s. Der dicke Larry gibt für jeden einen Hamburger aus und eine Cola. Wieso er Knete hat? Er sagt, er sei Kriegsveteran. Vietnam und so. Schätze ihn auf zweiunddreißig. Er kriegt irgendeine Rente. Wohnt mit Jay in einem Lieferwagen auf dem Parkplatz unten am Hafen. Ich sage, dass ich nicht gerne wieder im Grünen übernachten würde. Pack und Cops und so. Sie haben noch ein Auto, für das Gepäck. In dem kann ich schlafen, wenn ich will.

Später gehen wir rüber zum Parkplatz. Dennis ist nicht wieder aufgekreuzt. Die Nacht wird teuflisch. Das Auto ist ein japanischer Winzling. Ohnehin voll mit Gepäck. Wenn ich die Beine aus dem Fenster hänge, habe ich mehr Platz. Die Beine sterben ab. Ich krümme mich zwischen dem Gepäck zusammen und lasse das Fenster etwas auf für Frischluft.

Wache auf mit einem verrenkten Kreuz. Scharen von Moskitos haben den Weg zu mir gefunden. Den Rückweg nicht. Bin völlig zerstochen.

Es ist schon hell. Ich steige aus und mache Lockerungsübungen. Sonntagmorgen. Setzte mich rüber auf die Bank und dämmere wieder weg.

Dennis weckt mich. Will wissen, wo wir gestern waren. Er hat mit dem Kerl in dem Wohnwagen da drüben Whisky getrunken. Hat nicht gesehen, wie wir weggefahren sind. Er leiht sich einen Dollar von mir für ein Frühstück. Verschwindet.

Der Bursche macht seine Bude auf, ich hole mir einen Kaffee. Larry und sein Rattengesicht kriechen aus dem Lieferwagen. Drin sehe ich zwei Pritschen und viel Müll. Der lange Al erscheint auf der Bildfläche und erwartet ein Frühstück von Larry. Larry ordert Kaffee an der Bude.

Dennis kommt zurück, hat nur was zu rauchen gekauft. Geier. Ich will nicht, dass er mein Geld für Zeugs ausgibt. Tu ich ja auch nicht. Bin zu geizig. Dennis sagt böse, dass ich meine Knete ja zurückkriege. Außerdem bräuchten wir viel mehr Geld, weil wir doch ein Zimmer in Miami mieten müssten und er erst in einer Woche Geld kriegt. Ob ich schon meinem Vater telegrafiert habe? Dennis ist ein Herzchen. Ich sage, dass ich noch hundert Mark gefunden habe. Im Moment über vierzig Dollar. Dennis ist zufrieden. Wenn wir das Geld heute noch brauchen, müssen wir am Flughafen tauschen.

Um Mittag verabschieden wir uns und nehmen den Bus zum Flughafen. Kriege 42 Dollar. Dennis meint, ich könnte ihm ja gleich die Hälfte leihen. Er hat eigenartige Ideen.

Wir fahren mit dem Bus nach Miami rein. Beim Gericht oder so, einem klassizistisch protzenden Riesenschuppen steigen wir aus. Gleich rein in die Absteige an der Haltestelle. Zerbrochene vor einem müde flackernden Farbfernseher. Ein schmieriger Kubaner managt den Laden. 28 Dollar die Woche, mit Fernseher 31 Dollar. Zahlbar im voraus. Eine Absteige eben. Dennis hält den Fernseher für lebensnotwendig.

Der Schmierige bringt uns mit dem Fahrstuhl nach oben. Dies Ding mit dem mörderischen Klappgitter muss die Sintflut überlebt haben. Das Zimmer ist hässlich, nicht zu groß. Zwei Betten, eine weiße Kommode dazwischen, irgendwo ein zerfressener Stuhl, zerfetzter Rollladen vor dem Fenster. Das Bad mit Klo und Wanne stinkt nicht.

Ich packe meinen Seesack aus. Hänge meine drei Hosen und fünf Hemden auf. Dennis hat kein Gepäck dabei. Das müssen wir noch holen. Ihn zieht meine Reiseapotheke an. Schmerzmittel und Schlaftabletten bringen Knete. Die Pille ´nen Dollar, sagt er.

Zwei Schmerztabletten schluckt er probehalber. Auf dem Waschzettel steht was von Schusswunden. Hat mir jemand in Deutschland aus dem Krankenhaus besorgt.

Da ich noch nicht lange im Lande bin, gibt mir ein paar Regeln:

Erstens: Kleingeld nie in großen Mengen herumschleppen, nur was man für den Bus oder so braucht. Wenn die Bullen jemanden mit viel Kleingeld aufgreifen, filzen sie ihn gründlich. Aus den Münzen kann man ja Patronen gießen.

Zweitens: Nur Brot essen, wenn es getoastet ist, sonst vergiftet es einen.

Drittens: Es gibt nur wenige gute Lebensmittel: Traubensaft und Apfelsaft, weil sie das Blut reinigen, Thunfisch, weil er gut ist für das Hirn, und Eier, weil sie die Muskeln stärken. Gift ist alles mit Zucker und zuviel Fett.

Ich glaube, Dennis spinnt ein bisschen. Hoffentlich klappt es morgen im Fauntenblu.

Wir gehen noch mal runter, finden einen Laden, der heute am Sonntag geöffnet ist. Kaufen Thunfisch und Apfelsaft. Essen wir oben im Zimmer.

Dennis fragt, ob ich Spanisch kann. Er hat eine Zeit in Mexiko gelebt. Könnte mir Spanisch beibringen, ich könnte ihm Deutsch beibringen.

Er zeigt mir auch sein kleines Buch. Das schleppt er in der Gesäßtasche mit rum. Schreibt Erlebnisse rein und Träume, auch einfache Gedanken. Englisch und Spanisch.

Zum Glück schnarcht Dennis nicht.

Ich wache früh auf und dusche. Das Wasser kreischt irgendwo in der Wand zum Gotterbarmen. Heiß und kalt im Zwanzig-Sekunden-Rhythmus. Vollautomatisch. Rasiere mich auch. Richtige Stoppeln.

Dennis ist wach und isst Thunfisch. Ich ziehe die weiße Schickimicki-Hose an und mein schönstes Hemd. Sehe richtig gediegen aus. Nur die Haare sind zu lang, die Schuhe zu schief.

Bald hocken wir im Bus und werden über die lange Brücke nach Miami Beach geschaukelt. Zum Fauntenblu braucht der Bus vierzig Minuten. Wir reden über die Fahrt nach Argentinien. Am besten kaufen wir irgendeine alte Mühle, vielleicht einen Kombi. Dennis meint, das Auto könne man in Argentinien günstig verscherbeln und von dem Geld eine Weile leben. Außerdem wäre es gut, eine Kanone zu besorgen. Die Muchachos nehmen es nicht so genau mit durchreisenden Amerikanern.

Das Fauntenblu ist ein weißer, einfältiger Kasten. 1000 Betten. Wir gehen gleich in den Keller. Dennis zeigt mir das Personalbüro und schiebt dann los mit der Karre, wo der Besen und dieser ganze Firlefanz dranhängt. Bis das Büro um neun aufmacht, muss ich noch warten. Aber so einen Zettel soll ich schon mal ausfüllen. Die erste Zeile lasse ich frei, wo da steht: social security number.

Genau die will der Bursche dann wissen. Ist wichtiger als mein Name. Ich sage, ich wüsste die Nummer nicht, das wär alles in Deutschland. Da will er meinen Pass sehen. Auf das Visum, das man in Deutschland kriegt, haben die Jungs bei der Einreise ein kleines Zettelchen aufgeklebt. Date of entrance, date of departure, tourist, no work permitted. Hier, sagt er, du darfst bei uns nicht arbeiten. Außerdem sei das Ausreisedatum schon ziemlich lange vorbei. Sie dürfen mich nicht einstellen, alles gehe über die Bücher, in zwei Tagen seien die Jungs von der Einreise hier, dann bekämen sie Ärger und ich erst recht.

Ich raus und in das nächste Hotel. Den Zettel reiße ich aus dem Pass. Die Empfangshalle aus einem Hollywoodschinken: Marmor, Kristalllüster, Palmen in Silberkübeln, geschniegelte Leute lümmeln sich auf die gepflegte Art. Das Gesicht des Burschen hinterm Tresen vereist, als ich nach dem Personalbüro frage. Zweimal rechts, dann die Treppe hoch.

Die Leute warten zu Dutzenden. Warte mit. Werd wieder höflich abgewiesen. Sie brauchen Tellerwäsche und Putzleute, aber nur mit Papieren.

Den Rest des Vormittags wandere ich von Kasten zu Kasten. Die Collins Avenue ist blödsinnig lang. Besonders in der Hitze. Hab meinen guten alten Sombrero auf, auch wenn er angeschimmelt ist. Hinter den Hotels zur Rechten liegt ein handtuchbreiter Strand voll veröltem Tang und Coladosen. Dann blau-grün das Meer. Weit weg dümpelt eine Gruppe Pelikane. Man badet hier im Swimming-Pool. Kein Hotel ohne Pool.

Viele Kästen sind Condominiums, Eigentumswohnungen. Brauchen niemanden. Renne hin und her über Collins Ave. Vierspurige Einbahnstraße. Kästen links, Kästen rechts. Kästen aus Glas und Stahl und Marmor. Eingekübelte Palmen. Hitze. Keine Seele auf der Straße, wenige Autos.

Ein Kerl hinter einem Empfangstisch grinst freundlich, als ich mein Anliegen vorbringe. Er sagt immer wieder: That`s illegal, that`s illegal. Hoffe, dass er seine illegale Ader entdeckt. Fehlanzeige.

Die Kästen werden nicht niedriger, aber einfacher und dreckiger. Weißer Putz statt Marmor und Spiegelglas. Rostige Klimaanlagen unter den Fenstern. Blätternde Farbe und gesplitterte Neonröhren. Verdorrt das Grünzeug.

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Déjà vu? Kein Wunder, dies ist eine Fußnote zum 78. Eintrag vom 21.03.2010: Dieser Blog mischt Fiktion mit Realität. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind zufällig und in der historischen Überlieferung nicht verbürgt. Ich bin nur der Navigator, mein Name sei NEMO:

Ich schreibe um unser Leben. Bitte bleib dran.

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Geschrieben von

archinaut

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