Entscheidung

Ostharz: Frage der Wahrheit... ein Roman in Fragmenten

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Die Bürgermeisterin von Thale hat den Geschäftsführer des Planungsbüros anrufen lassen... der Entwurf für das Kindergartengrundstück liegt zur Entscheidung im Bauamt, der alte Kindergarten könnte zu einer Wohnanlage für Senioren mit fünfundvierzig kleinen Wohnungen erweitert werden. Sollte die Stadt grundsätzlich mit dem neuen Bauvolumen einverstanden sein, könnten die Pläne für den Bauantrag erarbeitet werden... das wäre endlich ein lukrativer Auftrag...

Herr Wohlfahrt vom Paritätischen Arbeiterbund kommt auch, hat die Sekretärin gesagt, Frau Lasszien, unsere Bürgermeisterin, bittet darum, dass Sie das Konzept erläutern und ein paar Referenzen mitbringen!

Die Bürgermeisterin begrüßt sie beide mit festem Händedruck, ohne Lächeln, bietet aber warmen Kaffee an.

So lerne ich Sie endlich kennen, sagt sie leichthin zum Architekt, es war schade, dass Sie damals das Verfahren für unser Innovations- und Gründerzentrum nicht für sich entscheiden konnten.... wir möchten ja gerne erreichen, dass die Fördermittel hier bei uns in der Region bleiben.... der Angesprochene beugt seinen Nacken mit einer Andeutung von Schuldbewusstsein: Es war ein faires Verfahren, sagt er, Sie haben das Büro mit dem besten Qualitätsmanagement ausgesucht.

Die Bürgermeisterin winkt ab... Auf dem Papier sieht das alles sehr überzeugend aus.... Qualitätszertifizierung, Total Quality Management.... sie verzieht die Mundwinkel: Die Baukosten sind schon um sechzig Prozent überzogen, aber sie sind noch nicht fertig! Wir hätten nie ein Büro aus Leipzig nehmen sollen, fünf Leute bieten sie bei der Präsentation, aber auf der Baustelle lassen sie sich später nie blicken!

Der Geschäftsführer des Arbeiterbunds fällt jetzt ein: Deswegen haben wir eine Baufirma aus unserer Region angefragt, die haben schon viele Vorhaben erfolgreich mit diesem Quedlinburger Planungsbüro hier umgesetzt... das wissen Sie ja, auch das Rathaus, in dem wir hier sitzen.....

Der Chef des Planungsbüros zeigt jetzt die Mappen mit den Vorhaben der Vergangenheit, Werkstätten und Wohnheime, Schulen, Kindergärten, auch eine Krankenhauserweiterung ist dabei....

Wir möchte etwas Besonderes, sagt die Bürgermeisterin, was die Bauprojekt gemacht hat, das wissen wir.... es war viel zu tun in den letzten Jahren, da müssen die Projekte vielleicht alle ähnlich aussehen... wir haben keine berühmte Altstadt wie Quedlinburg, dort muss jeder Neubau sich einordnen, Denkmalschutz ist das Wichtigste, dann gibt es eben kein modernes Schwimmbad.... sie lächelt jetzt ganz fein... Ihren Entwurf für die Seniorenwohnungen finden wir noch verbesserungsfähig, der massive Baukörper muss feiner durchgearbeitet werden, damit wir das Vorhaben genehmigen können.

Jetzt zeigt der Architekt einen alten Entwurf.... aus der Wendezeit, ein Entwurf für Berlin, eine ganze Reihe von öffentlichen Gebäude, kleine Begegnungszentren, Jugendclubs, Bürgertreffpunkte.....

Die Bürgermeisterin zeigt auf eine Grafik: Ist das nicht der Palast der Republik... und dahinter der Fernsehturm?

Ja, eine utopische Annahme als Entwurfsansatz, sagt der Architekt, meine Abschlussarbeit, ich war noch jung damals, ich habe es aufgezeichnet in fünf Phasen, hier kann man es sehen: Der Palast der Republik löst sich in kleinere Baukörper auf und treibt dann entlang der großen Magistrale nach Westen.... diese kleinen Treffpunkte sollen eine Art dezentrales Forum bilden...

Der Architekt sieht den Blick nicht, den die Bürgermeisterin in diesem Moment mit Herrn Wohlfahrt wechselt...

Hier endet der 335. Eintrag: Dieser Blog mischt Fiktion und Realität. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind zufällig und in der historischen Überlieferung nicht verbürgt. Ich bin nur der Navigator, mein Name sei NEMO:

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Geschrieben von

archinaut

Ein Blick weitet den Horizont: Dieser Blog zieht um die deutschen Häuser

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