Dieter Hildebrandt wirbt für Störsender

Kabarett Der Kabarettist Dieter Hildebrandt verließ das Fernsehen als die Macht der Fernsehredakteure ausbrach. Zornig ist er geblieben. Damit will er nun ins Internet.

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Geistig frisch und politisch neugierig und engagiert geblieben, fragte sich Dieter Hildebrandt: “Wohin mit meinem Zorn?” Die Antwort steht fest: Ins Internet-Fernsehen. Stefan Hanitzsch will diesen Kanal ab März 2013 starten. Gesetzt wird auf die neuen Medien und Crowdfunding. Jeder kann etwas beisteuern.

Kabarett-Liebhaber bin ich schon seit Jahrzehnten. Genauso lange schon kann ich mich auch als Fan von Dieter Hildebrandt bezeichnen. Zu Anfang flimmerte er noch in Schwarz-Weiß in die Wohnstube, dann in Farbe. Schließlich war es mir Anfang der 1990er Jahre endlich vergönnt, seiner spitzzüngigen Kabarett- bzw. Buchtexte leibhaftig sozusagen habhaft zu werden. Zunächst sich dem Kabarett als Kartenabreißer nähernd und von Sammy Drechsel für die Brettl-Bühne entdeckt spielte Hildebrandt was das Zeug hielt. Er tingelte mit der Lach- und Schiess-Gesellschaft durch die Lande und trat auch oft im Fernsehen auf. Beides tat er mit Verve von 1956 bis 2003. Dieter Hildebrandts Abschied vom Fernsehen tat mir und wohl vielen anderen seiner Fans ebenfalls weh. Er fehlte fortan auf der Mattscheibe. Dieter Hildebrandt verschmerzte seinen Abschied. Man kann ihn verstehen. Hildebrandt sagt, er sei gegangen, als die Macht der Redakteure in den Fernsehanstalten ausgebrochen war.

Dieter Hildebrandt weiß jetzt wohin mit seinem Zorn

Doch da Dieter Hildebrandts Kabarett-Motor in seinem achtzigsten Lebensjahrzehnt nichts an Laufleistung eingebüßt hat, hat der Neues in den Blick genommen. Genauer gesagt, hat er die neuen Medien im Sinn. Sie haben heute einiges zu bieten. Fast ein jeder kann sein eigner Fernsehproduzent, kann Sendungen entwickeln und übers Netz bekannt machen. Warum also nicht auch Kabarett? Konstantin Wecker informiert heute auf seiner Facebook-Seite, sein “verehrter Freund und Kollege Dieter Hildebrandt” wolle “unszensiert ins Fernsehen”. Deshalb plane er Kabarett-Fensehen im Internet. Der Journalist und PR-Fachmann Stefan Hanitzsch sei ihm da mit seiner Idee zu stoersender.tv gerade recht gekommen, als er sich fragte: “Wohin mit meinem Zorn?”.

Im März 2013 soll stoersender.tv starten

Exakt ab März kommenden Jahres soll auf stoersender.tv alle zwei Wochen ein halbstündiges TV-Magazin ausgestrahlt werden. Garniert mit Beiträgen des Karikaturisten Dieter Hanitzsch, dem Vater von Stefan Hanitzsch. Man soll ihm beim Zeichnen zuschauen können. Dieter Hildebrandt kommt ins Schwärmen: “Man ist sein eigener Programmchef, was ich schon immer wollte.” Aus Erfahrung weiß Hildebrandt; “Die Öffentlich-Rechtlichen machen sich in jede Hose, die man ihnen hinält – und die Privaten senden das, was drin ist.”

Wenn die Interessenten 125.000 Euro verbindlich zugesagt haben, läuft das Projekt

Werbung zur Finanzierung des Kabarett-Internet-Fernsehens soll es nicht geben. Man setzt auf Crowdfunding. Das ist inzwischen sehr beliebt bei Bands, die ihre Produktionen so finanzieren. Crowdfunding bedeutet zu Deutsch etwa “Schwarmfinanzierung”. Viele Einzelne zahlen unterschiedlich hohe Summen ein. Jeder was er will. Stefan Hanitzsch erklärt: “Das Projekt läuft erst dann an, wenn die Interessenten 125.000 Euro verbindlich zugesagt haben.” In Deutschland gibt es nicht wenig Kabarett-Fans. Es sollte also möglich sein die Summe zusammen zu bekommen. Dieter Hildebrandt denkt an Summen zwischen 2 und 20 Euro. Es kann natürlich auch mehr sein. Ihm und uns potentiellen Usern ist zu wünschen, dass es klappt Kabarett-Fernsehen via neuer Medien mit kleinen Mitteln ins Werk zu setzen. Ohne Störung der Großen, wie Hildebrandt es möchte.

In einem kleinem Video erklärt Dieter Hildebrandt wie er sich die Sache vorstellt. Ein Störsender kann eine üble Sache sein. Das geplante stoersender.tv jedoch könnte in Zeiten zunehmender Verflachung des Fernsehniveaus eine wahre Bereicherung für die Gesellschaft sein. Für Leute etwa, die ihr Gehirn noch zum Denken zu benutzen pflegen und als Anregung für andere, die das verlernt haben. So, wie es Hildebrandt tut, indem er es nach wie vor versteht scharfzüngige Kabarett-Texte zu schreiben und so wirkungsvoll vorträgt, dass manch jüngerer Kollege sich eine Scheibe davon abschneiden kann. Das Kabarett ist tot, tönt es immer wieder. Von wegen!

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

asansörpress35

Politischer Mensch, der seit der Schulzeit getrieben ist, schreibend dem Sinn des Lebens auf die Spur zu kommen.

asansörpress35

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