Rauschen, Pfeifen, und Hip-hop für die Massen

Weltradiotag (1) Ist das Radio als Informationsquelle überhaupt noch wichtig? Man sollte das Medium nicht voreilig aufgeben. Eine kleine Spurensuche

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Foto: Zorka Ostojic Espinoza/ Flickr (CC)
Foto: Zorka Ostojic Espinoza/ Flickr (CC)

Der 13. Februar ist jährlich wiederkehrend der "Weltradiotag". Ursprünglich von der Academia Española de la Radio vorgeschlagen und von Senderverbänden wie der European Broadcasting Union und der Asia-Pacific Broadcasting Union unterstützt, wurde die Idee eines Weltradiotages Ende 2011 von der UNESCO und der UN-Vollversammlung angenommen.

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Der ältere Bruder des UN-Radios: der Red Cross Broadcasting Service aus Genf. Erste Sendungen im Mai 1945. Wenn es den RCBS heute noch gibt, ist er der geheimste aller Kurzwellensender: man hört ihn nicht mehr; sein Ende wurde aber anscheinend nie offiziell verkündet.
QSL 1987, 7210 kHz, JR's archive)

Ebenfalls an einem 13. Februar, aber knapp 65 Jahre vorher, hatten die Vereinten Nationen sich einen Radiodienst verordnet. Auf Sendung ging man von 1953 bis 1985 vor allem über die Kurzwellensender der "Voice of America" (VoA), für ein mehr oder weniger weltweites Publikum. Als Washington den Vereinten Nationen erhöhte Nutzungsentgelte abverlangte, beendete UN Radio die Zusammenarbeit und sendete über die Anlagen verschiedener anderer Länder. Auch die Programmverbreitung über Tonbandkassetten spielte in den 1980ern und 1990ern eine zunehmende Rolle - heute erfolgt die Verbreitung vor allem digital.

Zur Bundestagswahl 2013 hat das Internet erstmals das Radio als Informationsquelle deutlich überholt, zitierte "Heise " fünf Tage nach den Wahlen das "na-presseportal ". Vier Jahre zuvor hatten Radio und Internet noch ungefähr gleichauf gelegen, bei 18 Prozent. Aber das Fernsehen blieb König, mit 66 Prozent "der Wähler " – genauer wohl: der 1200 befragten Wahlberechtigten – als Informationsempfängern. Und die Tageszeitungen (sind die nicht auch irgendwie Internet?) folgten dem Fernsehen mit 38 Prozent, an zweiter Stelle.

Bei den Bundestagswahlen 2009 hatte ihr Anteil allerdings dem Bericht zufolge noch bei 44 Prozent gelegen, und der des Fernsehens bei 69 Prozent.

Der Mensch ist ein Augentier . Das ist gut für das Fernsehen, muss aber auch das Internet nicht schrecken. Das Radio hingegenmuss seine Informationen klar, deutlich und prägnant vermitteln, wenn es überhaupt einen Blumentopf gewinnen will.

Arme Menschen, sobald sie es sich leisten können, gucken Fernsehen, bemerkte der britische "Economist " im Jahr 2003 in einer mitfühlenden, aber schonungslosen Anmerkung zum Kurzwellendienst der BBC und seiner sinkenden Einschaltquote in Indien.

Tatsächlich fallen mir nur vier Menschen ein , die überhaupt noch ein Kurzwellenradio (oder auch mehrere) besitzen. Einer davon, also ich, lebt in Deutschland.

Aber man sollte auch kein Gerät zu früh wegwerfen. Als die amerikanische Fernmeldebehörde im Sommer 2013 ein Bewerbungsverfahren über neue Frequenzen - allerdings auf UKW/FM - für lokales Bürgerradio begann, staunte der "Economist " über das öffentliche Interesse. Bewerber um eine Frequenz erklärten ihr Vorhaben so: die sechs Kilometer Reichweite, welche mit der behördlich vorgeschriebenen Sendeleistungsbegrenzung möglich sei, bedeuteten in Chicago immernin eine Rechweite von bis zu einer Million Menschen. Und "206Zulu", dem Hip Hop für die Massen in Seattle verschrieben, gedachte mit einer Radiofrequenz Jugendliche, die Armen, sowie ethnische Minderheiten zu empowern.

Da war es wieder: das Radio für die Armen. Bis zu einer Milliarde Menschen soll allerdings laut einer Mitteilung der UNESCO bisher nicht einmal Zugang zu einem Radio haben.

Die Geschichte des Hörfunks ist also noch nicht zu Ende. Mancherorts hat sie noch nicht einmal begonnen.



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