Tag 7

Berlinale-Tagebuch ..

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http://30.media.tumblr.com/tumblr_lzgfbfdtgP1qc4abzo1_500.jpgBryan Ferry und ich fahren morgens kurz zum Potsdamer Platz, damit ich auf jeden Fall ein Ticket für das morgige Experiment bekomme. Anschließend bin ich bis zum Nachmittag in der Redaktion und schaue mir danach Haywire von Steven Soderbergh an. Eigentlich müsste ich mich freuen, denn der Film hat die mutig kämpfende Agentin Mallory zur Heldin. Aber mir ist die ganze Zeit über völlig egal, was mit ihr geschieht, dabei wird sie von ihrem ehemaligen Geliebten und Noch-Chef verraten – dieser wollte sie umbringen lassen – und nach und nach entwirren sich die Fäden, warum dem so ist und es sterben ein paar Menschen.

Zudem kann ich mich aufgrund optischer Ähnlichkeiten nicht von der Vorstellung lösen, dasss das Britney Spears ist, die Gina Carana spielt, die Mallory spielt. Anschließend hüpfe ich noch schnell in die Pressekonferenz, wo dann leider kein Ewan McGregor ist, dafür aber Steven Soderbergh, Antonio Banderas, Michael Fassbender und Britney. Letztere ist so höflich, gleich mal bei der ersten Frage nicht zuzuhören und dann mit oberflächlichem 'Oh, making the movie was the best experience in my life!'-Mist zu antworten. Und endlich weiß ich, weshalb Antonio Banderas immer mit einem mich wahsninng nervenden spanischen Akzent synchronisiert wird: er hat ihn auch, wenn er Englisch spricht. Bloß klingt es da authentisch. Kurz nachdem Anke Engelke in der Pressekonferenz ein paar lustige Faxen gemacht hat schleiche ich mich wieder raus, weil ich hinüber will ins nächste Kino. Am Ausgang vom Hyatt treffe ich auf Lars Eidinger und wir gucken uns zufällig kurz in die Augen. Nun ist mein Tag natürlich gerettet!

http://24.media.tumblr.com/tumblr_lzgfh9AKwx1qc4abzo1_500.jpgHeute Abend wird im Rahmen der Perspektive deutsches Kino zu Ehren von Haro Senft der Film Ein Tag mit dem Wind gezeigt. Er läuft in einem kleinen Programmkino und es ist nach den vielen Aufenthalten in den riesigen Kinosälen ein die Sicht geraderückender Moment, als ich den kleinen Saal betrete. Wie gemütlich es hier ist!

Und dann ging das Licht aus und Dieter Kosslick beginnt mit einer fröhlichen Lobhudelei und da begreife ich, dass ich in die Verleihung der Berlinale-Kamera an Haro Senft geraten bin. Dieser ist nicht persönlich anwesend, aber Kosslick hat ihn besucht und nach der Laudatio wird vor dem eigentlichen Film noch eine Ansprache des Regisseurs an uns, das Publikum, gezeigt.

Ich kannte Senft nicht, obwohl ich heute erfahre, dass er Initiator und Mitautor des Oberhausener Manifest war und auch sonst recht umtriebig, sich aber irgendwann auf das Drehen von Kinderfilmen spezialisiert hatte. Einen Kinderfilm würden auch wir heute angucken. Ein Tag mit dem Wind (in mittlerweile völlig ungewohntem 4:3 Format) erzählt die Geschichte des achtjährigen Marcel, der morgens aufwacht und beschließt, für seinen Hasen eine Hasenfrau zu finden, damit dieser nicht mehr alleine sein muss.
Der Film wurde in dem Jahr gedreht, in dem auch ich acht Jahre alt war. Und so blicke ich also auch ein wenig ungläubig zurück in meine Kindheit, während sich Marcel – der offenbar so alleine ist wie sein Hase – auf den Weg macht. Gleich zu Beginn trifft er auf einen jungen Mann, der mit aufgesetzten Kopfhörern musikhörend an einem Brunnenrand sitzt und durch ein Fernglas Menschen beoachtet. Marcel tut es ihm gleich und wir schauen mit ihm durch das Fernglas, schärfen unseren Blick und das ist dann wohl auch so etwas wie die Anleitung für den Film.

Denn Marcel begegnet den unterschiedlichsten Menschen, alle sind freundlich zu ihm, oft bekommt er etwas geschenkt und immer wieder hält die Kamera ganz ruhig einfach auf das ganz Alltägliche, das Marcel umgibt: Käfer, Regenwürmer, Pflanzen, Wolken, Menschen beim Essen, Menschen beim Telefonieren, Menschen beim Musizieren. So wird er hinaus in die Natur getragen, in den Wald und am Ende trifft er Menschen, die bereit sind, ihm einen Hasen zu schenken und dann ist da noch ein Mädchen, das er am Ende erneut trifft. Marcel hat also auch für sich eine Gefährtin gefunden.

Abgesehen davon, dass ich dauernd denke 'Wow, wie gefährlich das ist! Was da theoretisch alles passieren kann! Hoffentlich hat das damals kein Kind nachgemacht!' frage ich ich mich vor allem, ob Kinder heute noch Freude an diesem Film hätten. Ob sie wohl mit seiner Langsamkeit zurecht kämen. Selbst mir fällt es heute schwer, mich darauf einzulassen, dabei ist er ein sehr schöner Ausklang. Die Tage sind schließlich gerade laut und hektisch.

Terminplaner für morgen:
The Story Of Film: An Odyssey 1 + 2 von Marc Cousins

Wer hier nun denkt: 'Was, nur ein Film?!', dem sei gesagt: Das Ganze dauert sieben Stunden (!) und übermorgen geht es (hoffentlich/vielleicht) weiter mit Teil 3 + 4.

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Geschrieben von

Maike Hank

Die Eulen sind nicht, was sie scheinen.

Maike Hank

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