Der Weihnachtsmann und Mohammed

Literatur Mohammed mit dem Weihnachtsmann zu vergleichen, würde sich kaum jemand herausnehmen. Anders die arabische Autorin Amira Al-Qahtani.

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Die aus den Vereinigten Arabischen Emiraten kommende Autorin, Amira Al-Qahtani, hat mit "Fitna" einen Roman verfasst, der alles andere als vorsichtig und zart mit der eigenen Kultur ins Gespräch kommt.

Die Hauptfigur des Romans, Fitna, liest Karl Marx, verführt reihenweise Männer und fährt mit ihrem Mercedes umher. Sie entspricht absolut nicht dem Bild der bemitleidenswerten arabischen Frau, wie sie in den deutschen Medien meist dargestellt wird. Sie ist ein Schock für ihr konservatives Umfeld, eine arabische „Hipsterin“ könnte man auch sagen.

Pilgerreise

Die Rahmenhandlung des Romans bildet eine Pilgerreise Fitnas mit ihrem Bruder und ihrer Mutter nach Mekka. Der „Mekka-Tourismus“ wird dabei recht schonungslos von der Hauptfigur kommentiert. Rassistische Streitereien zwischen den Pilgern, kommerzielle Großveranstaltungen an den heiligsten Orten, Massenandrang, Stauerfahrungen, egoistische und obszöne Gläubige prägen das Bild der Reise. Fitnas nach Besinnung suchende Familie ist durchgängig zerstritten, irgendwie fühlt man sich an das hiesige Weihnachtsfest erinnert, wo alle von Harmonie träumen, es aber ständig eskaliert.

Die Reise bedeutet für Fitna eine (mehr oder weniger gewollte) innere Einkehr, gerade da sie sich zu einem „spirituell aufgeladenen“ Ort begibt. Fitna ist keine ungebrochene Figur, sondern noch auf der Suche nach ihrem Selbst. Allerdings begibt sich die Erzählung nicht sehr weit in die psychologischen Tiefen der Protagonistin hinein, der Roman bleibt eher auf der unterhaltsamen Ebene. Trotzdem ist der Text auch eine Art Entwicklungs- oder Adoleszenz-Roman. Fitna setzt sich mit ihrer Familiengeschichte, insbesondere mit dem Einfluss ihres meist abwesenden Vaters auseinander. So wird die Reiseerzählung der Mekka-Fahrt mit Fitnas Reise zu ihrem in der Wüste lebenden Vater verschränkt.

Jugendliche Sprache

Die Autorin hat ihre Figur mit einer sehr direkten Sprache, der Sprache einer Jugendlichen ausgestattet: „Andere zu bedienen und ihre nie endenden Wünsche zu erfüllen, das verachtet der Mensch am meisten. Lieber würde ich auf einer Mülldeponie arbeiten, als Stewardess, Kellnerin, Hausmädchen oder Ehefrau zu sein.“ Wie schon angedeutet, ist es ein Buch „für zwischendurch“.

Al-Qahtani hat ein leicht lesbares Buch geschrieben, das eine arabische Familie in unpathetischer, humorvoller Weise darstellt.

Fitna, Amira Al-Qahtani, Alawi Verlag 2011, 19,90 E

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Geschrieben von

Jovan

Ein schönes Jahr 2013 an alle!

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