Schupelius normaler Wahnsinn

Berlin Tag und Nacht Gunnar Schupelius Tiraden hält Mensch nur noch mit Humor aus und mit dem Wissen, dass er es offenbar nicht besser weiß.

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Hat Schupelius recht? Diese Frage wird in jedem Kommentar seiner beliebten Kolumne »Mein Ärger [...] Der gerechte Zorn« gestellt und immer muss ich sie mit Nein beantworten. Kurz danach folgt die Auswertung der Umfrage auf der Website und selten stimmt mir anscheinend die Mehrheit seiner LeserInnen zu. Dabei ist die Sache eigentlich allzu oft ziemlich klar. Herr Schupelius lebt in einer ganz eigenen Welt, in der aber auch gar nichts so laufen mag, wie er sich das vorstellt, und wer ihn einmal Live erleben konnte, den lässt der Gedanken nicht mehr los, dass er das HB-Männchen in Person ist.

Auf Klassiker wie »Die Supermarkt-StVo – Warum fahren wir uns ständig in die Wagen«, forderte er: »An der Fleischtheke sollte es einen Wartebereich geben, wie bei der Bank. Von dort würde man dann von einem Fleischer aufgerufen werden, der frei ist«. Oder wir erinnern uns mit ihm zusammen an den Tag, als es Innensenator Erhart Körting in Friedrichshain zu heiß wurde, dieser die Flucht ergriff und Schupelius allein am Cafétisch zurückblieb – »das war sehr ungemütlich«.

Jetzt vor dem Ersten Mai kocht Gunnars Blut und er kommt richtig in Wallung. Sein Lieblingsfeindbild, die Berliner Autonomen und Linksterroristen müssen wieder dran glauben.

Mitte April lieferte er sich dann aber einen geistig unterlegenen Schlagabtausch mit Karl-Heinz Dellwo, der »dankbar sein sollte, über die Milde dieses Staates«, denn dieser hatte an der Berliner TU zum Thema »Wenn aus Studierenden Staatsfeinde werden – Weiße Rose, RAF und noch mehr« referiert. Das geht natürlich gar nicht in »Gunnars Welt«. »Berlins Rächer der Eckkneipenbesucher, der Wilmersdorfer Naziwitwen, Lieblingsschwiegersohn der Omas im Kranzler, knallharter Journalist im Dienste des Wohlergehens der Frontstadt, immer zur Stelle, wenn Kommunisten den Flughafen Tempelhof zerstören wollen und immer im Bewusstsein, dass jederzeit ›der Russe über den Ku’damm‹ spazieren könnte«* , stellte die Frage: Warum durfte der Ex-RAF-Terrorist Dellwo an der TU über Sophie Scholl sprechen? Weil er eingeladen wurde! Da er sich diese Frage sicher noch selber beantworten konnte, musste dann der Asta der TU herhalten. »Der AStA führt einen weißen Stern mit Zirkel und Schraubenschlüssel im Briefkopf. Diese Symbole ähneln den [sic!] Wappen der DDR und der RAF«. Der AStA fügte noch »Sternburg Export hat er vergessen« in einem Kommentar hinzu. Dellwo selbst antwortete Schupelius aber in einem Brief und setzte sich mit dessen Latrinenparolen auseinander. Das war Gunnar nun doch zu viel, melden sich doch auf seinem »heißen Draht« bei der B.Z. oder seiner Mail-Adresse eh nur ExtremistInnen und bepöbeln ihn aufs ärgste. Nun aber eine inhaltliche Ergänzung? »Ich habe es immer abgelehnt, mit RAF-Terroristen zu sprechen, mit Christian Klar und Inge Vieth und allen anderen. Sie kamen viel zu früh frei und bereuten fast nichts. [...] Auch mit Karl-Heinz Dellwo möchte ich nicht sprechen.« Schupelius will also nicht sprechen, während Dellwo spricht und versucht wenigstens etwas aufzuarbeiten. Verkehrte Welt.

Jetzt klicke ich mich weiter durch seine Beiträge: »Für sein großzügiges Asylrecht ist Deutschland weltweit bekannt« heißt es da, »Warum stehen im Wald keine Mülleimer?«. Während mein Gehirn beginnt sich allmählich aufzulösen, kommt mir ein Gedanke. Ist Ede, äh Sudel Gunnar vom schwarzbraunen Kanal TV.B nicht eine perfekte Steilvorlage für all diejenigen, die versuchen sich Inhaltlich mit derlei Stammtischparolen auseinanderzusetzen – so haben wir jeweils morgens zum erscheinen der B.Z. bereits eine Art Kompass, können uns schon mal darauf einstellen, was uns vielleicht im rauen Berliner Alltag an Gegenargumenten erwartet. Seine Polemik inhaltlich zu widerlegen, dürfte in den meisten Fällen niemanden besonders schwer fallen. Bleibt nur das Problem, dass wir als Linke kein einziges Medium mehr besitzen, was annähernd eine solche Auflage erreicht.

Und solange das so ist, bleibt Schupelius einer der gefährlichsten geistigen Brandstifter in Berlin und wir der Grund seines Zorns. Aber das ist ja immerhin schon etwas. Vielleicht wird es ja noch das ein oder andere mal »sehr ungemütlich« wenn Gunnar auf der Suche nach einem Cafétisch in Berlin ist. Wobei, ich stelle mir das auch recht tragisch vor, ständig mit dem Klientel der Straßen von Berlin konfrontiert zu sein, welches nun mal seine Leserschaft und zugleich auch den Großteil des Inhaltes seiner Kolumnen ausmacht. Das macht mir auch ernsthaft etwas Sorgen. Er ist doch eigentlich genau der Typ Mensch, der irgendwann Amok läuft... »Gedankenblitz« jetzt fällt mir plötzlich wieder ein, an wen er mich noch erinnert, an Michael Douglas in Falling Down. Da möchte ich wirklich nicht zufällig in dem Supermarkt sein, in dem Gunnar Schupelius Wechselgeld fürs Münztelefon verlangt...

Gunnar Schupelius schon bald an der Friedrichstraße/Unter den Linden?

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Andreas Potzlow

Freier Fotograf und Journalist aus Berlin.

Andreas Potzlow

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