Links, wider die verordnete Einseitigkeit der Welt

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Links, wider die verordnete Einseitigkeit der Welt

„...We are stardust/Billion year old carbon/We are golden/Caught in the devil's bargain/And we've got to get ourselves/Back to the garden...( Joni Mitchell, „Woodstock“,1969 )“

"....Mithin, sagte ich ein wenig zerstreut, müßten wir wieder von dem Baum der Erkenntniß essen, um in den Stand der Unschuld zurückzufallen? Allerdings, antwortete er; das ist das letzte Capitel von der Geschichte der Welt ( Heinrich von Kleist, Ueber das Marionettentheater, Berliner Abendblätter, 1810)

Links sein

Links sein, das heißt, die lustvolle Wiederaneignung eines unausgeschöpften Potentials froher Botschaften, die die Bürgerlichen und Konservativen als Bedrohung ihres Status empfinden, politische Ideologen missachten, weil es ihren Herrschaftsanspruch untergraben könnte und diejenigen, die sich wirtschaftend für besonders schlau halten, fürchten, weil die Linke ihnen die Spieltische entziehen könnte.

Was heißt Wiederaneignung und warum sollte sie als frohe Botschaft verstanden werden, wo das Letztere doch so verdammt nach Kanzel, Weihwasser und Taufbecken riecht? - Selbst rudimentäre Antwortversuche brauchen Zeit und Zeilen.

Die Lage

Die Chancen stehen gut, als Linke nicht mehr nur auf die menschenverachtende Praxis des zentralistischen Staatssozialismus und die doktrinäre Ideologie vom Primat einer aufgeklärten, unendlich überlegenen und mächtigen, linken Funktionsärselite festgenagelt zu werden, weil doch viele Bürger merken wie der Kapitalismus selbst zur Bürokratie und Ideologie erstarrt und den individuellen, wie den sozialen Lebenssinn regelrecht pulverisiert. Sie spüren, wie er sie, die Millionen Adressaten und eigentlichen Auftraggeber der Politik, nun nach und nach, über den Staat als Mittler, nun auch noch zu Großschuldnern bei jenen macht, die ihr Kapital und ihr Eigentum in einem nach Autonomie strebenden, monetären Spielsystem weiter ausbauen.

Die angehäuften Kapitalien wirken zweifach. Sie sichern die Machtausübung in ökonomischen und gesellschaftlichen Bereichen, die weit über das eigentliche Interesse von Investoren oder Aktionären ausgreift, - Kaum ein Aktionär oder Manager will heilsame pharmazeutische Produkte herstellen oder energetisch sparsame Autos bauen. -, und sie erzwingen das Weiterspielen, weil die Finanzmacht markttechnisch zu groß geworden ist. Beständig neue Kapital-Spieler müssen in der Konkurrenzsituation ihre Gewinnversprechen erhöhen und erwarten für sich selbst Renditen, die die nicht- monopolistisch organisierte Realwirtschaft selten erreichen kann.

Selbst Versicherungs- und Pensionsfonds zur Abdeckung von Lebensrisiken stecken mittlerweile im Finanzmarkt fest, weil längst die Anlagesummen den Wert realer Kapitalien weit überschreiten. - Das Geschäft ist so groß, selbst die wirtschaftlich stärksten Nationen können es nicht mehr, ohne eine allgemeine Krise auszulösen, eindämmen. Das Letztere ist jedenfalls die größte, uns hingeraunte Drohung. Also wird weiter spekuliert und Geld aus Steuereinnahmen, sowie das Staats- bzw. Gesellschaftsvermögen an Böden und Immobilien als Sicherheit eingesetzt, bzw. zur Geldbeschaffung an Privat verkauft. - Die demokratisch und kapitalistisch aufgestellten Staaten gaben jüngst dieser Kaste eine praktisch unendliche Garantie, indem sie ihre Staatsbürger zur Ausfallversicherungsanstalt machten, was auch immer ein sehr kleiner Teil der Weltbevölkerung finanziell unternehmen mag. - Wir bilden also ein seltsames Kollektiv, um den Fortgang des Spiels abzusichern, immer versehen mit dem väterlichen Hinweis, wir hätten doch sowieso über unsere Verhältnisse gelebt. Wer genau hinschaut, der sieht wer das sagt und seine Verhältnisse ausgerechnet nicht meint.

Der bisher einzige, gerade angedachte Preis, wiederum, über Abschreibungen, Erhöhung der Zinsen für realwirtschaftliche Kredite und Produktverteuerungen deutlich reduzierbar, ist eine minimale Finanztransaktionssteuer und/oder Börsenumsatzsteuer. Nur die schlimmsten Falsch- und Taschenspielereien werden mit staatlicher Kontrolle bedroht.

Es überwiegt jedoch der Vorteil für das Finanz- und Anlagekapital, dem am Ende dieses Krisen-Zyklus weitere große, staatseigene oder kommunale Land- und Immobilientitel gehören werden, überall dort, wo diese Güter wirklich einen (Markt-)Wert darstellen.

Es muss an sie verkauft werden, um die Staatsschulden zu begrenzen. Das kleine private Eigentum (Ersparnisse, Immobilien) dient schon länger zur Absicherung und Bezahlung der Lebensrisiken. Es wird also am Ende des Zyklus mehr Eigentum, vor allem werthaltiges Eigentum (Anteile an Rohstofflagern, an Handelslizenzen, Immobilien, Land, Medienzugänge) in den Händen weniger bleiben, weil mehr Sachwerte als belastbare Sicherheiten erforderlich sind und dabei Lage und Ortsfaktoren eine große Rolle spielen. - Von diesem Mechanismus lebt z.B. (noch) das hypertrophe Wirtschaftsprojekt Stuttgart-21, weil aus der Verkehrsdienstleistung und der verbesserten Funktionalität der Bahn, das eingesetzte öffentliche Kapital, einschließlich der Investorenrendite, nicht wieder erwirtschaftet werden kann. Daher bedarf es mehrfacher, verdeckter Umlagen von öffentlich zu privat, die Übereignung von Baugrund und Erschießungslizenzen an Privat, gegen eine Ablösesumme, die niemals die öffentlichen Kosten einspielen.

Ihre eigenen Risiken, sogar die schon fälligen Abschreibungen für Junkbonds und überzogene Kreditvergaben im Immoblienbereich, die man sich vorher selbst schön rechnete und bewertete, oder über abhängige Gutachter einschätzen ließ, konnte die Finanzwelt mittlerweile erfolgreich auf die Allgemeinheit abwälzen. - Ein Beispiel dafür liefert die HRE-Bank.

In den letzten beiden Dekaden war es bereits gelungen, den Wert der Arbeit zu drücken und eine voolständige globale Konkurrenz der Arbeit her zu stellen. Als sehr erfolgreich erwies sich die Strategie, die Lebensrisiken, Arbeitslosigkeit, Armut und Krankheit zunehmend zu individualisieren und die Hauptkosten, einschließlich der Infrastruktur-, Erhaltungs- und Abfall-Beseitigungskosten, sowie der Sozialkosten dem allgemeinen Steuerstaat auf zu bürden.

Die Linke bleibt trotzdem schwach

Warum ist die Linke noch nicht viel weiter, angesichts solcher günstiger Bedingungen? - Zu frisch ist wohl die einseitige Erinnerung an die ewige Selbstzerfleischung der Linken und zu aktuell ist eine gewisse Unfähigkeit, Bündnisse mit progressiven Kräften in anderen gesellschaftlichen Institutionen und in den großen Religionen zu schmieden. Das bremst die Linke aus.

Das gegenseitige Misstrauen ist groß und wuchs historisch, obwohl doch der Verständnisweg, weg von kollektiver Schuld, hin zu kollektiver Verantwortung ein gutes historisches Beispiel liefern müsste, um nicht erneut in die autoritäre Falle zu laufen. Linke, fortschritttliche Christen, Muslime und Juden, lehnen doch Sippenhaft und Kollektivschuld, die an Generationen klebt und so medial und politisch gerne genutzt wird, strikt ab.

I Aneignung, Wiederaneignung, Erinnerung und Kultur

Linke taten sich schon immer schwer mit Traditionen. Das lag vor allem daran, dass die ursprünglich einmal angenommene, orthodoxe marxistische Theorie von einer Art Stadienmodell ausging. Wenn Gesellschaftsformen ihren Gipfel an Effizienz, Ressourcennutzung und technologischer Entwicklung errreicht hatten, dann trugen sie für Linke den Keim der nächsten Vergesellschaftungsform in sich und es erstarb was davor lag. Diesen Lauf hielten Ochsen und Esel zwar beständig auf, jedoch, man blieb trotzdem bei der Teleologie, glaubte gar noch inbrünstiger, ergänzt durch eine seltsame und totalitäre Form der Avangardismus.

Revolutionen wurden nun von einer Elite immer schon Wissender, für ein Proletariat Unwissender, in deren Namen, gemacht. Ein weitgehendes Handeln ohne Auftrag, die absolute Selbstermächtigung, war das Fatum dieser Denkhaltung.

Die andere Linke

Die ganze Zeit aber, existiert auch eine andere Linke. Sie hat ähnliche Botschaften, aber keine Teleologie, keine unumstößliche Stoßrichtung, kein Elitebewusstsein mehr. Sie spricht nicht von einer gelenkten Wirtschaft und Gesellschaft, die de facto heute kapitalistisch existiert, jedoch fern des Staates und ausserhalb dessen Kontrolle, und auch nicht von der Herrschaft des Proletariats oder von einer, als neuer Klasse verewigten, Avantgarde-Elite .

Diese andere Linke hat aber starke Prinzipien und Ideale und verfügt über ein evolutionäres und prozesshaftes Verständnis von Gesellschaft. Linke, die sich auf diese Wurzeln beziehen, wurden in der Vergangenheit oft als Abweichler, Sektierer, Syndikalisten, oder als anarchische Individualisten beschimpft und verfolgt. Es wäre hier zwanglos möglich, eine schwarze Geschichte der immer wiederkehrenden, brutalen Eliminationsstrategien der einst herrschenden linken Eliten vorzustellen. Nicht wenige solcher Schwarzbücher sind bereits geschrieben.

Die dunkle Geschichte unterscheidet sich in praktisch keinem Feld von der Praxis des Marktkapitalismus, oder der Theorie der Kontrolle über den Ausnahmezustand, oder der Hobbesschen Lehre vom Leviathan, die den Menschen als des Menschen Wolf sieht, oder auch von christlichen Abendlandstheorien, bzw. deren islamistischen Gegenstücken, die eine bestimmte Kultur oder deren Kulturträger als machtvolle Gestalter, manchmal sogar, als unangreifbare Götter, einsetzen möchte.

II Die totalitäre Erfahrung als Wissen um die eigene Negativität

Die gescheiterten linken Geschichts- und Politikmodelle krankten alle an dem Zwang, ihre Effizienz durch Konkurrenz mit einem im Bezug auf den Reichtum weniger Privatpersonen deutlich überlegenen Wirtschaftsmodell herleiten zu wollen. Dabei liegen die Stärken des sozialistischen und kommunistischen Gesellschaftmodells gerade nicht darin, die Chancen weniger Einzelner maximal zu erhöhen.

Die Spekulation stellt eines der Spitzenfelder der kapitalistischen Gewinn- und Verlustmaximierung dar. Andere wären z.B. Monopole, Lizenzen für Ressourcen,- z.B. hybride Firmen-Nutzpflanzen in der Welternährung-, seltene Erden, Kupfer und Platin, einige Luxusgüter mit Preisen zur Distinktionssicherung und, doppelt wichtig Kommunikationskanäle. Der Gewinn aus Spekulation wird selten in produktive Ziele umgesetzt, sondern dient der fiktiven Wertsteigerung der spekulierten Güter in monetären Äquivalenten. Andererseits erzeugt so viel Finanzkapital einen Sog, der nur das Weiterspielen sicher erscheinen lässt. - Dieses System ist prinzipiell und kategorisch ebenfalls totalitär.

Die historische Erfahrung lehrt, dass Kommunisten, in Kenntnis der Zusammenhänge, nun das Solidaritätsprinzip mit Gewalt durchsetzen wollten. Schlimm genug, dass sie dies nicht nur hinsichtlich der Frage des Eigentums und Besitzes taten, sondern Menschenopfer forderten und dies Fortschritt nannten. Ihre Gegenspieler, tun dies, bewusst oder nicht, mit umgekehrtem Vorzeichen, geschickter, langfristiger angelegt und kontinuierlich, unter dem Aspekt der Gewinnverbesserung.

Das lag nun weder in den Texten der Begründer des kommunistischen Denkens, noch in den Gründungsorganisationen beschlossen. Der Leninismus-Stalinismus kam allerdings, es ist ein Scheinparadox, ohne gattungsmäßigen Bestimmungsgrund des individuellen Menschen, nämlich ohne einem Zweck desselben an und für sich aus, und begann, genau so zu selektieren, wie es die schlimmsten Erbtheoretiker und Eugeniker, die kalkulierenden Ökonomen, die den Wert eines Menschen letztlich an seiner Wertschöpfung, ausgedrückt in Kapitaläquivalenten oder Waren messen, ebenfalls tun möchten. - Diese Selektion findet heute unvermindert statt. Vermöge dieser stilleren Selektion wird derzeit bei uns weniger gestorben und in Brasilien mehr schönheitsoperiert, sowie in Afrika vorzüglich gehungert. Dazu braucht es das Gefälle der verlängerten Werkbank und den Wohlstandsabstand in den Gesellschaften, sowie eine völlig abhängige Landschaft an Klein-, Mittel- und Halbstaaten, failed states, die es erlauben die Ressourcen (vom Öl bis zur Droge) zu günstigen Einstandspreisen zu produzieren (z.B. Kongo, Nigeria, Aghanistan), um sie dann über Börsen zu handeln und die Provisionen und Gewinn-Aufschläge einzusammeln oder, wenn es nicht anders geht, kriminelle Akkumulationssysteme zu nutzen. An diesem Prozess, der gleichzeitig, unerbittlich und nicht kalkuliert, auf die Zerstörung der Lebensgrundlagen überhaupt hin arbeitet, -Nirgendwo ist auch nur der Ansatz und erste Erfolg einer substanziellen Umkehr sichtbar und spürbar. Wo der Schein des Erfolgs sich zeigt, wird er durch überlagernde Trends überholt (z.B., umweltfreundliche Pkw-Mobilität globalisiert, bedeutet keine Besserung!).-, halten die maßgeblichen Gesellschaften derzeit fest.

III Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit

Die revolutionäre Formel der bürgerlichen, französischen Revolution gewinnt unter einer linken Betrachtung ganz andere Züge, als es je dem Liberalismus oder dem Konservatismus, aber auch den insitutionellen Kirchen gelang.

Freiheit

Die Freiheit ist kein rein individueller Begriff, auch kein einseitig je passiver oder aktiver sozialer Vorgang, der z.B. darauf abzielte, dem Bürger, heute seiner Verkürzung, dem bürgerlichen Konsumenten, Anleger und abhängig Beschäftgten, als Teilnehmer an der sich frei deklarierenden Marktwirtschaft, Spielmöglichkeiten zu verschaffen. Der Liberalismus und der politische Konservatismus haben hingegen diesen Weg konsequent und erfolgreich beschritten.

Sie kämpfen vor allem für das Recht des Einzelnen, sich wirtschaftlich so frei zu entfalten, wie er es nur irgendwie vermag. Wer hier zunächst nichts leisten kann, der ist nicht. Auf dem Gebiet der Inwertsetzung seiner Person, seiner Fähigkeiten, seines Eigentums, gilt zunehmend die Spielregel dieses Marktes. Die Zahl derer, die genau in dieser Lage sind, ist viel größer als allgemein angenommen und wächst weltweit. - Die Gesellschaft des vordergründigen, kapitalistischen Fleißes ist eine Zählgesellschaft. Sie liebt und schätzt, was real zählbar in einem Marktwert ausgedrückt werden kann. - In einem seltsamen Paradox gelten ihrer Elite jedoch fiktive (Buch-, Konten-, Vertrags-)Werte mehr, als sachliches Können und Wissen!

Die Freiheit der öffentlichen Meinung

Öffentliche Meinung und Öffentlichkeit ist in den Augen liberaler und konservativer Kräfte eine Angelegenheit von Können (im potenziellen, nicht im wissenden Sinne). Wer die wirtschaftlichen Ressourcen hat und über das Eigentum an Medien verfügt, der hat letztlich die einzige Chance, seine Meinung zu majorisieren

In dieser Sicht sind daher öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten als Medien öffentlicher Meinung nur in drei Bezügen relevant: Erstens, als nicht-private Konkurrenz, die es mit staatlicher Unterstützung, klein zu halten und zu bürokratisieren gilt (Medienrecht). Zweitens, als Instrument der politischen Herrschaft selbst, in der nur die medialisierte Meinung zählt und die vierte, die öffentlich-rechtliche Gewalt, als zu kontrollierender und zu steuernder Transmissionsriemen eingeschätzt wird. Dessen Lauf und Wirkung richten informelle und formelle Gremien aus. - Sehr anschaulich wird das z.B. an prominenten Journalistenäußerungen aus dem Bereich der Fernsehanstalten, die sich selbst so verstehen (Medientage) und dafür einen dosiert gesteuerten Zugang zur Entscheiderebene, verbunden mit einer öffentlichen Statuserhöhung erhalten. Drittens, als Kosteninstitution, die sich einem Pseudowert, der „Quote“, unterwirft, bei dem Qualität, wirkliche Neuerungen und breitere Beteiligung größerer gesellschaftlicher Kreise abgelehnt werden müssen, weil dies Zeit und ausreichende Chancen bräuchte, zu Zeiten, in denen das Publikum noch nicht dahin dämmert. - Ebenso kann in dieser bewusst gewählten Welt auf das Starsystem nicht verzichtet werden, was zur weiteren Verkrustung und Qualitätsminderung beiträgt.

Vereinzelung verkauft als Freiheit. Das Beispiel Krankheit

Wie viele Kranke können in welcher Zeit und mit welchem Gewinn, behandelt werden. Der Erfolg der Behandlung ist nicht mehr ganz so wichtig, wie die dauerhaft positive Bilanz, die vor allem bei Leuten zu Buche schlägt, die dort investieren. Also sind Geldgeber in Erwartung einer deutlich höheren Rendite als der des aus eigener Arbeit erzielbaren Lohnes, nicht die individuellen Interessenten an einer guten Gesundheitsversorgung, heute im Mittelpunkt und deutlich im Vorteil. - Das ist nur ein Beispiel für viele Spielwiesen, auf denen sich die ökonomische Freiheit nach liberalem und konservativem Selbstverständnis ausdrückt und auch ausdrücken soll.

Zumessung der Freiheitsgrade über Besitz und Vermögen

Gipfel des liberalen Denkens ist es, den ökonomischen Erfolg als die eigentliche Messlatte für den individuellen Grad der Freiheit an zu sehen. Wer nicht ökonomisch erfolgreich ist, der kann nicht frei sein, denn ihm fehlt die einzig zählbare Bestätigung seiner Existenz und es fehlen, praktisch sofort, Zugänge und Kontakte.

Die freien Gesellschaften des Liberalismus und Konservatismus bleiben, soziologisch abgebildet, Pyramiden-Gesellschaften, deren einzige Chance darin besteht, beständig so viele Ressourcen zu mobilisieren und frei zu setzten, dass am Fuße der Pyramide die Lastträger und das wachsende Heer der eigentlich „Unnützen“, -sie werden im Sinne der Profitgenerierung nicht mehr unbedingt gebraucht-, noch etwas ab bekommen, um nicht Krawall zu schlagen. Am Kopf der Pyramide bleibt hingegen genügend übrig für Freiheiten, die sehr viel Geld und sehr viele Ressourcen kosten, weil sie in die Distinktionssicherung (Preise, Lizenzen) fließen müssen.

Der utopische Gegentraum

Die kommunistische Freiheit, eine Utopie derzeit, und immer schon utopisch in der historisch vergangenen Welt des Staatssozialismus, geht jedoch von einer gänzlich anderen Betrachtung aus. Dieser Freiheitsbegriff ist nicht effizient, er kennt nicht einmal eine Berechnungsformel dafür. - Das macht ihn natürlich extrem suspekt, und verführte in der Vergangenheit politische Linke dazu, lieber von effizienten Konkurrenzmodellen zum voll entwickelten Kapitalismus zu fantasieren (Einholen und Überholen), anstatt die Stärke des eigenen Freiheitsbegriffs da auszubauen, wo er gerade nicht auf die ökonomische Freiheit und das Konkurrenzmodell fixiert ist.

Das verlangte allerdings, sich konsequent um eine Beschreibung dieser Art anderer Freiheiten zu mühen und nicht der Versuchung zu erliegen, den Bürgern beständig vor zu gaukeln, es genüge die linke Übernahme der Macht und schon ginge es nicht nur freier, sondern gerechter und brüderlicher zu. - Das linke Gesellschaftsmodell wäre ein völlig anderes Modell, es ähnelte der frohen Botschaft. Schon das ist an sich revoulutionär!

Bisher rümpften Linke immer die Nase, wenn intelligente und kenntnisreiche Beobachter die Nähe dieser Vorstellungen zu bestimmten Aussagen der großen Glaubensgemeinschaften, bzw. zu bestimmten Passagen in den Kardinalschriften dieser Religionen fest stellten. Keine Frage, im neuen Testament, im Koran, in der Thora exisitieren manigfaltige Hinweise dazu, was den grundsätzlichen Unterschied des je neuen Bundes sozial ausmachen sollte. - Es ist gerade nicht ungewöhnlich, dass die frohen Botschaften Begriffe ins Spiel bringen, die sich nicht rechnen lassen. Jesus Christus fordert mehrfach die ökonomische Unberechenbarkeit geradezu ein, die Apostelevangelisten bezeugen es. Brüderlichkeit rechnet nicht, Liebe rechnet und berechnet nicht, die gegenseitige Gabe rechnet ebenfalls nicht, nicht einmal vor Gott.

Viele Linke glauben immer noch daran, es reiche im Grunde die wirtschaftlichen Verhältnisse und die Wissensgesellschaft so voran zu treiben, dass das ein Grundversprechen, nämlich eine Verteilung des ökonomischen und technologischen Überflusses wahr würde. Im Grunde bilden diese Linken nur eine Analogie zur derzeit fast überall herrschenden Ökonomielehre. Sie behaupten nun, ihr Verteilungsmodus gelinge irgendwann besser und gerechter. - Wer so weiter denkt, der bleibt einem seit fünfhundert Jahren laufenden Muster verhaftet und ist, ganz praktisch, immer in der Gefahr, entweder politisch in eine Diktatur zu enden oder aber, angesichts der realen Machtverhältnisse, in der völlige politische Bedeutungslosigkeit zu versinken.

Tatsächlich stimmt Marx Deutung aus der Deutschen Ideologie von 1846: Das gesellschaftliche Sein bestimmt das Bewusstsein. Allerdings nur dann, wenn wesentliche Teile der realen Bewusstseinsträger, die Bürger, teilhaben an den wichtigen Entscheidungen in der Ökonomie, im Staat und in der Kultur. Wenn also nicht nur ein Glaube herrscht, der Bürger könne, unabhängig von seiner ökonomischen Leistungsfähigkeit, mit entscheiden. Entscheidung und Teilhabe erwächst heute allerdings wieder zu großen Teilen aus dem Abstecken von Claims, nicht aus einer speziellen intellektuellen oder handwerklichen Fähigkeit. Viele Bürger sehnen sich nach diesen archaischen Mustern des Kapitalismus und der Feudalherrschaft, weil das vordergründig Dauerhaftigkeit verspricht.

Das geheime Credo der meisten Liberalen und Konservativen lautet, die Bürger wollten weder aktive Beteiligung an den Entscheidungen, noch Einblicke in Sachzusammenhänge. Sie wünschten sich vor allem eine Regierung durch gewählte Vertretung und Experten, -seien es auch nur Experten des politischen Geschäfts-, die ihnen diese Dauerhaftigkeit als Sicherheit garantieren sollen.

Der Bürger wolle sich vor allem um sich selbst, und um sonst eigentlich recht wenig kümmern. Liberale und Konservative verstehen sich daher als Makler, Händler und Interessenwalter. Sie halten sich für mandatierte Anwälte und wollen dafür gewählt und entlohnt werden. Eine Verbreiterung der Mitsprache, die Freistellung zur Mitsprache, politische wie ökonomische Transparenz, sind gerade nicht ihre Zielvorgaben, so wenig wie ein Makler, der gut verdienen will, Transparenz liebt, weil dies ihm die beste Geschäftsgrundlage entzöge. So bleibt es beim Hinterzimmer.

In der ökonomischen Sphäre gehen Liberale und Konservative noch weiter. Hier ist das wirtschaftliche Handeln völlig individualisiert und privatisiert, Kontrolle und Einblick daher strikt tabuisiert. Schon die eher hilflosen Maßnahmen des Staates, sich bei den wirklich Reichen einen Einblick über die tatsächlichen Besitzverhältnisse und Gewinne zu verschaffen, gelten als Sakrileg gegen das Recht auf Privatheit und als größter ideologischer Sündenfall in der freien Wirtschaft.

In Wahrheit haben nämlich die Reichsten in den Industrie- und Schwellenländern in den letzten Dezennien weder einen gewinnproportionalen Steueranteil gezahlt, noch überhaupt zugelassen, dass staatliche, damit halbwegs öffentlich kontrollierte Organe Einblick bekommen konnten. In Schwellen- und Entwicklungsländern, dort wo heute die eigentlichen Gewinnzuwächse und ebenso neuer sagenhafter Reichtum innerhalb sehr kurzer Fristen erzielt wird, schreckte man auch nicht vor flächendeckender Korruption der Reste von Staatlichkeit zurück. Deren dünnschichtige Wirtschaftseliten sind nicht nur längst eingekauft, sie leben auch lange schon international. - Die Hauptdrohung: Wer uns zu nahe tritt, der löst die Flucht unserer Kapitalien in freundlicher gesinnte Länder aus. Auch wir persönlich könnten flüchten. Natürlich macht das kaum jemand aus dieser Gruppe wirklich, weil die Struktur der Gesellschaft und Politik ja gerade die Grundlage seines Geschäftsmodells ist.

Gleichheit

Liberale und Konservative definieren den bürgerlichen Gleichheit vor allem als eine Gleichheit vor dem Gesetz. - Jedoch, selbst dieser Anspruch läßt sich immer weniger durchsetzen. Heute ist klar, gerade Individuen haben es schwer, ihr Recht bei Institutionen, Firmen, dem Staat, und vor allem gegen ökonomisch deutlich besser gestellte Personen, durch zu setzen. -Der Staat hat sich mittlerweile dort positioniert, wo es real um die stille Absicherung dieser Überlegenheiten geht. So toleriert er verschachtelte und kaum allgemein verstehbare Verträge und Geschäftspraktiken, so toleriert er Urteile in seinen Gerichten und haufenweise Verträge zu fast jedem denkbaren Rechtsgut, die ohne einen juristischen Sachverständigen nur noch schwer lesbar sind. Er nennt das trotzdem Vertragsfreiheit. So, formuliert er auch Maßnahme- und Ermächtigungsgesetze, die schon durch ihre Komplexität das Machtgefälle absichern (Bsp., §129 StGB).

Eine konservative und liberale Weiterung des Gleichheitsbegriffs ist jene, die sich mit dem Begriff der Chancengleichheit verbindet. In der Theorie steht demnach jedem Bürger die gleiche Chance zu, Erfolg, vor allem wirtschaftlichen Erfolg, zu erreichen. Tatsächlich glauben Liberale und Konservative daran, dass die derzeitige Struktur in dieser Hinsicht noch weiter verbessert werden müsste. Sie halten durchaus die realen Zustände für noch nicht chancengerecht genug. Denn noch immer gelingt es eigentlich nicht Erfolgreichen, nicht durch Eigentum, Besitz, oder durch Abstammung zu Chancen Gekommenen, allzu zahlreich in die Phalanx einzubrechen und vom Kuchen zu essen. Es gab für diese Art Konservative und Liberale allzu lange eine Reformperiode, in der der Staat die Spielregeln des eigentlichen Marktes aufhielt und beschnitt. Nunmehr ist der Punkt erreicht, an dem sich die Eliten öffentlich Gesetze selbst schreiben und Politiker aussuchen, die das exekutieren. Für diese werden auch besondere mediale Anstrengungen unternommen. - Was also derzeit entsteht, das ist eine neue Konkurrenzgesellschaft, bei der ein Zwang zur Teilnahme nach ihren, relativ engen Spielregeln zur staatsbürgerlichen Pflicht erhoben und durchgesetzt wird.

Die Linke definiert Freiheit anders und sie fordert Gleichheit in einem umfassenderen Sinne, auch wenn Rechte und Konservative, aber auch viele Liberale, aus einer Position heraus, sich selbst als besonders begabt, besonders mächtig und besonders erfolgreich einzuschätzen, davon nicht viel halten.

Linke denken daran, dass die Verteilung der produktiven Mittel und der Zugang zu Wissen, Kultur und Bildung, oder der Zugang zu jeglichem Landschaftsort auf dieser Erde nicht ein besitzbares und damit ein Eigentumsgut sein kann. Ein kleines Beispiel: Das knappe Gut, betretbares und nutzbares Seeufer, gehört so wenig Privatleuten, wie die Chance zur Mobilität oder die Chance, eine umfassende Bildung und Teilhabe an Kultur zu erlangen. - Genau diese knappen und notwendigen Güter, werden aber zunehmend privatisiert und zu einer grundsätzlichen Frage des je individuellen Einkommens. Für das Betreten des Seeufers, falls überhaupt gestattet, muss dann gezahlt werden.

Kultur und Bildung als knappes Gut

Bildung und Kultur für Alle wird ersetzt durch Bildung und Kultur für Zahlende! Zur Kaschierung der Tatsache gibt es für einige Stipendien und für einige mehr, die nicht genügend verschreckt wurden, zinsgünstige Darlehen, für die ganz Armen ein paar Berechtigungskarten. - Das kann niemals eine Linke Position sein, denn Linke wissen, dass die übergroße Mehrheit der Menschen ein recht gleiches und hohes Potential an Intelligenz und geistigem Vermögen mitbringen, aber die Chancen nicht gleich verteilt werden. Chancengleichheit im linken Sinne schmälert daher eher die Chance, sich individuell, gegen die Interessen vieler anderer, große Stücke an Kultur, Bildung und vor allem Besitz anzueignen, dies zu monopolisieren, um dann Teile als Wirtschaftsgut teuer zu verkaufen.

Christoph Leusch

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