Das Männliche an der Bouillabaisse

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Ich fand, wenn wir schon ein Interview mit einem Marseiller Koch wie Vincent Garcia im aktuellen Blatt haben, dann sollten wir auch ein Rezept für eine südfranzösische Fischsuppe mitliefern, die Bouillabaisse.

Eine Bouillabaisse ist ein wunderbarer Einstieg in die Fischküche. Man hat es mit einem relativ einfachen Gericht zu tun, was die Zubereitung angeht. Und man lernt, dass man Fisch in der Küche nicht wie das sprichwörtliche rohe Ei behandeln muss. Diesen Fehler machen immer noch zu viele Leute.

Doch bevor man anfängt ist es gut zu wissen, woher diese Fischsuppe herkommt, und wie sie entstanden ist. Nämlich nicht in einer Gourmetküche. Das macht es leichter. Ich habe – das versuche ich immer - ein Basisrezept entworfen, dass sich auch in der einfachsten Küche zubereiten lässt, etwa in einer Ferienwohnung. In den Streit, was eine authentische Bouillabaisse ausmacht, wie die Rezeptur für das Original aussieht, sollte man sich ohnehin erst einmischen, wenn man die Suppe ein Dutzend mal gekocht hat. Die Diskussion erfordert ohnehin ein kleines kulturwissenschaftliches Studium. Ich empfehle die kleine Abhandlung von Petra Foede.

Einig sind sich aber alle, dass die Fischsuppe eine ursprünglich eine provencalische Fischersuppe war. Also eine einfache und nahrhafte Speise aus dem was die Männer zur Hand hatten, wenn sie von See zurückkamen. Man darf davon ausgehen, dass es sich um Fische handelte, die sich schlecht verkauften, weil sie wie Monster aussahen, zu viele Gräten hatten oder nicht groß genug waren. All solches Meerestier wandert noch heute in Südfrankreich in die Bouillabaisse. Vor allem die Stadt Marseille, stolz auf ihr Gründungsdatum 600 v. Chr. rühmt sich, die Wiege der Fischsuppe zu sein.

Der Fisch

Obligatorisch ist der sonst in der Küche nicht verwendete Drachenkopf (Rascasse), klassisch als weitere Zutaten für den Fond sind Mittelmeerfische wie Petersfisch, Knurrhahn, Seeteufel, Meeraal, Rotbarbe sowie Seewolf oder Wolfsbarsch. Auch Muscheln und Meeresfrüchte wandern oft in den Eintopf, in der teuren Küche geht es meist nicht unter einem Hummer oder Langusten. Ich finde solches Krustentier absolut überflüssig. Ein Hummer in der Suppe, und alles schmeckt nach Hummer. Was ist daran feine Küche?

An der Auswahl der Fische merkt man: Es kommt rein, was der Markt hergibt, und in unseren Gefilden ist das nicht viel. Ich nehme Sardinen, Wolfsbarsch, wenn ich es mir leisten kann, Seeteufel und Petersfisch, dafür muss man aber schon einen guten Fischhändler an der Hand haben. Mit Lachs verhält es sich fast so wie Hummer, der kommt mir nicht in die Suppe, dafür müssen es aber unbedingt Rotbarben sein, ihr leicht bitterer Geschmack ist eine wichtige Note. Glücklicherweise gibt es diese Fische immer öfter.

Sonstige Zutaten

Es lohnt sich nicht, eine Bouillabaisse für weniger als sechs Personen zu kochen. Dafür rechne ich etwa 2,5 Kilo Fisch. Und im Einkaufswagen sollten nicht nur Filets sein, sondern ganze Fische oder noch besser, Filets und Karkassen, also Gräten und Fischköpfe. Der Fischhändler macht Ihnen das. Von den Filets sollten Sie 1,2 bis 1,5 Kilo beiseite legen, der Rest kommt gleich in die Suppe.

Die restlichen Zutaten:

1 Karotte
5 Tomaten, halbiert
1 Stange Lauch
1 Fenchelknolle
4 Knoblauchzehen
Streifen von einer halben Bio-Orange
5 Zweige frischer Thymian
3 Lorbeerblätter
1 Kapsel Safranfäden (0,05 gr), wenn Sie mögen
Pastis
1/2 Flasche Weißwein
Olivenöl, Pfeffer und Salz

Die Zubereitung

1. Schneiden Sie Karotten, Lauch, Fenchel und Knoblauch in grobe Stücke und schwitzen Sie das Gemüse mit den Tomaten und Thymian in Olivenöl kräftig an. Dann löschen Sie mit einer halben Flasche Weißwein ab, und lassen den Wein noch etwa 10 Minuten einreduzieren. Das vermindert die Säure. Anschließend werden zwei Liter kaltes Wasser in den Topf gefüllt, und der der zum Kochen vorgesehene Fisch wie die Orangenschalen dazugegeben.

2. Das Ganze sollte etwa ein halbe Stunde köcheln, genug Zeit, um den Safran in heißem Wasser einzuweichen, eine Knoblauchmayonnaise, die Rouille (dazu später) zuzubereiten und die übrigen Fischfilets portionsgerecht zu schneiden. Wenn Sie auch noch die übrige Flasche Weißwein trinken wollen und die Suppe deshalb läger auf dem Herd steht, macht das übrigens auch nichts. Sie können sogar vergessen, den Schaum abzuschöpfen.

3. Jetzt kommt das Schönste, das Männliche an meiner Bouillabaisse. Sie brauchen dafür eine große Schöpfkelle der einen Holzlöffel. Und Sie sollten sich ein altes T-Shirt anziehen, denn jetzt wird gematscht: das heißt, alle Zutaten in der Brühe werden zerdrückt. Man lernt schnell, wie das geht, es spritzt am Anfang ziemlich heiß aus dem Topf heraus. Am saubersten ist es, die Zutaten an den Topfrand zu pressen.

4. Die Suppe wird nun durch ein Sieb in einen zweiten Topf gegossen. Die Brühe noch einmal zum Kochen zu bringen ist nicht notwendig, später darf sie leise simmern. Erst aber sollten sie der Brühe Ruhe gönnen und nach ein paar Minuten den Ölfilm auf der Oberfläche begutachten. Ist er Ihnen der zu hoch, hilft Küchenpapier, vorsichtig auf die Suppe gelegt. Es saugt sich mit dem Fett voll.

4. Die Bouillabaisse, eine rötlich schimmernde, trübe, vielleicht sogar etwas sämige Brühe, ist nun fast fertig. Es muss noch abgeschmeckt werden, mit Salz, Pfeffer, dem Safran und dem Pastis. Ich nehme etwa 4 cl davon, weil ich den Anisgeschmack mag.

Sie werden beim Abschmecken merken: Eine Bouillabaisse macht geschmacklich vor allem die Mischung aus Fenchel, Orangenschale, Pastis und Safran aus.

5. Nun können Sie schon die Gäste an den Tisch rufen. Denn spätestens in zehn Minuten sollten die Teller dampfend auf dem Tisch stehen. Es wird nun ein bisschen stressig, denn nun werden die Fischstücke (und eventuell Muscheln) in die Suppe gegeben. Machen Sie den Anfang mit dem Fisch, der sich am festesten anfühlt, am Ende lassen sie die Suppe noch drei bis vier Minuten zugedeckt ziehen.

6. Zum Servieren werden die gar gezogenen Fischstücke, wenn Sie auch Muscheln dazugegeben haben, nur die geöffneten Exemplare, in die Suppenteller verteilt und anschließend mit der Brühe überzogen.

7. Dazu gibt es getoastetes Baguette mit Rouille, je nach Geschmack auch noch ein paar Zitronenhälften. Dem Auge gefällt, wenn auch noch etwas gehackte Petersilie und kleine Tomatenwürfel in der Suppe schwimmen (sind oben in der Zutatenliste nicht angegeben).

Die Rouille

Zutaten:

2 Knoblauchzehen
1 Eigelb
500 ml Olivenöl
etwas Weißwein
Salz
Zitrone

1. Wenn Sie keine Knoblauchpresse haben, halbieren Sie die Zehen, streuen etwas Salz drüber und zerdrücken Sie den Knoblauch mit einer breiten Messerklinge. Dafür wird die Klinge leicht angewinkelt auf das Brett gesetzt und mit Kraft über die Zehen gezogen (wieder eine sehr männliche Angelegenheit)

2. Das Knoblauchmus wird mit dem Eigelb und ein paar Spritzern (!) Weißwein gemischt und mit dem Schneebesen aufgeschlagen, wenn Kraft sparen wollen, nehmen sie einen elektrischen oder den Zauberstab.

3. Nun kommt unter ständigen Schlagen Olivenöl dazu, erst tröpfchenweise die ersten 50 ml, dann in einem dünnen Strahl, wenn Sie merken, das Eigelb bindet. Insgesamt 300 bis 500 ml Öl werden es am Ende schon sein, die in die Mayonnaise geflossen sind. Abgeschmeckt wird mit Pfeffer, Salz und Zitronensaft. Wenn Ihnen die Mayonnaise jetzt zu flüssig ist, hilft weiteres Schlagen.

Die Rouille wird auf getoasteten Baguettescheiben zur Bouillabaisse gereicht.

Bon Appetit!

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Jörn Kabisch

Stellvertretender Chefredakteur des Freitag von 2008 - 2012 und Kolumnist bis 2022, seitdem Wirt im Gasthaus zum Schwan in Castell

Jörn Kabisch

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