Regenjacken für die Demokratie

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Regen schadet der Demokratie. Deshalb überlege ich mir, welche Partei wohl an Sonnenschein das meiste Interesse hat.

Die Wähler der Grünen verweichlichen. Ich kann das beweisen.

Wenn ich mir Wahlsendungen im Fernsehen ansehe, interessieren mich nie die Ergebnisse. Ich warte nur darauf, dass ein gut frisierter Politikexperte sagt: Regen ist schlecht für die Demokratie. Immer wenn dieser Satz fällt, denke ich: Potzblitz, das sind noch Slogans.

Hinter diesem Satz steckt ein einfacher Gedanke: Am Wahltag sind die Wähler extremer Parteien extrem zur Wahl entschlossen, die Wähler demokratischer Parteien aber nur demokratisch zur Wahl entschlossen, also eher so larifari. Wenn es dann regnet, trotzen die Extrem-Wähler dem Unwetter, während Demokratie-Wähler denken: Nee, für die eine Stimme renne ich nicht durch den Regen.

Möglicherweise haben die Extrem-Wähler auch die besseren Regenjacken. Das schließe ich nicht aus. Sie haben ja häufig auch die robusteren Schuhe. Was also die Demokratie rettet, sind nicht Parteienverbote und Verfassungsschutz, sondern Regenjacken. Vielleicht sollten die Parteien vor der Wahl statt Kugelschreibern lieber Regenjacken in der Innenstadt verteilen. Die US-Demokraten haben vor der Präsidentschaftswahl 2004 tatsächlich 60000 Plastik-Ponchos verteilt.

Wenn Regen der Demokratie schadet, wem hilft dann Sonnenschein? Die Stadt in Deutschland mit den meisten Sonnenstunden ist Freiburg, dort scheint 1740 Stunden pro Jahr die Sonne, wahrscheinlich auch bei den Wahlen. In Freiburg ist der Bürgermeister von den Grünen. Das bedeutet: Der Wähler der Grünen geht am liebsten bei Sonnenschein wählen. Bei Regen traut er sich kaum aus dem Haus. Vergessen sind die Zeiten, als sich die Anhänger der Partei jedes Wochenende an Schienen festketteten und auf Kuhwiesen zelteten. Keine andere deutsche Partei ist deshalb so abhängig von gutem Wetter.

Nun verstehe ich auch, warum die Grünen sich so um den Klimawandel sorgen, denn der bringt schließlich mehr Regen. Ich erkenne nun auch, weshalb die Parteien keinen Einfluss auf das öffentlich-rechtliche Fernsehen haben dürfen. Die Grünen zum Beispiel würden den Fernsehmeteorologen am Wahltag dazu zwingen, von 24 Stunden Sonnenschein zu sprechen, auch wenn das gar nicht stimmt. Die Nazis würden den Meteorologen dazu zwingen, zu jeder Wahl die Jahrhundertflut anzukündigen. Nichts ist im Fernsehen nicht von Interessen gesteuert.

Die Regel „Regen schadet der Demokratie“ gilt übrigens nur für Wahlen in Deutschland. In der norwegischen Stadt Bergen regnet es so viel wie sonst kaum irgendwo. Die extremen Parteien gewinnen dort aber keinen Blumentopf. Vielleicht sind die Nazis dort mittlerweile genauso verweichlicht wie die Grünen.

Dieser Text ist Teil meiner Kolumne "About a Boy", die jeden Freitag bei RP Online erscheint. Mehr Folgen gibt es hier.

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