In den achtziger Jahren verfing sich eine ganze Generation junger Paschtunen aus Afghanistan und Pakistan im Netz der traditionellen Lehrstätten des Islam in Nordwestpakistan. Die Zahl dieser Koranschulen – sie waren im frühen Mittelalter als Madrassen entstanden – hatte sich mehr als verzehnfacht, als Pakistan von General Zia ul-Haq autoritär geführt wurde. Dieser Diktator hatte einen beachtlichen Anteil daran, dass sich die Islamisierung des Landes beschleunigte. Der Grund waren nicht allein ein fundamentalistischer Dogmatismus und eine autoritäre Staatsauffassung, sondern auch die Konfrontation mit dem säkularen Regime der Demokratischen Revolutionären Volkspartei (DRVP) im Nachbarland Afghanistan. Die DRVP hatte im April 1978 die Macht erobert und stützte sich seit Ende 1979 (bis Februar 1989) auf eine massive sowjetische Militärpräsenz. Die religiöse Vehemenz, mit der sich der Widerstand gegen die Regierung der damaligen afghanischen Präsidenten Babrak Karmal (1979 - 1986) und dessen Nachfolger Mohammed Nadschibullah (1986 - 1992) in Kabul formierte, wäre ohne den Beistand aus Pakistan und die militärische Unterstützung der USA kaum denkbar gewesen.
Es fügte sich, dass Anfang der neunziger Jahre der damalige Führer der Muslim-Partei Jamaat-e Ulemaye Islam (JUI), Fazlu Rehman, zum Koalitionspartner in der zweiten Regierung der Premierministerin Benazir Bhutto (1993 - 1996) aufstieg. Die sorgte dafür, dass die streng religiöse Partei Verbindungen zum Armeegeheimdienst ISI aufbauen konnte, in dem es bis heute militant islamische Kader gibt. Für die Koranschulen zweifellos ein Erfolg, denn niemand sonst als Fazlu Rehman entschied zu jener Zeit mehr über die Mission dieser islamischen Kaderschmiede und das Selbstverständnis der Missionierten.
Pakistans Geheimdienst ISI wurde während des Afghanistan-Krieges gegen die sowjetischen Truppen zum Drehkreuz für Waffen und Geld, immer darauf bedacht, die islamistischen Hardliner im Nachbarland besonderer Fürsorge zu unterstellen. Anfangs galt sie der Hezb-i-Islami des Gulbuddin Hekmatyar, doch als der Anfang der neunziger Jahre im Sumpf eines endlosen Warlord-Krieges um Kabul, Macht und Pfründe zu versinken drohte, wurden die Taliban bevorzugt versorgt. Sie erhielten bis zu ihrer Machtübernahme in Afghanistan im September 1996 Geld, Waffen, Munition und die Hilfe von Militärberatern aus Islamabad. Kaum überraschend erkannte die pakistanische Regierung, ohne dass die USA daran Anstoß nahmen, das Taliban-Regime umgehend an und fand sich zum Botschafter-Austausch bereit.
Wenn sich also die Taleban nicht auf Käferflügeln zum Olymp der Macht tragen lassen mussten, sondern sehr viel schneller voran kamen - dann war das vielen zu verdanken, unter anderem der Regierung von Benazir Bhutto, den Amerikanern, der paschtunischen Volksgruppe, aber auch dem Segen des saudischen Herrscherhauses, das vergeblich darauf hoffte, die Taliban würden den Wahhabi-Islam am Hindukusch fest verankern.