Der Schrecken von Hula

Syrien Nach dem Massaker könnte Russlands Unterstützung für Kofi Annans Plan Syrien vor einem ausufernden Bürgerkrieg bewahren

Kofi Annans Füße hatten kaum syrischen Boden berührt, da kursierten nach dem Massaker in Hula vom Freitag bereits Berichte über eine weitere Massentötung, diesmal in Hama. Der Krieg, den Baschar al-Assad gegen sein eigenes Volk führt, macht keine Pause, nur weil ein UN-Gesandter angereist ist. Er wird parallel weitergeführt, oft sogar in dem Gebiet, in dem die Gäste sich aufhalten.

Der Schrecken von Hula ist ein neuer trauriger Höhepunkt in dem nunmehr 15 Monate währenden Konflikt. Fest steht, dass das Massaker nicht aus heiterem Himmel kam. Hula liegt etwa 20 Kilometer nordwestlich von Homs. Die meisten der 13 Homser Viertel, deren Bewohner durch Kämpfe vertrieben wurden, befinden sich nahe alevitischer Gemeinden, die das Rückgrat des Regimes bilden. Monatelang hörten die Aleviten die Kampfgesänge aus Hula. Die Stadt war zu einer Hochburg der bewaffneten Opposition geworden. Viele Familien der Syrischen Befreiungsarmee wohnten hier. Vielleicht war das der Grund dafür, dass die Uniformierten, die am Freitagabend einrückten, nachdem die Bombardierung weitgehend aufgehört hatte, ohne Unterschied Männer, Frauen und Kinder – manche von ihnen noch Säuglinge – töteten. In einem Video ist zu sehen, dass einige der Opfer an den Händen gefesselt waren. Viele hatten Einschusslöcher im Kopf oder wurden zerstückelt. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch, hatte mit Überlebenden gesprochen und bestätigte, dass zwischen den Opfern keine Unterschiede gemacht worden waren.

Russland vermutete, die Gewalt in Hula habe zur Sabotage von Annans Besuch gedient. Assads Regime machte Al Quaida für die Gräuel verantwortlich, wie mittlerweile bei jedem getöteten Zivilisten. Da aber lediglich eine Seite über Panzer und Artillerie verfügt, kommt die nicht-bindende Resolution des UN-Sicherheitsrates einer einseitigen Verurteilung der syrischen Regierung gleich, da darin der Beschuss von Wohnhäusern in Hula mit Artillerie und Panzergranaten kritisiert wird. Von russischer Seite war jedoch zu hören, die aus nächster Nähe verübten Morde in Hula hätten auch von den Rebellen begangen worden sein können. Und in der Tat befinden sich einige Kämpfer mit Verbindungen zu Al Quaida in Syrien: Dschihadisten mit engen Stammesverbindungen aus der Anbar Provinz im Irak sowie religiöse Eiferer aus Libyen.

Von Dschihadisten keine Spur

Die großen Autobombenanschläge gehen wahrscheinlich auf ihr Konto. Wer aber behauptet, für den Tod von Zivilisten seien allein „bewaffnete Gruppen von Terroristen“ verantwortlich, der spielt Assad in die Karten. Für seine Behauptung, bei den Oppositionellen handele es sich um ausländische Terroristen, fanden sich bisher nie Belege, wenn Reporter in von Rebellen gehaltenes Territorium eingereist waren. Der Guardian stellte während seines letzten Vorstoßes fest, dass es der Syrischen Befreiungsarmee an Munition fehlt – jeder Schuss schien zu zählen. Ebenso fehlte jede Spur ausländischer Dschihadisten. In Tschetschenien war es nicht schwer, sie zu finden. Eher war es so, dass sie dich fanden.

Indem er den Annan-Plan hintertreibt, riskiert Assad die Unterstützung der letzten beiden Mitglieder des UN-Sicherheitsrates zu verlieren, die eine Intervention nach libyschem Vorbild bislang verhindert haben – Russland und China. Nachdem ein führender Kommandant der iranischen Revolutionsgarden zugegeben hat, dass sich iranische Einheiten in Syrien befinden, ist klar, wohin der Konflikt führen wird, wenn er weiter andauert: in einen Bürgerkrieg vergleichbar dem libanesischen, der Schockwellen durch die ganze Region schicken wird. Im Libanon selbst sind bereits erste Erschütterungen zu spüren.

Daran kann niemand ein Interesse haben, zuletzt Russland, das seinen Flottenstützpunkt im Land behalten will. Je mehr der Konflikt eskaliert, wie jetzt in Hula, desto mehr wird sich Moskau genötigt sehen, die "jemenitische Lösung" in Betracht zu ziehen – den von Saudi-Arabien unterstützten Plan für Jemen, wo Diktator Ali Abdullah Saleh abdankte, Angehörige seiner Familie aber zunächst im Amt bleiben. Die russischen Interessen sind durch Bürgerkrieg und sektiererisches Chaos in Syrien mindestens ebenso bedroht wie durch eine Intervention der Nato. Es ist viel Zeit verstrichen, aber Russlands Unterstützung könnte Annans Plan noch retten.

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Geschrieben von

The Guardian

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