Nikolaus Blome und die True-Sale-Initiative

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"Das Schlimme ist, dass der Staat sich mit Pensionen, mit Sozialleistungen, mit anderen Ausgaben, die es nicht wert waren, die nichts gebracht haben, sich so komplett überhoben hat, dass er jetzt an den Zinsen krepiert." (Nikolaus Blome)

Noch nie lag Nikolaus Blome so falsch wie in der letzten Diskussionsrunde mit Jakob Augstein. Das Thema "Politik K.O. - sind die Märkte einfach stärker?" nutzte Blome, seine Protagonisten, "die Märkte" zu verteidigen und die Ursachen der Finanzmisere in den überhöhten sozialen Ausgaben des Staates, der nicht sparen wolle, zu sehen. Dass dem nicht so ist, ist jedem halbwegs aufgeklärten Zuhörer bewusst und bedürfte kaum der weiteren Erörterung.

Nutzen möchte ich diesen Anlass, den Ausgangspunkt der deutschen Bankenkrise, ihren archimedischen Punkt sozusagen, zu betrachten, um aufzuzeigen, weshalb Blomes volkswirtschaftspolitische Haltung dem Springer-Verlag wert ist, bezahlt zu werden.

http://www.presseportal.de/bild/22257-preview.w425-B015620L.JPG2003, das Jahr der Wende der deutschen Finanz- und Wirtschaftspolitik, ist eng mit der rot-grünen Regierung unter Schröder verbunden, die konsequent die Entfesselung der Finanzindustrie betrieb. Ziel war, die deutschen Vorschriften für Kreditvergaben so zu lockern, dass die hiesigen Großbanken in die Lage versetzt werden, wie ihre us-amerikanischen Vorbilder zu agieren. Auf gemeinsame Initiative von Ackermann & Co. und der Bundesregierung trafen sich Vertreter von 13 Banken (siehe Grafik). Sie, die True-Sale-Initiative, unterzeichneten den "Letter of Intent", eine gemeinsame Absichtserklärung, in Deutschland das Verbriefungsrecht einzuführen. Damit sollte möglich werden, (faule) Kredite zu bündeln und diese in von den Banken zu gründenden Zweckgesellschaften zu überführen und damit Handel zu treiben. Die Banken sollten in eine Position kommen, die ihnen erlaubte, vermehrt liquide Mittel akquirieren und neue Kredite vergeben zu können. Ein Baustein des Geschäftsmodells war, viele Kredite zu vergeben, diese in diverse Portfolios zu verpacken und zu verkaufen, um an den Abschlussgebühren zu verdienen.

Für derart schnelle Geschäfte mussten die gesetzlichen Rahmenbestimmungen mit der Mehrheit der Bundestagsabgeordneten geändert werden. Der damalige Ministerialdirektor im Bundesfinanzministerium (BMF), Jörg Asmussen, ließ im Auftrag des Finanzministers Hans Eichel die entsprechenden Vorlagen für den Bundestag ausarbeiten. Beauftragt wurde die Beratungsgesellschaft Boston Consulting Group, die ein Gutachten über die "Optimalen staatlichen Rahmenbedingungen für einen Kreditrisikomarkt für Kreditforderungen und Risiken in Deutschland" erstellte. U.a. waren die steuerlichen Grundlagen so zu verändern, dass der Verbriefungsmarkt nicht belastet wird, ergo Freistellung.Das Gesetz, das die Hürde nahm, hieß merkwürdigerweise "Förderung von Kleinunternehmen und zur Verbesserung der Unternehmensfinanzierung". Behauptet wurde, durch die Erhöhung der Liquidität mit Hilfe der Verbriefungen wären die Banken deutlich besser in der Lage, den kleineren und mittleren Unternehmen umfangreichere Kredite mit besseren Konditionen zur Verfügung zu stellen. Die Mehrheit im Bundestag hat's geglaubt und die Banken von den Zocker-Schranken befreit.

In dieser Phase wurde - doppelt genäht hält besser - von der Bundesregierung eine Lobbyorganisationmit dem Namen "Initiative Finanzstandort Deutschland" ins Leben gerufen. Ziel war die Etablierung des Anliegens der Banken als angeblich volkswirtschaftlich sinnvolles Modell in den Medien, im Mittelstandsgewerbe und im erweiterten Bankensektor. Neben den deutschen Großbanken waren das Bundesfinanzministerium und die Bundesbank sowie die Landesbanken beteiligt. Große Wallstreet-Institute mischten ebenfalls mit und zeigten den Landesbanken auf, was echtes, modernes Banking sei. Mittelständische Unternehmen der Realwirtschaft mit soliden Darlehen zu fördern, bis dahin eine der Hauptaufgaben der Landesanstalten, sollte wegen vermeintlich zu geringer Erträge auf den Müllhaufen des Kreditwesens befördert werden.

Als 2006 die Bankgeschäfte nach dem Verbriefungsmodell noch florierten, wies Asmussen in der 'Fachzeitschrift für das gesamte Kreditwesen' nach, dass die Bundesregierung stets bemüht sei, den Banken die Weste für den ungebremsten zerstörerischen Handel weiß zu halten: "Das BMF verändert – soweit erforderlich und machbar – die Rahmenbedingungen für den deutschen Verbriefungsmarkt Stück für Stück. Wir beobachten die Märkte intensiv, stehen im engen Dialog mit den Marktakteuren, registrieren Veränderungen und justieren, wenn notwendig, um die Weichen für die bestmögliche Marktentwicklung frühzeitig zu stellen. Es geht dabei um schwierige Fragen und wir benötigen für die einzelnen Schritte einen breiten Konsens und Verständnis bei den politischen Akteuren. Entscheidend sind aber der Wille zur Veränderung und die notwendige Hartnäckigkeit, wenn es um deren Umsetzung geht." Anbiedernd und rechtfertigend schreibt er weiter: "Folgerichtig hat das BMF die True-Sale-Initiative von Anfang an aktiv begleitet. Das im Bereich der synthetischen Verbriefung bereits erfolgreich begonnene Projekt „Förderung des deutschen Verbriefungsmarktes“ konnte – wie sich heute zeigt – auf das Segment des True-Sale-ABS-Marktes erfolgreich ausgeweitet werden."

Heute stehen wir vor dem Scherbenhaufen dieses Bankenlobbyismus. Die True-Sale-Initiative ist der Ausgangspunkt des deutschen Finanzdesasters. Alle Internetseiten des Lobbyverbands "Initiative Finanzstandort Deutschland" sind gelöscht, damit niemand mehr die Spuren der Mitverursacher des Finanzcrashs finden möge. Der Finanzfäden spinnende SPD-Mann Jörg Asmussen, der auch im Aufsichtsrat der untergegangenen Mittelstandsbank IKB saß, kam als Finanzstaatssekretär bei der CDU unter. Der wahrscheinliche Grund:Er mischte stets an den entscheidenden Schnittstellen der Banken und dem Staat mit. Ende des Jahres wird er zum Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank aufrücken. Es ist nicht zu erwarten, dass er die Interessen der Banken vernachlässigen wird.

Die Umsetzung der Ziele der True-Sale-Initiative förderte seit 2003 nicht nur die Bündelung der schlechten und wackligen Kredite in Portefeuilles, sie eröffnete den Handel und die Spekulation mit ihnen. Bis 2007/2008 schienen die Geschäfte problemlos zu laufen. Mit Spekulationen auf den Wertverlust dieser Papiere wurde der Kreislauf angeheizt. Der deutsche Verbriefungsmotor lief immer schneller und wuchs auf 800 Milliarden Euro an, auf fast das Doppelte des Eigenkapitals aller deutschen Banken. Jetzt liegen viele dieser Papiere, so wird vermutet, bei den Landesbanken, die sich diese Konstrukte haben andrehen lassen.

Den Steuerzahlern wird täglich eingebläut, der Staat sei verfettet und müsse sparen. Wir dürften uns an der nachwachsenden Generation nicht versündigen und auf deren Kosten schadlos halten. Nikolaus Blome wirkt an dieser Legendenbildung mit.

Links und Quellen:

www.presseportal.de/pm/41193/461902/13-banken-unterzeichnen-letter-of-intent-fuer-die-true-sale-initiative-gemeinsames-engagement-fuer

www.heise.de/tp/artikel/35/35074/1.html

de.wikipedia.org/wiki/Boston_Consulting_Group

www.scribd.com/doc/7456229/Verbriefungen-aus-Sicht-des-Bundesfinanzministeriums


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Geschrieben von

Achtermann

Ich lass' mich belehren. Jedoch: Oft wehre ich mich dagegen.

Achtermann