Schlecker und die öffentliche Hand

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Gewerkschaften, Parteien und Schlecker-Angestellte werfen nun den Bundesländern, insbesondere aber der FDP, vor, die Mitarbeiterinnen der Drogeriekette im Regen stehen zu lassen, weil sie mit einer Bürgschaft von rund 70 Millionen Euro nicht ermöglicht hätten, eine Auffanggesellschaft zu gründen. Niemand weiß, wie lange diese Auffanggesellschaft hätte bestehen können. Die Unternehmer-Familie, die den Konzern an die Wand gefahren hat, ist im Moment aus der Kritik heraus. Die öffentliche Diskussion hat sich verlagert.

Können die großen Unternehmen seit der grandiosen Finanzkrise so viel Mist bauen wie sie wollen? Muss inzwischen der Steuerzahler immer einspringen, weil die Banken Maßstäbe gesetzt und gezeigt haben, dass sie die Politik bei Fuß gehen lassen können? Kein Schwein kümmert sich um die Angestellten eines von der Schließung betroffenen Tante-Emma-Ladens. Und es sind tausende dieser Läden vor die Hunde gegangen.

Der politischen Einschätzung willen sei an Bochum und den Konzern Nokia erinnert. Für die Ansiedelung investierte NRW 60 Millionen Euro in den Standort, damit Nokia sich herabließ zu kommen. Obwohl das Werk schwarze Zahlen schrieb, wurde es 2008 geschlossen. 2.300 MitarbeiterInnen und rund 1.000 LeiharbeiterInnen verloren ihren Job, weil Nokia nach Rumänien verlagerte. Dort waren nicht nur die Löhne und die Unternehmenssteuern günstiger. Zusätzlich war möglich, EU-Gelder abzugreifen. Und das ließ sich Nokia nicht nehmen. Rumänien investierte 20 Millionen Euro in die Infrastruktur, die Nokia als Niederlassungsbedingung einforderte. Drei Jahre später, 2011, wurde auch dieses Werk dicht gemacht. Wieder wurden rund 2.000 Menschen auf die Straße gesetzt.

Diesem Gewöhnungsprozess muss ein Ende gesetzt werden. Es kann nicht sein, dass Wirtschaftspolitik sich darauf beschränkt, die Ansiedelungskosten vom Steuerzahler übernehmen zu lassen, um anschließend die zurückgelassene verbrannte Erde für das nächste Unternehmen wieder fruchtbar zu machen. Linke Wirtschaftspolitik ist das keinesfalls.

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Geschrieben von

Achtermann

Ich lass' mich belehren. Jedoch: Oft wehre ich mich dagegen.

Achtermann