Mandatsträger oder Aktivist?

Braunkohleprotest Der Linke Abgeordete Marco Böhme unterstützte am Pfingtswochenende die Braunkohleproteste in der Lausitz. Dafür soll er sich laut CDU Abgeordnete selbst anzeigen
In einer Fingerstruktur marschierten Klimaaktivisten auf das Vattenfall-Gelände und blockierten den Braunkohleabbau im Tagebau Welzow-Süd für 24 Stunden.
In einer Fingerstruktur marschierten Klimaaktivisten auf das Vattenfall-Gelände und blockierten den Braunkohleabbau im Tagebau Welzow-Süd für 24 Stunden.

Foto: Carsten Koall/AFP/Getty Images

Ökoterrorismus, Gewaltorgie, Umweltrandalierer. Die Zuschreibungen, die während der Debatte rund um die Braunkohleproteste in der Lausitz durch den Saal flogen, waren emotional geladen, kriminalisierend aber vor allem eines: gekonnt übertrieben. Unter dem Titel "mit der Braunkohle als Brückentechnologie den Strukturwandel gestalten – die Lausitz braucht Zukunft und keine Gewalttäter" rollten Vertreter der SPD und Union im Sächsischen Landtag erneuert die Protestaktion am Pfingstwochenende auf. Der Nachhall der Debatte: Nicht eine Horde Protestler, sondern Politiker sollten eine Zukunftsvision der Lausitz entwerfen, die auch ohne den Braunkohleabbau auskommt. Damit verbannten die Abgeordneten die Beteiligten der Protestaktion der politischen Sphäre. Doch es ist eine zweifelhafte Haltung einfach anzunehmen, dass sich Aktivismus und Politik gegenseitig ausschließen müssen.

Das Aktionsbündnis „Ende Gelände“ hatte Mitte Juni Aktivisten aus ganz Europa dazu aufgerufen, den Tagebau Welzow-Süd und das Kohlekraftwerk „Schwarze Pumpe“ zu besetzen. Zusammen marschierten rund 2000 in weiß gekleidete Protestler zunächst ungehindert in die Kohleabbau-Grube, besetzten die Gleise und drangen später in das Kraftwerk ein. Durch ihre Präsenz auf dem Vattenfall Gelände behinderten sie den Kohleabbau für 24 Stunden. Die Kohle solle unter der Erde bleiben, forderten die Klimaaktivsten mit Trommelmarsch, Konfetti und Gesängen. Ziel war es, lauten Aktionskonsens, nicht Krawall zu machen, und einen Strukturwandel in der Lausitz anzuregen. Dass bei der Aktion Zäune beschädigt und ein Feueralarm ausgelöst wurde, brüskiert die Unionspolitiker fast so sehr wie die Teilnahme von Marco Böhme, Abgeordneter der Fraktion der Linken im Sächsischen Landtag.

Als parlamentarischer Beobachter stieg der Politiker mit in die Kohlegrube, versorgte die Aktivisten mit Lebensmitteln und Decken, verhandelte zwischen Polizisten und den Protestlern. Das sei menschlich und nichts an seiner Teilnahme am Protest sei illegal, sagte der 24-Jährige im Gespräch mit dem Freitag. Aber wenn es nach CDU-Abgeordneten Frank Heidan geht, sollte Böhme sich dafür selbst anzeigen und seine Immunität abgegeben.

Böhme schmunzelt über die Anschuldigungen. „In seinem Mandat entscheidet man selbst, was politisch wichtig und richtig ist und handelt entsprechend“, sagte er nun im Gespräch. Er findet die Aktion „Ende Gelände“ unterstützenswert: als Aktivist und in zivil im Klimacamp. Gleichzeitig war Böhme jedoch in der Funktion als neutraler parlametarischer Beobachter und Mandatsträger vor Ort. Stehen diese beiden Rollen nicht im Widerspruch? Wie weit reicht der aktivistische Spielraum eines Politikers?

Die Anschuldigungen gegen Böhme von Seiten seiner parlamentarischen Kollegen sind hart, doch er hält an seiner Überzeugung fest. Statt sich um eine mögliche Strafanzeige zu sorgen, ist der 24-Jährige mit den Fragen nach dem Strukturwandel in der Lausitz beschäftigt: Weg von der Kohle, wie soll das perspektivisch durchsetzbar sein? Im Landtag stehen die Chancen schlecht. Vielleicht scheint Böhme der Weg über den Aktivismus deshalb unumgehbar.

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