Ein liberaler Wirtschaftsexperte ist jeder, der als Lösung für ein Problem Steuersenkung und Lohneinsparungen, verbunden mit freierem Markt, vorschlägt. Das liberale Paket, sozusagen.
Zur Begründung überlege man, woran man einen Experten erkennt ? Die möglicherweise auch ausgiebige Beschäftigung mit einem Fach führt nicht sicher zu dieser Qualifikation. Ich orientiere mich an der Praxis: die in Zeitschriften und Publikationen als Experten anerkannten Fachleute raten bei jedem Problem an jedem Ort zu jeder Zeit dieses Vorgehen an. Dies mutet einfach, fast schon einfältig an, man darf sich aber nicht täuschen: vielleicht gibt es zu jedem Problem spezifische Gedankengänge, die zu dieser Lösung führen. Vielleicht gibt es einen Preis, wenn man ein Problem findet, das so nicht gelöst werden kann.
Dann möchte ich noch die unbenannten oder mysteriösen Experten erwähnen. In den Medien sei ein Artikel mit "Wegen explodierender Unternehmergewinne fordern Gewerkschaften deutliches Lohnplus" betitelt. Dann endet er sicher mit: "Wirtschaftsexperten warnen vor überzogenen Lohnforderungen". "Naturschützer mahnen mehr Umweltschutz an" schließt mit "Wirtschaftsexperten warnen vor zu hohen Belastungen für die Industrie". Es ist schön, konzentriertes Fachwissen dem Laien zugänglich zu sehen.
Man könnte meiner Definition anlasten, daß sie zu wenig Qualifikation für einen solchen Experten einfordere. Das liegt aber in der Natur dieser Erkenntnisse. Nobelpreisträger wie F.A. von Hayek oder Milton Friedman führen in ihren Werken gewaltige Purzelbäume auf, um am Ende zum immer gleichen Ergebnis zu gelangen: staatliche Eingriffe wie Steuern und Sozialversicherungen oder gewerkschaftliche Lohnforderungen bremsen die Effektivität des freien Marktes aus. Wenn der Stammtisch der Würstelbudenbetreiber bei der dritten Halben intuitiv zum gleichen Ergebnis kommt, steht ihm der gleiche Rang zu.
Wie erkennt man einen wirklichen Wirtschaftsexperten ?
Kommentare 20
Zur Zeit ist ja "Deflation", die drohende... das von liberalen Wirtschaftsexperten an die diskursive Wand geworfene Menetekel, so scheint mir.
Aber mit Sicherheit nicht die Sorge, ob das Kilo Nudeln nebst Tomatensoße noch ein paar cent billiger werden könnte; da kann man als Hartzer lange von zehren.
Es steht von interessierter Seite steht eher die Sorge im Raum, dass virtuell Aufgeblasenes, exorbitante Kauflaune, beinahe Vollbeschäftigung, Immobilienhype etc. hinter den mühevoll aufgebauten pontemkinschen Dörfern ganz häßlich hervortreten könnte.
Da nützen für den reload von Oma ihr klein Häuschen auch Zinsen fast bei null nicht viel, wie diese Tage in meinem Umfeld diskutiert, entsprechend entschieden wurde; erst recht nicht bei den zunehmend prekären Arbeitsverhältnissen - selbst bei abgeschlossenem Studium.
Das war als eine Satire gedacht.
Bei Deflation wird das Geld von alleine wertvoller als Waren. Dadurch lohnen sich Investitionen schwerer. Jetzt kauft man teurer ein als später, und die Ware muß man dann billiger verkaufen.
Vollbeschäftigung ist doch Verarschung: ein guter Teil der Harzer möchte arbeiten, bekommt aber keinen Job.
Ich bin nicht informiert: was wird getan bzw geraten, um Deflation abzuwenden ?
Was bedeutet reload von Oma ihr klein Häuschen ?
Insgesamt ist klar, daß die liberalen Ratschläge für die Katz sind, schon immer waren.
Die Satire habe ich schon verstanden; deshalb auch der Hinweis auf die Oma.
Im Klartext: Selbst zur schlichten Selbstnutzung ist eine halbwegs bedarfsgerechte Immobilie heute für den sog. Normalbürger und ohne eine Anschuberbschaft nicht mehr finanzierbar; selbst bei null-Zinsen. Das war einmal deutlich anders, bot auch der Staat den Familien auf einfachem Bedarfsniveau entsprechende Direktunterstützung.
Heute wird stattdessen mit viel öffentlichem Geld das gepflegte Wohnen derer noch gefördert, die eher keine Förderung brauchen, ist der soziale Wohnungsbau (ob Miete oder Eigentum) nur noch ein Schatten seiner selbst.
Okay, Danke, manchmal brauche ich ein bischen.
Was hälst Du davon ?
https://www.freitag.de/autoren/alalue/vermoegen-parasiten
mehr als Ironie, bitterböse Realsatire; eher real denn Satire.
Danke, Ihr beflügelt mich mit Eurem Lob, vielleicht könnte man das zu einem Theaterstück ausweiten, oder in einem einbauen: ein Wirtschaftsfritze beginnt zu erzählen, das Publikum ( auf der Bühne): aha, ein Infizierter.
Schau mal hier:
http://www.3sat.de/mediathek/?mode=play&obj=42403
und hier bei SCOBEL:
http://www.3sat.de/mediathek/?mode=play&obj=42489
Die größten Schweinereien (Investor-Schutz & Demokratie-Abbau) sind schon aktiv und sollen jetzt auf die EU ausgeweitet werden.
Vielleicht wird sich dein Fokus dabei etwas verschieben... :-)
Es ist ja der Unterschied zwischen "Wirtschaftsexperten" - die tast. meinst anonym bleiben, und "Wirtschaftswissenschaftlern". Wenn man die zweiten nimmt, ist die Lage durchaus komplexer, hier gibt es einerseits die Nachfahren von Hayek & Friedman, andererseits die Gegenströmung um Krugman und Steglitz (in dt. z,B. Bofinger). Wobei - ohne Hayek & Friedman so gründlich wie Sie studiert zu haben - auch die Gegenseite "Purzelbäume" übt. Der Punkt ist nämlich, daß "Wirtschaftswissenschaften" keine Naturwissenschaften sind (mit Formeln, Konstanten, klare Beweisführung,) - sondern wie Philosophie oder Psychologie Humanwissenschaften (also eher Annahmen, Theorien, keine festen Formeln, bestenfalls starke Empirie). Das geben die Wirtschaftswissenschaftler ja ungerne zu! Sie tun gerne so, als würden sie wie ein Physiker oder Elektriker die Regierungen beraten und klare Anleitungen geben: "Hier zusammenschließen, hier 3 rauf, und hier verdoppeln - dann passiert dies und jenes..." Was dann gar nicht stimmen muss, es kann man stimmen, mal nicht, mal ein bisschen. Dazu - ob bei Hayek oder Keynes, heutzutage nicht anders, möchten die Wirtschaftsdemiurgen oder -gurus eine persönliche Ideologie (Idee) "pushen". Da werden mal die Zahlen frisiert, mal Ausnahmen zu Regel gemacht oder Ausnahmen übersehen, etc. etc.
Das hier ist doch, wie der Befall, ein kleiner Scherz am Rande.
Sonst wird es harte Theorie, wie schon gesagt: Vorgang, sprachliche Beschreibung für die Ungeübten, Tabellen, evt Formel für die, die das auch beherrschen.
Aber das kann ich hier nicht zeigen, ich will ja mein Buch verkaufen. Aber der Zuspruch tut gut.
Wenn ich dazu komme, sehe ichs mir an.
Sie sagen es. Ich zeige hier nur ein paar Scherze am Rande, wie der Befall, die ich dazuschreiben werde, zur Auflockerung.
Nach der Ausgleichstheorie darf es keine Armut oder Krisen geben. Seit es Kapital gibt, gibt es Armut wie nie vorher und dauernd Krisen. Da könnte man schon vermuten, daß diese Theorien nicht so ganz passen.
Ein kleiner Scherz am Rande noch, kommt auch dran:
Die Wirtschaftsexperten behaupten, ihre Theorien wären empirisch aus dem Geschehen abgeleitet. Durch meine Studien bin ich zum gegenteiligen Schluß gelangt. Alle Sätze des neoklassischen liberalen Modells genügen gewissen Axiomen, die unabhängig von der Erfahrung gelten. Folgende Axiome sind wirksam:
1. Die Profite und Vermögen sind unantastbar.
2. Alles, was der freie Markt hervorbringt, ist notwendig und gut.
3. Der Mensch ist höchstens so frei wie der Markt.
Unter diesen Bedingungen bekommen alle Sätze und Theoreme, bis hin zu den mit Nobelpreisen bedachten Aussagen, Sinn und Zweck.
Darf ich ein Axiom hinzufügen:
4. Je größer/mächtiger die Marktteilnehmer, desto freier der "Freie Markt" - für die Gewinn-Nutznießer. Der freieste Markt ist somit der mit einem einzigen Kapital-Monopolisten. (klingt langsam wie "Animal Farm"...)
Prinzipiell gut, vielleicht kann ich es verwenden, Danke.
Ist aber eher eine Folgerung.
Für meine Zwecke müßte ich es umformulieren: es soll kurz und knapp sein, zum Grinsen. So muß man zuviel Nachdenken. Aber die Idee ist gut. Vielleicht als Folgerung ?
Aus den Axiomen folgt unmittelbar: je mächtiger der Marktteilnehmer, desto freier. Die Vollendung wäre ein einziger Monopolist.
Karl Kraus hat sicherlich auch diese Eintänzer gemeint, als er schrieb:
"Längst müsste man doch sehen, dass diese Typen, aus allem
Minus erschaffen, sich verbraucht haben; dass die Attrappen
bersten, nicht tragfähig für die Fülle eingeredeten Inhalts;
dass das Nichts als Persönlichkeit nicht weiter kann im Bewußtsein
der satirischen Kontrolle, wenn Staatsaktion und
Hanswurstspiel ineinander spielen Zweifellos haben alle diese
Würdenträger, die zur Schau gestellten und ihre Helfer, das
Gefühl, auf Glatteis zu jener Tagesordnung zu schreiten, die
nichts als Volksbetrug ist; aber da sie sich an der Hand halten,
kommen sie hinüber. Wehe, wenn einer fiele; doch alle zusammen
vermögen zu tanzen."
Noch eine kleine Köstlichkeit (für Zyniker) zur Sicht dieser Wirtschaftsexperten:
Kopernikus & die Neoliberalen
„Der britische Journalist Anatole Kaletsky hat eine provokante Feststellung getroffen: Mit Blick auf diese grassierenden Zweifel hat er geschrieben, dass “wir jetzt dort sind, wo die Astronomie war, als Kopernikus erkannte, dass die Erde um die Sonne kreist.” – Die Frage ist nur noch: Wie räumen wir ganz schnell die Scheiterhaufen weg und wie werden wir die Schurken von der Inquisition los ?“
http://blog.markusgaertner.com/2014/03/21/kopernikus-und-die-neoliberalen-warum-sich-die-erde-um-die-rendite-dreht/
Danke.
Hier ist noch was, übersichtlicher:
https://www.freitag.de/autoren/alalue/empirie-oder-axiomatik
»Es ist schön, konzentriertes Fachwissen dem Laien zugänglich zu sehen.«
Hier hast Du den Punkt und den Ton schön getroffen. Und zwar nicht ZU sarkastisch.
Es geht auch um die Aufdeckung einer Art DIALEKTIK zweiten Grades, an der zumindest Medien, Publikum und andere Vertreter / Größen beteiligt sind.
Und auch den gutgläubigsten Einwohnern eines Lands dürfte diese Veranstaltung – nach Jahren und Jahrzehnten vorgetäuschter Demokratie – als FARCE erscheinen. Daran dürften allerdings nicht nur die genannten Experten schuld bzw. beteiligt sein!?
Danke. An dem habe ich lange rumgefeilt. Zuerst schrieb ich Würstelbudenbesitzer, doch -betreiber ist besser. Da muß ich mir eine gewisse Qualität zugestehen, die man kaum lernen kann: irgendwie fällt es einem auf: im Nachhinein kann man es analysieren: betreiber ist deutlicher, weist auf Qualifikation und Aktion hin, die durch Wüstelbude wieder konterkariert wird. Das wiederholt die Grundstruktur der Darstellung der Experten. dritte Halbe - intuititiv: wer kennt sie nicht, diese Intuitionen.
Außer den Experten sind es natürlich auch die Medien: Privatfernsehen, Zeitungen.
In den Privaten wird dauernd Werbung für den Kapitalismus gemacht: die Auswandererserien: in Deutschland sind die vielen Vorschriften und Steuern so schlimm: überall anders ist es besser:
Und diese Scheinkritikten: wie einzelne Betriebe die Leute übers Ohr hauen: die verstoßen aber gegen bestehende, einsichtige Gesetze.
Echte systemkritische Berichte gibt es nur im öffentlich-rechtlichen und in Arte.
»Die Vollendung wäre ein einziger Monopolist.«
das ist fraglich. Bei diesen letzten und ersten Dingen werden die konkreten Zahlen wieder wichtig, die man meistens an einer, wenn nicht an beiden Händen, abzählen kann. Ob nun gerade nur EIN Prinzip dominant wird?!? in dieser sozialen Hinsicht.
Vieleicht sind es ja auch NOTWENDIGERWEISE 2 Monopolisten, die zumindest noch das Konkurrenzprinzip hinüberretten (wollen), in die Ewigkeit. Vielleicht sogar 3, etwa um paktieren zu können etc.
Bei so wenigen heißt es Oligopol, und die Wirkung ist praktsich wie beim Monopol.