Keine Raketenwissenschaft

Böllerverbot Die rechtliche Umsetzung eines Böllerverbots ist keine Raketenwissenschaft. Es würde reichen, zwei Paragrafen einer Verordnung zu ändern. Aber solange CDU, CSU und FDP dagegen sind, können sie die Änderung über den Bundesrat blockieren.

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Es gehört mittlerweile zu den Ritualen der politischen Kommunikation, am Ende eines jeden Jahres und zu Beginn des folgenden eine Debatte darüber zu führen, ob es eigentlich angemessen ist, für einige Tage das grundsätzliche Verbot des freien Verkaufs von Sprengstoffen teilweise aufzuheben und an zwei Tagen auch noch zumindest erwachsenen Personen das Abbrennen von bestimmten Sprengstoffen zu erlauben. Die Kurzfassung lautet: „Böllerverbot“. In diesem Jahr fordern dies einmal mehr die Umwelthilfe, die Gewerkschaft der Polizei, die Spitzen der Berliner Feuerwehr und Polizei wollen zumindest ein Verkaufsverbot, eine Petition im Internet versammelt inzwischen fast 350.000 Menschen hinter der Forderung nach einem bundesweiten Böllerverbot. Dagegen sind (wie immer) FDP und CSU, aber selbst der Regierende Bürgermeister von Berlin (CDU) lehnt ein solches Verbot ab. Alles wie immer, und bald wird die Debatte vermutlich verebben, bis sie im Dezember 2024 wieder beginnt, wenn es zu spät ist, tatsächlich ein rechtssicheres „Böllerverbot“ zu erlassen.

Was aber müsste wer tun, um ein „Böllerverbot“ zu erlassen? Die Frage nach dem Wer lässt sich zunächst schnell beantworten: es wäre der Bund, denn Sprengstoffrecht fällt nach Artikel 73 Abs. 1 Nr. 12 des Grundgesetzes in die alleinige Gesetzgebungskompetenz des Bundes. Das maßgebliche Gesetz ist das Sprengstoffgesetz. Paragraf 3a des Gesetzes unterteilt pyrotechnische Feuerwerkskörper in vier Kategorien. Die Kategorie F1 umfasst Kleinstfeuerwerk, das zur Verwendung in geschlossenen Räumen vorgesehen ist (lebensweltlich gesprochen z.B.: Tischfeuerwerk). Die Kategorien F3 und F4 sind Feuerwerkskörper, von denen eine mittlere bis große Gefahr ausgeht, und die nur von besonders qualifizierten Personen mit Befähigungsschein oder Erlaubnis erworben und abgebrannt werden dürfen. Was landläufig als Silvesterfeuerwerk bezeichnet wird, fällt in aller Regel in die Kategorie F2 („Feuerwerkskörper, von denen eine geringe Gefahr ausgeht, die einen geringen Lärmpegel besitzen und zur Verwendung in abgegrenzten Bereichen im Freien vorgesehen sind“). Den Vertrieb und Umgang mit Feuerwerkskörpern, auch der Kategorie F2 regelt die auf Basis des Sprengstoffgesetzes erlassene Sprengstoffverordnung in den Artikeln 20 bis 24. Wer also ein Böllerverbot erlassen will, muss die Sprengstoffverordnung ändern. Technisch wären die Regelungen recht einfach umzusetzen. Der freie Verkauf von Feuerwerk der Kategorie F2 ist nach Paragraf 20 der Verordnung ohnehin grundsätzlich verboten und nur ausnahmsweise jeweils zwischen dem 29. und 31. Dezember unter Auflagen erlaubt. Um ein Verkaufsverbot umzusetzen, müsste also lediglich Paragraf 22 der Sprengstoffverordnung dahingehend geändert werden, dass die Verkaufsregelungen für Feuerwerk der Kategorie F2 an diejenigen für die Kategorien F3 und F4 angepasst werden, so dass es nur von Personen mit behördlicher Erlaubnis und Befähigung erworben werden kann. In den Jahren 2020 und 2021 gab es bereits auch Verkaufsverbote für die Kategorie F2. Ein Verbot des Abbrennens von Feuerwerk der Kategorie F2 ließe sich technisch ebenfalls recht einfach bewerkstelligen. Rechtlich gesehen enthält die Sprengstoffverordnung in Paragraf 23 Absatz 2 nämlich nur eine Ausnahme für den 31. Dezember und 1. Januars eines jeden Jahres von der grundsätzlichen Vorgabe, dass Feuerwerk der Kategorie F2 nur von Menschen mit behördlicher Erlaubnis und Befähigung abgebrannt werden darf. „Böllern“ ist also ohnehin grundsätzlich „verboten“ und nur ausnahmsweise erlaubt, die Streichung der Erlaubnis nur die Streichung eines Satzes und einer Wortgruppe.

Praktisch wäre ein „Böllerverbot“ also lediglich eine vom Bundesinnenministerium erlassene Verordnung zur Änderung von 2 Paragrafen der Sprengstoffverordnung. Das große Aber geht aber aus Paragraf 39 des Sprengstoffgesetzes hervor, nachdem Änderungen der Sprengstoffverordnung der Zustimmung des Bundesrats bedürfen. Ein Zustimmungsvorbehalt des Bundesrats hat zur Folge, dass eine Mehrheit von 35 Stimmen im Bundesrat einer solchen Änderungsverordnung zustimmen müsste. Enthaltungen zählen im Bundesrat wie Nein-Stimmen, und enthalten muss sich nach den üblichen Regelungen in den Koalitionsverträgen der Länder eine Landesregierung im Bundesrat immer dann, wenn es keine Einigkeit unter den Koalitionspartnern gibt. Es reicht also bei Zustimmungsgesetzen jeweils, dass eine Koalitionspartei einer Landesregierung gegen eine Zustimmung ist, damit alle Stimmen des Landes zu Enthaltungen und damit effektiv zu Nein-Stimmen werden. Gegenwärtig sind CDU, CSU und/oder die FDP an 10 von 16 Landesregierungen beteiligt, die 47 von 69 Stimmen im Bundesrat beeinflussen. Solange also CDU, CSU und FDP sich darauf beschränken, rund um Silvester nach mehr Polizei zu rufen, und ein tatsächlich effektives Verbot des Verkaufs und Abbrennens von Feuerwerk durch Privatpersonen ablehnen, würde eine solche Änderung der Sprengstoffverordnung im Bundesrat mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit blockiert und scheitern. Der praktische Weg zu einem Böllerverbot wäre dagegen einfach, wenn der politische Wille dazu da wäre.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Alexander Fischer

Alexander Fischer. Mensch. Historiker. Vater.

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