Keine Alternative für Deutschland

Sommerinterview AfD-Chef Gauland offenbart seine völlige Inkompetenz und macht dem Namen seiner Partei nicht gerade alle Ehre.

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Der Auftritt Alexander Gaulands beim Sommerinterview 2018 hat erneut gezeigt, dass der Alternativen für Deutschland Konzepte fehlen, um eine nachhaltige Politik zu betreiben. In analytischer Manier hat der Moderator Thomas Walde den AfD-Vorsitzenden entlarvt und das Kind beim Namen genannt: Es kann eben nicht von einer Alternativen für Deutschland gesprochen werden.

Klimawandel? Den gibt es zwar, ist aber nicht menschengemacht. Eiszeiten habe es ja auch schon vor dem Industriezeitalter gegeben.
Rente? Das muss erstmal noch besprochen werden. Meuthen beispielsweise schlägt ein individuelles, auf Eigenverantwortung beruhendes Rentensystem vor. Sein Parteikollege Gauland teilt diese Ansicht zwar nicht, bleibt dem Zuschauer aber einen Gegenvorschlag schuldig.
Digitalisierung? Dafür ist der heute 77-Jährige Gauland einfach zu alt, weshalb man sich in dieser Thematik doch bitte an andere aus der Partei wenden soll.
Und in der Frage der Wohnungsknappheit bleibt der Jurist sehr vage. „Wir sind für einen stärkeren Wohnungsbau“, sagt der AfD-Chef und betont den Fokus auf sozial schwächere Personen und Familien. Eine Partei also für den kleinen Mann? Eher nicht, denn wer sich mit der Wohnungsmisere ein wenig auseinandersetzt, kommt schnell zu der Schlussfolgerung, dass tatsächlich mehr gebaut werden muss und sich Gaulands Flucht in politische Phrasen mit Unwissenheit über das Thema erklären lässt. Mit der Frage nach einer Regulierung von Airbnb scheint er ebenfalls überfordert. Es ist sogar anzuzweifeln, ob der Chef der größten Oppositionspartei im Bundestag überhaupt jemals von Airbnb gehört hat, wenn man bedenkt, dass er nicht gerade als „digital native“ bezeichnet werden kann.

Gaulands Vision: Die deutsche Identität bewahren

Sicherlich ist es für eine junge politische Organisation wichtig, sich ausreichend Zeit zu nehmen, um ihre Programmatik akribisch duchzudiskutieren, bevor sich auf eine Linie festgelegt wird. Doch gab es dafür Zeit genug: Die AfD besteht seit 2013 und ist seit 2017 in 16 von 17 Landesparlamenten vertreten. Da darf man vom Bundesvorsitzenden schon konstruktive Vorschläge erwarten.
Statt sich jedoch um reale Missstände und die Baustellen der Gesellschaft zu kümmern, scheint sich die rechtspopulistische Partei ihr „Heil in der Vergangenheit“ zu suchen, wie Walde in gewollter oder ungewollter Zweideutigkeit feststellt. Der Blick auf die Vergangenheit behindert eine Vision für die Zukunft.

An Unklarheiten und Widersprüchen mangelt es nicht. In einem Moment behauptet Gauland, ein Land lasse sich nur verändern, wenn man an seinen Wurzeln festhält, in nächsten rudert er zurück und sagt, die Rückbesinnung auf deutsche Traditionen und Errungenschaften könnten nicht für gegenwärtige und zukünftige Lösungsansätze herhalten. Was denn nun? Das ehemalige CDU-Mitglied fordert lediglich eine Identitätspolitik, die durch ein Wiederaufgreifen deutscher Traditionen und Kultur – mit Ausnahme der berüchtigten „zwölf Jahre“ – der Entwurzelung des Landes Einhalt gebieten soll.
Da stellt sich doch die Frage, wer hier was entwurzelt und ob die Jahre zwischen 1933 bis 1945 nicht notwendigerweise ebenfalls ein Teil der deutschen Identität sind?
Historische Prozesse, Ursprünge und Entwicklungen von Traditionen und der Kultur zu verstehen ist wichtig. Doch darf daraus keine Überhöhung vergangener deutscher Epochen folgen.
Nicht nur deshalb, weil kaum jemand der heute noch Lebenden beispielsweise an den Entwicklungen der Weimarer Republik beteiligt war, sondern auch weil das helle Scheinwerferlicht der Glorifizierung die dunklen Schatten vergangener Zeiten zu überdecken droht. Früher war halt eben nicht alles besser.
Der Identitätspolitik Gaulands inhärent ist außerdem der Denkfehler, dass sich ein Nationalstaat autonom und isoliert von anderen Ländern oder Völkern weiterentwickelt und dass dadurch der Ruhm des wirtschaftlich, politisch und sozial Erreichten allein einer Nation gebührt. Als Gegenargument sind hier exemplarisch die Gastarbeiter anzuführen, die einen nicht geringen Beitrag zum deutschen Wirtschaftswunder in den 50er und 60er Jahren geleistet haben.

Das Problem heißt Rassismus

Eins ist klar: Vor dem Hintergrund seines fremdenfeindlichen und exklusiven Weltbilds glaubt Gauland, heutige Missstände ließen sich nur mit einer Nation beheben, die aus „reinen“ Deutschen besteht. Dass gerade solche kognitive und real stattfindende Grenzziehungen zwischen Bio- und Nicht-Bio-Deutschen der Lösung vieler Probleme und einem gemeinsamen gesellschaftlichen Vorgehen im Wege steht, würde unter keinen Umständen in dieser Denkweise in Betracht gezogen werden. Dafür sitzt der Glaube an eine Höherwertigkeit der deutschen Kultur einfach zu tief.
Da kann sich ein Mesut Özil noch so anstrengen wie er will. Für Menschen wie Gauland, die ansonsten nichts zu gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Problemfeldern beizutragen haben, außer die Spaltung der Gesellschaft voranzutreiben, ist und bleibt er ein Türke, der zwar in das umlagefinanzierte Rentenversicherung einzahlt, aber leider das falsche Aussehen besitzt und dessen Großvater nicht Kaiser-Wilhelm salutiert hat – oder wahrscheinlich doch, denn das Osmanische Reich war im Ersten Weltkrieg ein wichtiger Verbündeter des Deutschen Kaiserreichs.

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