Der Krieg, der Tod und die Angst davor

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Die LINKE beglückwünscht die schwarz-gelbe Regierung zu der Enthaltung bei der Abstimmung im Sicherheitsrat bei der Entscheidung über die Libyen Resolution.

Das ist eine im Nachkriegsdeutschland typische Haltung, sowohl im politischen wie auch im privaten Leben: nie wieder Krieg, keine Gewalt.

Ich bin damit groß geworden: man schlägt sich nicht, auch nicht, wenn man provoziert wird. Meinen eigenen Kindern habe ich aus böser Erfahrung mehr Spielraum gelassen: wenn die anderen wissen, dass man zur Not bereit ist, sich zu verteidigen und nicht der Trottel der Mannschaft ist, lebt es sich erheblich sicherer. Und es ist feige, zuzugucken, wie ein Stärkerer (oder mehrere) einen Schwächeren quält und misshandelt.

Damit steht man auch in Deutschland durchaus auf rechtlich festem Boden – es gibt sowohl das Recht auf Notwehr als auch auf Nothilfe.

Das gilt auch international – Deutschland darf keinen Angriffskrieg führen, stimmt – aber sich verteidigen und an Maßnahmen der UN teilnehmen. Libyen hat um Hilfe gerufen, gebettelt, geschrien. Ich fände es grausam, einfach abzuwarten, bis die Schreie verstummen, weil Gaddafi in seinem Wahn alle getötet hat.

Wer so denkt, wird dann gerne Kriegstreiber genannt. Gerade in Deutschland, wie mir scheint. Sowohl im privaten als auch im politischen Bereich wird aber gerade im arabischen das etwas anders gesehen. Oft ein Anlass zum Tadel von westlicher Seite. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass hier der Tod nicht so fremd ist, nicht solche Angst, die man dann unbedingt verdrängen muss, auslöst. Das fängt in der Familie an, die ist meist groß, und dass auch immer mal wieder jemand stirbt, ist eine Normalität, keine Ausnahme. Deutsche Kinder werden oft sorgfältig von allem, was mit dem Tod zu tun hat, ferngehalten – vielleicht auch, weil nicht einmal die Eltern Antworten auf die dann fälligen Fragen hätten.

Ist es deshalb, dass die Möglichkeit, bei dem Kampf um seine berechtigten Interessen zu sterben, nicht so furchtbar scheint, dass man deshalb lieber klein beigibt? Gestern starb ein libyscher Freiheitskämpfer der ersten Stunde, Mohammad Nabous, an den Folgen von Verletzungen, die er bei den Demonstrationen – und beim Filmen – erlitten hatte. Er soll gesagt haben, er fürchte nicht zu sterben, aber den Kampf zu verlieren.

Sagt das in Deutschland noch jemand? Dort ist regelmäßig das Schlimmste, was man zu befürchten hat, Ärger mit Bürokratie, Gesellschaft, allenfalls Strafrecht. Aber viele ducken sich trotzdem.

In Tunesien wurde bei den ersten Demonstrationen gesagt, dies sei das Ende der Angst. In den Ländern der arabischen Welt besann man sich darauf, dass man keine Angst zu haben braucht – und nichts fürchten Diktatoren mehr.

„German Angst“ ist zu einem Fremdwort geworden, weil man diese anscheinend in der Ausprägung anderswo nicht so kennt. Die Entscheidung, sich im Sicherheitsrat zu enthalten, scheint mir ein Produkt davon zu sein.

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Geschrieben von

Alien59

Nächster Versuch. Statt PN: alien59(at)live.at

Alien59

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