We call it: Fördervereinbarung.

Olympia „Sport-Funktionär“ ist eine sehr ehrliche Berufsbezeichnung

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Zartes Wundern über die Schlagzeilen, die der vor Gericht erstrittenen Veröffentlichung der Medaillenvorgaben durch das Innenministerium folgen. „Vorgabe verfehlt“, heißt es, munter wird aufs Pferdchen gesprungen. Vielleicht sollten wir „Zielvereinbarung“ durch „Fördervereinbarung“ ersetzen, plaudert DOSB-Präsident Thomas Bach, als wäre dadurch ir-gend-was transparenter. Im September setze man sich zusammen und berate, heißt es. Über Geld, weiß es. Was in welcher Abteilung usw. - und wieviel landet, fragen wir, z.B. beim SV Nord Wedding? Gibt es eine direkte Verbindung von diesen Zielvorgaben bis zum neuen Fußball-Trikot des Viertklässlers der B-Mannschaft?

Meine Handballkarriere bei Chemie Guben begann in der ersten Klasse. Es kamen Menschen vorbei, die uns fragten, ob wir diesen oder jenen Sport machen wollten. Weil ich groß und stark war, wurde mir Rudern oder Handball vorgeschlagen. Die Bilder von Ruderinnen verloren gegen die Bilder von Handballerinnen, sodass ich mich für letzteres entschied. Wenn ich heute Ruderinnen und Handballerinnen vergleiche, gibt es keine so großen Unterschiede mehr.

Wir trainierten dreimal wöchentlich, an den Wochenenden fanden Auswärts- oder Heimspiele statt. Wir fuhren immer im Bus, mir wurde immer ein bisschen schlecht. Wir gewannen manchmal, verloren öfter.

Weil ich groß war, kam ich in etwas, das Bezirksauswahl hieß. Vergleichbar heute mit dem Aufstieg in eine Mannschaft, die eine Liga höher spielt. Hier wurde zweimal jährlich in Trainingslagern gesportelt, die ein bis zwei Wochen dauerten und neben Sport als Tagwerk auch die ersten Jugenderfahrungen in der Nachtunterhaltung beinhalteten. Meine Bezirksauswahl spielte gegen andere Bezirksauswahl-Teams, wir gewannen manchmal, verloren öfter. Als wir einmal gegen die DDR-Auswahl unserer Altersklasse spielten, staunten wir über deren Ausgefuchstheit. Eine fiese Foulerei am Kreis z.B. ist es, wenn die Verteidigern die Angreiferin von hinten so paar Zentimeter unter der Achsel in den Brustansatz kneift und einmal rumzwirbelt. Die Angreiferin geht umgehend in die Kniee und keiner weiß, warum.

Einmal jährlich, vielleicht auch seltener, bekamen wir neue Trikots (zwei Farben) und Turnschuhe. Ich hatte außerdem immer mindestens einen Handball zuhause. Meiner Erinnerung nach zahlten wir dafür einen eher symbolischen Betrag. Busfahrer und Benzin zahlte wer anders.

Ich fragte mich damals ebenso wenig wie der Viertklässler beim SV Nord Wedding heute, wo das Geld für den Hallenwischer und die neuen Bälle usw. herkommt. (Wobei beim SV Nord Wedding natürlich Ehrenamt groß in Mode zurzeit.) Damals wie heute jedoch irritierten mich die Menschen, die, vorwiegend männlich, in fortgeschrittenem Alter und a bisserl stark gebaut, in Trainingsanzügen herumlaufen, obwohl sie nach drei Kniebeugen vermutlich einen Kasper bekämen.

Der Sport gebiert Funktionäre. „Sport-Funktionär“ ist eine sehr ehrliche Berufsbezeichnung.

Ein Haufen Trainingsjacken, die dann wohl durch Hemden ersetzt werden, sitzt also im September zusammen und schiebt Summen in Excel-Tabellen hin und her.

Um ein etwas weniger bockiges PDF als diesmal bäte:

Amanda

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Amanda

Wieder hier, wieder da, wieder dort.

Amanda

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden