ALEXANDER NEWSKY-Kantate von Prokofjew

Konzertkritik Episches Getöse mit der Staatskapelle Berlin unter Daniel Barenboim

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Daniel Barenboim verfolgt - nicht unbedingt fernab des großzyklischen Anspruchs, den er mit der Staatskapelle Berlin seit Jahren und Jahrzehnten hegt (Stichworte: Wagner, Mahler, Bruckner, Beethoven; sämtliche Sinfonien von dem Jubiläums-Bonner werden zu den FESTTAGEN 2020 wiederaufgeführt) - auch "überschaubarere" Werkeserien. Jüngst erforschte und erforscht er beispielsweise mehr französische Gefilde (Debussy , Bizet; die Oper Samson et Dalila von Saint-Saëns folgt im November). Ja und ganz zuletzt erinnerte er sich an eine seiner russischen Bevorzugungen - nach Prokofjews Spieler tat er nunmehr dessen selten gespielte Verlobung im Kloster für die diesjährigen FESTTAGE bestimmen; musikalisch war's ein Kracher, szenisch [so wie wir das fanden] eine kardinale Pleite. Gestern Abend komplettierte er den Mini-Zyklus mit Prokofjews Alexander Newsky-Kantate von 1939, dem Jahr des Hitler-Stalin-Pakts:

"Die Originalpartitur war ein Jahr zuvor als Soundtrack für den gleichnamigen Film geboren worden, der von Sergei Eisenstein geschaffen worden war. Bei der Kantate handelt es sich – nach Leutnant Kishe– um das zweite Projekt des Komponisten in kinematographischer Musik (den ersten Auftrag, den er nach seiner Rückkehr in die Sowjetunion komponiert hatte) und seine erste Zusammenarbeit mit dem Schöpfer des Panzerkreuzers Potemkin.
Alexander Newski zeichnet sich durch seinen episch langen Atem aus, denn seine Handlung verarbeitet eine historische Episode des 13. Jahrhunderts, die sich auf den Kampf des russischen Volkes gegen die schwedisch-deutsche Invasionskoalition bezieht.
Das Thema zeigte klare Parallelen zur damaligen politischen Situation. Eisenstein war beeindruckt von der Musik einiger Szenen des Films, einschließlich der Schlacht um das Eis, die auf der bereits geschriebenen Partitur beruhte und nicht wie üblich andersherum."
(Quelle: Wikipedia)

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Das siebensätzige Opus hat eine fast durchgehende Lautstärke in der Art, dass mitunter der Orchesterklang sämtliche Sangesmühen des sowohl als russische Helden- und Volksmasse wie auch als in einer lateinisch anmutenden Fantasiesprache sich derb und "feindlich" artikulierende Kreuzritter agierenden Staatsopernchors (Choreinstudierung: Martin Wright) hinwegflutender Weise torpedierte; die Damen und Herren erwehrten sch der Klanggewalt mit möglichst gleichlautender Wucht, was fast schon hilflos in eine gewisse Leere rann.

Den Atem anhalten, pausieren sozusagen, konnte man bei dem von Anita Rachvelishvili warm-warnend deklamierten sog. "Totenfeld" (Satz 6). Das stimmungsvolle Intermezzo taten Barenboim und sein Orchester mit einer fast wiegengleichen Sensibilität korrespondieren, dass einem die Tränen kommen wollten; wunderbar!

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Und vor der Pause gab es noch Mozarts letztes Klavierkonzert (mit Barenboim als Pianist und Dirigent); und von dem Schönberg-Schüler Nikos Skalkottas (1904-1949) wurde außerdem dessen Kleine Suite für Streichorchester musizierend anempfohlen.

[Erstveröffentlicht auf KULTURA-EXTRA am 15.05.2019.]

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Geschrieben von

Andre Sokolowski

Andre Sokolowski ist Inhaber, Herausgeber und verantw. Redakteur von "KULTURA-EXTRA, das online-magazin"

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