Anna Netrebko war als Lady Macbeth in Berlin

Premierenkritik Auch Plácido Domingo hübschte Verdi´s MACBETH an der Staatsoper Unter den Linden standesgemäß auf

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Vor fünf Jahren war das Paar schon einmal an der Staatsoper Unter den Linden zu erleben - in der damaligen Ausweichstätte im Berliner Schillertheater ließ es sich als Luna/Leonora in Verdis Il trovatore hochjubeln: Anna Netrebko und Plácido Domingo.

Jetzt mischten die Zwei den saisonalen Tagestrott im ersten Haus am Platz - der Knobelsdorff'sche Bau strahlt seit dem Herbst wieder in schönem altem Glanz, und drinnen hat sich Einiges total verändert; Bühnentechnik und Akustik sind von untoppbaren Qualitäten - abermals erheblich auf; zu Verdis Macbeth waren Dutzende Sponsoren-Limousinen, die als Shuttle für den Hin- und Herflug irgendwelcher Promi's dienten, unter'n Linden aufgereiht, ja und Champagner floss da sicherlich in Strömen. Und auch nebenan im Freien war wohl jede Menge los, denn auf dem Bebelplatz wurde das Groß-Event per Video-Live-Schaltung als Open-Air im Rahmen "Staatsoper für alle" (22.000 BesucherInnen!) übertragen; gottlob regnete es nicht.

Macbeth von Verdi also feierte Premiere.

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Daniel Barenboim holte zu dem Behuf den mittlerweile 82 Jahre jungen Harry Kupfer (der für ihn zuletzt Fidelio inszenierte) an "sein" Haus zurück; von Kupfer stammten seiner Zeit, als Beispiel nur, sämtliche Wagner-Inszenierungen, von denen (leider, leider, leider) keine mehr im Repertoire zu finden ist.

Ja und wie haben sich die beiden Granden nun in punctoMacbeth so geschlagen?

Kupfer siedelte die blutrünstige Handlung in "neutraler" Neuzeit an, und auch die angelsächsische Dramatis personae bekam "verallgemeinernd" operettenartig anmutende Uniformen, wie sie allerorten von selbstanmaßenden Potentaten aufgetragen werden könnten; der Kostümbildner Yan Tax gefiel sich da in der Bevorzugung der "Farben" schwarz und weiß; ja und Hans Schavernoch ließ seine Bühne abwechselnd von oben nach unten und retour fahren, wobei man dann bei der Gelegenheit einen Totaleindruck von den hydraulischen Ermöglichungen in der Staatsoper bekam; der Videokünstler Thomas Reimer tat zudem hochauflösende Hintergründe visuell verlauten, wo der eine oder andere Kriegsschauplatz (Explosionen, Brände, schwarze Rauchsäulen etc.) aber auch altschottische Steinruinen, dicke Baumskelette oder auch ein Flughafen bei Nacht zu sehen waren.

Barenboim tat die wie immer exquisit spielenden MusikerInnen der Staatskapelle Berlin sehr temporeich und ziemlich lautstark anheizen - ein Klangteppich wurde sohin erzeugt, der keine Langeweile für die Ohren zuließ; ähnlich "turbulent" bekam man es schon in 2015 zu Gehör, als sich Domingo angelegentlich der Wiederaufnahme der vorherigen Macbeth-Inszenierung Peter Mussbach's in die Titelrolle weltpremieremäßig einsang.

Ja und damit wären wir auch schon beim sängerischen Personal:

Netrebko: kam, sah, siegte! Es ist IHRE Rolle. Bisher konnte ich mit ihr, nach jenen beiden von mir live erlebten Gastauftritten in Berlin (Il trovatore und Vier letzte Lieder), nicht besonders viel beginnen; ihre weltweite Medial-Präsenz ist jedenfalls, was meine Reflexion betrifft, ganz unerheblich. Lady Macbeth allerdings und hier & heute: wahrhaftig ein Hype!! [Ein russischer Kollege neben mir, der auch erklärtermaßen nicht zu den Netrebko-Fans gehören würde, meinte in der Pause anerkennend, "toll, ja, wirklich großartig und unvergleichlich, 'Lady Putin' sage ich da nur" - das bloß am Rand erwähnt.]

Domingo´s sängerisches Durchhaltevermögen: imposant! Sein Sound, der sich in all den letzten Jahren vom Tenor zum Bariton verwandelte, klingt immer noch nach "echt Domingo". Durch das allzu forsche Hergehetztsein, was ihm vom Orchestergraben aus entgegenschlug, hatte er stellenweise Mühe, Schritt zu halten; ihm verzeiht man freilich derartige Altersschwächen.

Fabio Sartori als Macduff: heldisch-aussingend und tränensackerstickt in dementsprechenden Momenten; etwas für die Gänsehaut, mich friert's noch immer!

Kwangchul Youn als Banquo: unauffällig.

Auch Evelin Novak (Kammerfrau), Florian Hoffmann (Malcolm) oder Dominic Barberi (Arzt) waren zugegen; alle prima, doch.

Der Staatsopernchor (Choreinstudierung: Martin Wright): eine bollwerkige Wucht!!!!!

Erwartbar: Beifall ohne Ende.

[Erstveröffentlicht auf KULTURA-EXTRA am 18.06.2018.]

MACBETH (Staatsoper Unter den Linden, 17.06.2018)
Musikalische Leitung: Daniel Barenboim
Inszenierung: Harry Kupfer
Bühnenbild: Hans Schavernoch
Kostüme: Yan Tax
Licht: Olaf Freese
Video: Thomas Reimer
Chöre: Martin Wright
Dramaturgie: Detlef Giese
Besetzung:
Macbeth ... Plácido Domingo
Banquo ... Kwangchul Youn
Lady Macbeth ... Anna Netrebko
Kammerfrau ... Evelin Novak
Macduff ... Fabio Sartori
Malcolm ... Florian Hoffmann
Mörder, Erscheinung ... Jan Martiník
Erscheinungen: Raphael Küster und Niels Domdey (Solisten des Kinderchors)
Arzt ... Dominic Barberi
Diener ... Insoo Hwoang
Staatsopernchor
Staatskapellle Berlin
Premiere war am 17. Juni 2018.
Weitere Termine: 21., 24., 29.06. / 02.07.2018

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Geschrieben von

Andre Sokolowski

Andre Sokolowski ist Inhaber, Herausgeber und verantw. Redakteur von "KULTURA-EXTRA, das online-magazin"

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