Joana Mallwitz, die neue Chefdirigentin des Konzerthausorchesters Berlin

Eine Begrüßung Die erste Frau inmitten einer männerdominierten Chefdirigenten-"Clique" der Musikhauptstadt Berlin

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Joana Mallwitz tritt morgen Abend (31. August 2023) ihr neues Amt als Chefdirigentin des Konzerthausorchesters Berlin an.

Ihre erste Begegnung mit dem Orchester liegt drei Jahre zurück; da war Corona (Sie erinnern sich?) - und jede Menge Livestreams und Konzertaufzeichnungen im Internet prägten zu dieser Zeit (zwei große Lockdowns gab es, Sie erinnern sich auch hieran?) das kulturelle Angebot, weil alle Häuser für das Publikum gesperrt waren.

Aus dieser Zeit stammt ein bemerkenswerter Online-Mitschnitt mit der Großen C-Dur-Sinfonie von Schubert, die die Dirigentin als "Erklärkonzert" gekonnt zu präsentieren wusste. Und bei der Gelegenheit sah und erlebte ich sie überhaupt das allererste Mal und war von ihrer Art und Weise, klassische Musik Normalverbrauchern nahe zu bringen, ziemlich angetan.

So etwas Ähnliches hat sie sich übrigens für ihre neue Reihe der "Expeditionskonzerte" vorgenommen:

"Wir nähern uns den großen Meisterwerken der klassischen Musik aus unterschiedlichen Richtungen, horchen in Details hinein, verbinden Hintergrundgeschichten und Anekdoten mit musikalischen Entdeckungen und nehmen die Zuhörerinnen und Zuhörer mit auf diese Reise", beschreibt Joana Mallwitz das Format. Ihre Begeisterung teilt sie zunächst am Klavier, dann wechselt sie ans Dirigentinnenpult des Konzerthausorchesters. Gemeinsam erklingt dann das ganze Werk. (Quelle: konzerthaus.de)

So wird sie am 17. September Strawinskys La Sacre du printemps, am 19. November Mendelssohns Italienische und am 26. Mai Beethovens Eroica (jeweils nachmittags ab 15 Uhr im Großen Saal) erklären.

Eingebetteter Medieninhalt

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Zu ihrer Biografie:

"Joana Mallwitz wurde 1986 in Hildesheim als Tochter einer Lehrerin und eines Lehrers geboren. Sie lernte mit fünf Jahren das Violin- und Klavierspiel. Mit 13 Jahren wurde sie Schülerin von Christa-Maria Hartmann und Karl-Heinz Kämmerling und damit Frühstudentin an der Hochschule für Musik und Theater in Hannover. Dirigieren studierte sie an dieser Hochschule bei Martin Brauß und Eiji Ōue, Klavier bei Kämmerling und Bernd Goetzke. [...] 2006 trat Mallwitz ein Engagement als Solorepetitorin mit Dirigierverpflichtung am Theater der Stadt Heidelberg an, wo sie kurzfristig die Leitung der Premiere von Puccinis Madama Butterfly übernahm. Von 2007 bis 2011 war sie in Heidelberg als Zweite Kapellmeisterin und Assistentin des Generalmusikdirektors Cornelius Meister aktiv und dirigierte diverse Vorstellungen jeglicher Art..." (Quelle. Wikipedia)

Sie gastierte am Opernhaus Zürich, an der Hamburgischen Staatsoper, am Königlichen Opernhaus Kopenhagen, an der Lettischen Nationaloper in Riga, an der Oper Frankfurt und beim Macau International Music Festival.

Konzerte leitete sie beim Royal Danish Orchestra, den Dresdner Philharmonikern, den Göteborger Symphonikern und der Kremerata Baltica.

Mit 27 Jahren wurde sie Europas jüngste Generalmusikdirektorin, zuerst in Erfurt, ab 2018 dann in Nürnberg.

2019 erkor das Musik-Fachblatt Opernwelt sie zur Dirigentin des Jahres.

Und schließlich war sie die erste Dirigentin überhaupt, die von den Salzburger Festspielen für eine gesamten Aufführungsserie von Mozarts Così fan tutte engagiert wurde.

Und nun ist sie halt in Berlin und wird - das hoffen wir - die leider immer noch absolut männerdominierte Chefdirigenten-"Clique" der sechs anderen hauptstädtischen Orchester (inkl. der drei Opernhäuser) künstlerisch vor sich her treiben und zeigen, wie man(n) es als Frau womöglich anders oder sogar noch viel besser machen kann.

Wir wünschen ihr und ihrem neuen Klangkörper Glück und Erfolg dabei!!

[Erstveröffentlicht auf KULTURA-EXTRA am 30.08.2023.]


Notiz am Rand

Wir wären gern bei ihrem Antrittskonzert live zugegen gewesen, aber das für Pressekarten zuständige Management sah sich nicht in der Lage uns diesbezüglich zu berücksichtigen - ein bedauerlicher Erst- und (hoffentlich) Ausnahmefall. Der neue Pressereferent des Hauses am Gendarmenmarkt begründete das so: "Ich muss leider um Verständnis bitten, dass unser Kontingent für den 31.8. aufgrund der hohen Nachfrage schon vollständig ausgeschöpft ist. Ich kann Ihnen aber gerne eine Pressekarte für das Konzert am darauffolgenden 1.9. mit demselben Programm anbieten."

Retour-Email von unserer (meiner) Seite aus:

"Ich kenne den Großen Saal Ihres Hauses, seitdem das BSO unter Kurt Sanderling 1984 dort erstmals spielte; und ich bin doch sehr verwundert, dass Sie es nicht in die Reihe kriegen von 1.700 Plätzen einen Presse-Platz für mich bereitzustellen. Es mag ja sein, dass Ihnen in Anbetracht Ihres zur Verfügung stehenden Pressekarten-Kontingents die einschlägigen Printmedien wichtiger sind als alternative Online-Formate - einigermaßen nachvollziehbar wäre das für mich, wenn es sich insgesamt um eine Platzkapazität von (sagen wir:) 500 bis 999 gehandelt haben würde. Aber bei 1.700? (Sie wollen einfach nicht!)"

Seit den Amtsantritten von Lothar Zagrosek (2006), Iván Fischer (2012) und Christoph Eschenbach (2019) war ich jedesmal bei deren Inthronisationskonzerten live vor Ort; aber da funktionierte auch, von Anfang an, die für die kollegiale Kommunikation so unverzichtbar wichtige "Chemie" zwischen uns jeweiligen Partnern - diesmal ließ das irgendwie zu wünschen übrig. Eine unerwartbar negative Neuerfahrung.

Ja, soweit zum Thema "neue Besen kehren gut."

Das, wie gesagt, nur so am Rand notiert.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Andre Sokolowski

Andre Sokolowski ist Inhaber, Herausgeber und verantw. Redakteur von "KULTURA-EXTRA, das online-magazin"

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