Weiß Gott nicht oft gibt's hierzulande Opern von Bohuslav Martinů (1890-1959) live zu erleben, ja und wenn sich halt eine Gelegenheit dann bietet, ist die Freude der nach tschechisch-neoklassizistischen Raritäten des Musiktheaters Lechzenden umso markanter - in der Zeit zwischen 2014 und 2016 waren so Les trois souhaits (an der UdK),Ariane (mit dem DSO) oder Juliette (an der Staatsoper Unter den Linden) seh- und hörbar.
Gestern Abend nun gesellte sich - obzwar nicht live, dafür aber per Video und daher nicht weniger interessant und aufregend - die 1960 posthum uraufgeführte Kurzoper Slzy Nože (dt.:Die Tränen des Messers) hinzu; das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin unterfütterte sein filmisches Projekt [auf dso-player.de] mit einem erst vor Kurzem im Radio übertragenen Konzert, das Robin Ticciati leitete:
In diesem Werk "spielen erotisches Begehren und der Satan eine bedeutsame Rolle, wenn sich ein junges Mädchen in einen Erhängten verliebt und bei den Versuchen, ihn für sich zu gewinnen, immer wieder in den Armen des Satans landet. Mit der hochkarätigen Solistinnenriege wurden für diesen Teil des Films Aufnahmen unter der Regie von Frederic Wake-Walker in einem Green Screen Studio aufgenommen, die von Ergo Phizmiz in die Collage eingefügt wurden." (Quelle: DSO)
Die akustische, v.a. aber visuelle Wahrnehmung der amerikanischen Baritonin Lucia Lucas (in der Rolle des Satans) muss als eigentliches Großereignis dieses an sich kleinformatigen Web-Hypes bezeichnet sein!
Die drei Akteurinnen der Kurzoperngroteske - also auch Kateřina Kněžíková (als Eleonora) und Markéta Cukrová (als Mutter) - waren allesamt als Ordensschwestern kostümiert; und erst im dritten Drittel der mit Sex & Sünde widertäufenden Absurdität an Handlung tat sich die Satanin höchstpersönlich, und indem sie unterhalb der Ordenshaube ihre nackte Wahrheit stolz und lustvoll demonstrierte, outen, und so zeigte sie uns unverschleiert, was sie hatte, und das war schlicht, einfach und ergreifend: exzeptionell!!
Dieses auf Tschechisch gesungene und sprechgesungene Musiktheaterstück mit einer Spieldauer von zirka einer halben Stunde ließ sich, nicht allein wegen fehlender Untertitelung, aufs nicht gerade Idealste nachvollziehen; all die spielsüchtigen, um nicht gar zu sagen selbstverliebten Visualisierungsangebote der zwei Film- und Videokünstler "irritierten" zusätzlich und nervten obendrein.
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AußerSlzy Nožebebilderte das DSO-Projekt unter dem einfallsarmen und nicht minder reißerischen Titel IM KAMPF MIT DEM TEUFEL auch noch Hindemiths stinklangweiligen OperneinakterSancta Susannaund - quasi als Schmier- und Bindemittel zwischendrin - den unentwindbaren Einviertelstünder Sinuous Voices von Ondřej Adámek.
[Erstveröffentlicht auf KULTURA-EXTRA v. 13.03.2021.]
IM KAMPF MIT DEM TEUFEL
Ein Film des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin
Regie: Frederic Wake-Walker
Collage, Animation und Design: Ergo Phizmiz
Visuelles Konzept und Kamera: Boris Fromageot
Bildtechnik: Marcus Däbritz und Hendrik Haftenberger
Schnitt: Uli Peschke (BFS)
Ton: Deutschlandfunk Kultur
Licht: Tim Friebe, Robert Gerats, Dennis Mehlhorn und Christian Schenk
-Sancta Susanna von Paul Hindemith (Aufnahme in der Philharmonie Berlin, 22.04.2012)
Melanie Diener (Susanna)
Lioba Braun (Klementia)
Ewa Wolak (Alte Nonne)
Elisabeth-Marie Leistikow (Eine Magd)
Bastian von Bomches (Ein Knecht)
Cantus Domus, ensemberlino vocale
Dirigent: Hans Graf
-Sinuous Voices für Instrumentalensemble von Ondřej Adámek
-Slzy Nože (Aufnahme im Kleinen Sendesaal des rbb, 19.02.2021)
Kateřina Kněžíková (Eleonora)
Markéta Cukrová (Mutter)
Lucia Lucas (Satan)
Dirigent: Robin Ticciati
Deutsches Symphonie-Orchester Berlin
Video-Premiere auf dso-player.de v. 12.03.2021
Koproduktion mit EuroArts Music International
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