KRIEGSBEUTE am Berliner Ensemble

Premierenkritik Uraufführung einer Art Kanonen-"Denver-Clan" von Martin Behnke & Burhan Qurbani

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Das Autoren-Duo Martin Behnke & Burhan Qurbani [in alphabetischer Reihenfolge] macht eigentlich mehr Filme - vor paar Jahren lief sein später mehrfach preisgekrönter Streifen Wir sind jung. Wir sind stark in den Kinos, und dort ging es um die 1992er ausländerfeindlichen Ausschreitungen in Rostock-Lichtenhagen; damit wurde es richtig bekannt und auch berühmt. Jetzt hat es das BE für ein von ihm verfasstes Stückprojekt gecastet, das (von Regisseurin Laura Linnenbaum inszeniert) gestern Abend im Kleinen Haus Premiere hatte - Titel: Kriegsbeute.

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"Es ist was faul in der Villa Berg. Friedrich Bloch, sonst bekannt als knallharter Geschäftsmann und grausamer Kopf eines großen Waffenkonzerns, wird plötzlich von einer zerstörerischen Barmherzigkeit ereilt, die den so solventen Familienkonzern in Schräglage versetzt. Beinahe über Nacht macht er das Charity-Progamm seines Unternehmens zur bestfinanziertesten Sparte des ganzen Konzerns und auch privat lässt sich der Alte nicht lumpen: Die Obdachlosen der Stadt finden fortan in seiner Prunkvilla eine heimelige Schlafstätte, guten Wein und den ein oder anderen Wertgegenstand zum Verhökern. Ist der Alte Fritz dement geworden? Oder handelt es sich um einen Ablasshandel, den er noch schnell, bevor er das zeitliche segnet, mit seinem Schöpfer ersonnen hat? Die spontane Freigiebigkeit des Familienoberhaupts ruft dessen Kinder auf den Plan. Alte Wunden brechen auf, neue werden zugefügt und was in Kindertagen ein 'Haus des Friedens' war, ist schon bald gezeichnet von einem handfesten Familienkrieg." (Quelle: berliner-ensemble.de)

Mehr oder weniger so eine Art von Denver-Clan für Scharfschützen:

Milliardärsvater (Martin Rentzsch) "ordnet" kurz vor dem eignen Ableben sein Milliardärserbe zuUNgunsten seiner (natürlichen) Erben inkl. (s)einer ilegitimen Milliardärsbediensteten-Tochter Lea (Nora Quest). Die Milliardärserbbrut inkl. des unter falschem Namen Simon plötzlich wieder auftauchenden und sich bis dahin als Söldner oder Legionär in Kriegsgebieten weltweit rumgetrieben habenden also verlornen Milliardärssohns Peter (Oliver Kraushaar) lässt sich diese antifamiliäre Umgangsform letztlich nicht bieten und schreitet zur Eigeninitiative - Milliardärshaupttöchterchen Maria (Annika Meier) fälscht das Testament... Ja und (totale Überraschung!):

Ganz am Schluss - nach einem wie an einer falschen Manuskriptstelle stehenden "Schlusstrich" - gibt sich die Muschpoke insgesamt, und ganz im Sinne des verblichnen Toten, als im Sinne eines friedliebenden Charity's geläuterter Exrüstungsclan.

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Das Alles wird dann fast zwei Stunden lang - und sehr, sehr, sehr vergnüglich - herunter gesprochen und herunter gespielt; dieses Herunter meint dann auch das wirklich tolle Bühnenbild von Valentin Baumeister, der einen wie die Innenwand einer auf ihrer Spitze stehenden Pyramide aussehenden steingefliesten Fußboden kreierte, wo die Schwerkräfte halt dann nach unten Richtung Gulideckel fliehen...

Und am allerbesten schienen mir die gut gemachten Video-Einsprengsel zu sein; das eine zeigte Judith Engel, die als Milliardärsgattin kurz vor dem eignen Krebstod noch ein Interview der Filmerin Bettina Hoppe (unsichtbar) gewährte, wunderschön und riesengroß zu sehen war. Das andere tat den dreifachen Firmenvorstand, der von Sascha Nathan dreifach witzig vorgemimt wurde, als Großleinwandskype simulieren.

Und auch Gerrit Jansen (als Johannes) sowie Owen Peter Read (als Zwillinge) vermochten gut zu unterhalten.

[Erstveröffentlicht auf KULTURA-EXTRA am 23.02.2019.]

KRIEGSBEUTE (Kleines Haus, 22.02.2019)
von Martin Behnke und Burhan Qurbani

Regie: Laura Linnenbaum
Bühne: Valentin Baumeister
Kostüme: Michaela Kratzer
Musik: Lothar Müller
Licht: Ulrich Eh
Videodesign: Bahadir Hamdemir
Dramaturgie: Johanna Vater
Besetzung:
Friedrich Bloch, genannt "der Alte Fritz" ... Martin Rentzsch
Maria Bloch ... Annika Meier
Johannes Bloch ... Gerrit Jansen
Die Zwillinge ... Owen Peter Read
Lea, Bedienstete im Hause Bloch ... Nora Quest
Simon, ein Obdachloser ... Oliver Kraushaar
Uraufführung am Berliner Ensemble: 22. Februar 2019.
Weitere Termine: 26.02. / 05., 06., 29.03.2019

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Andre Sokolowski

Andre Sokolowski ist Inhaber, Herausgeber und verantw. Redakteur von "KULTURA-EXTRA, das online-magazin"

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