Mahlers Dritte unter Zubin Mehta

Konzertkritik Staatskapelle Berlin verabschiedet sich in die Sommerferien 2015

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Zubin Mehta | (C) Marco Brescia/La Scala

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Mahlers Dritte, ein recht großdimensionales Werk, wird oft und gern gespielt - und spätestens seit die Ballettikonen Neumeier oder Béjart (so ab den 1980ern) sich dieser Sinfonie dann auch zu Tanzzwecken bemächtigten, ist ihre allgemeine Popularität ein unumstößlich schöner Fakt geworden: Die Musik hat halt so übermäßig "viel Gefühl", dass die Ästheten allzu brünstig nach ihr lechzen; das Ballet Lausanne zeigte uns Hauptstädtern unlängst so eine Kostprobe von alledem...

Jetzt hat die Staatskapelle Berlin erneut zu Mahler 3 gegriffen - ihr Ehrendirigent Zubin Mehta hatte große Lust hierauf.

"'Nun aber denke Dir ein so großes Werk, in welchem sich in der Tat die ganze Welt spiegelt – man ist sozusagen selbst nur ein Instrument, auf dem das Universum spielt', schrieb Gustav Mahler an seine damalige Verlobte Anna von Mildenburg. Zurückgezogen in seinem Komponierhäuschen am Attersee vollendete er 1896 seine monumentale 3. Sinfonie, in der sich der gesamte Mahlersche Schaffenskosmos in all seiner klanglichen Heterogenität zu offenbaren scheint – mit kraftvollen Aufschwüngen wie mit verinnerlichten, hochemotionalen Momenten." (Quelle: staatsoper-berlin.de)

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Okka von der Damerau [wir kennen sie bereits aus Bayreuth, wo sie letztes Jahr in Castorfs Ring divers erlebbar war] sang Nietzsches gruseliges Achtsamkeitsgedicht "O Mensch..." - das klang recht jung und unverbraucht.

Der Mehta nahm die Dritte konsequent und unverrückt "nach Takt", d.h. bei ihm konnte und durfte man wohl nicht auf derartige Schwankungen (im Tempo) hoffen, wie man sie vom Barenboim her kennt; als Barenboim die Dritte vor paar Jahren - für den krank gemeldeten Levine - kurzfristig übernahm, wurde man Ohrenzeuge eines Bilderbuchs mit farborgiastischen Facetten; Mehta ist da viel, viel "preußischer" und also langweiliger, was dann schon verblüffte. Und obgleich ihm kammermusikalisch (durch "Herauskitzeln" der Einzelstimmen) Einiges verblüffend gut geriet.

Ja und auch er, so wie die meisten Dirigenten im Fall Mahler 3, lassen den letzten (und wohl schönsten) Satz als eigentliches Highlight jeder Mahler 3-Darbietung ausufernd geraten; gut und richtig so.

Das Posthorn spielte Christian Batzdorf (!) - mit der Solo-Violine tat Yuki Manuela Janke, mit der Solo-Posaune Filipe Alves gastieren!!

Nicht enden wollender Beifall.

[Erstveröffentlichung von Andre Sokolowski am 30.06.2015 auf KULTURA-EXTRA]

STAATSKAPELLE BERLIN (Philharmonie Berlin, 29.06.2015)
Gustav Mahler: Sinfonie Nr. 3 d-Moll
Okka von der Damerau, Alt
Kinderchor der Staatsoper Unter den Linden
(Choreinstudierung: Vincenz Weissenburger)
Staatsopernchor
(Choreinstudierung: Martin Wright)
Staatskapelle Berlin
Dirigent: Zubin Mehta

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Geschrieben von

Andre Sokolowski

Andre Sokolowski ist Inhaber, Herausgeber und verantw. Redakteur von "KULTURA-EXTRA, das online-magazin"

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