MORD AN MOZART mit Angela Winkler

Premierenkritik In der Staatsoper im Schiller Theater tappt man nicht nur in die Falle der althergebrachten Verschwörungstheorie

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Die Staatskapelle Berlin (als eigentliche Haupthausherrin in der Staatsoper im Schiller Theater) ist auf großer Asien-Tournee - in Japan führt sie derzeit, beispielsweise, alle Bruckner-Sinfonien auf, und Daniel Barenboim, ihr Chef, spielt/dirigiert paar Mozart'sche Klavierkonzerte um das Alles rund herum; mit diesem Großzyklus tat sie bereits in Wien Triumphe feiern... 129 Orchestermusiker glänzen demnach - und noch bis Ende Februar (!) - durch ihr physisches Nichtpräsentsein in der Hauptstadt. Macht ja nix: Wer will nicht stolz darauf sein, dass die Staatskapelle inkl. ihres GMD fern draußen in der großen weitenWelt für Deutschland mächtig punktet.

Dieser Umstand [s.o.] bringt im Umkehrschluss dann mit sich, dass es - trotz des abwesenden Hausorchesters - spielplanmäßig weiter laufen muss und sich daher alle "Zurückgebliebenen" (einschließlich eines Resthäufleins von Staatskapelle-Musikern, die halt lieber zuhause bleiben wollten) auf was klein're Brötchen konzentrieren; und so gibt es momentan ein sog. Kammer-Oper-Festival, wo Neues und auch Älteres wie beispielsweise The Turn Of Screw oder Le Vin Herbé, was also nicht den Groß-Orchester-Apparat der Staatskapelle bräuchte, aufgeführt wird.

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Mord an Mozart wird seit heute und in vierfacher Autorenschaft [die Namen s.u.] offeriert:

Die Hauptzutat ist Rimski-Korsakows läppisch-belanglose Kurzoper Mozart und Salieri (UA 1898). Hierin wird der heutzutage sattsam-ausgelutschten und de facto abgehakten (weil unsinnigen) Verschwörungstheorie, wonach Salieri Mozart umgebracht hätte, auf unerträglich selbstbemitleidende Art und Weise Vorschub geleistet. Ein sentimentales Machwerk allerschlimmster Sorte - hochverständlich, dass es kaum wo aufgeführt wird.

Was - hätten sich Opernregisseurin Elisabeth Stöppler oder Dirigent Max Renne (2 der 4 Autoren des als "relative Verrichtungstheorie" Offerierten) fragen können - machen wir jetzt bloß, um diesen Kitsch aufs Zeitgenössischste zu kommentieren oder aufzumotzen oder irgendwie zu hinterfragen oder gar zu brechen? Was, Kinder, was machen wir da bloß!! jetzt sagt doch auch mal was!!!! Und: Ihnen allen (allen 4'n) fiel daraufhin nichts Hochbanaleres in Gänze ein als ES in einen großambitionierten musikalisch-literarischen Abend ausufern zu lassen - - und so gab es also zusätzlich, zum Rimski-Korsakow, noch Schostakowitsch, eine David Robert Coleman-Uraufführung unterm Titel Requiem-Filtrage und ein bisschen instrumentales Kleinzeugs aus der Feder unsres Wunderkinds zu hören. Ja und außerdem:

Angela Winkler (die man schon seit Jahren, leider, nicht mehr groß an den Berliner Schauspielbühnen live erleben konnte) wurde eigens engagiert, um einen Briefwechsel zwischen Freud/Einstein zu dem Thema allgemeingültige Menschgewaltbereitschaft sowie - Megasteigerung!! - ein paar Partikel aus dem Dostojewski'schen Großinquisitor (aus den Brüdern Karamasow), wo es ebenso um's Allgemeinversagen Mensch an sich geht, vorzulesen resp. vorzuspielen. Dieses macht sie freilich gut und souverän; obgleich das mit dem Dostojewski unlängst in der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, nur so zum Vergleich, in Dimensionen passender also wohl mehr als Volltreffer geriet als hier und heute.

Gab und gibt es eigentlich dann einen Roten Faden zu dem ganzen Mozart-Menschheit-Quark?

Ja selbstverständlich! würden uns're 4 Autoren trotzig und sehr selbstbewusst behaupten.

Gut, okay. Wir geben uns an dieser Stelle einfach mal geschlagen, weil uns keine triftige Entgegnung einfall'n will; null Bock auf Dialektik - also, gut, okay, von uns aus gern: Seit Mozarts Tod geht's halt den Bach herunter oder so.

Den Vorhang (besser) zu und alle Fragen (weiter) offen.

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Uns beeindruckten, was dann die musikalischen Gereichungen betraf, besondes die vier MusikerInnen Sophie Heinrich, Tobias Sturm, Sophia Reuter und Johanna Helm, die aus dem Schostakowitsch-Streichquartett Nr. 8 c-Moll op. 110 Ausschnitte spielten! Da gab es auch Szenenbeifall.

http://www.kultura-extra.de/templates/getbildtext2.php?text_id=9104
Angela Winkler spielt Sigmund Freud in Mord an Mozart an der Staatsoper im Schiller Theater | Foto (C) Vincent Stefan

[Erstveröffentlichung von Andre Sokolowski am 28.01.2016 auf KULTURA-EXTRA]

MORD AN MOZART (Staatsoper im Schiller Theater, 28.01.2016)
Musiktheater von Annika Haller, Elisabeth Stöppler, Max Renne und Jens Schroth mit Mozart und Salieri von Nikolai Rimsky-Korsakow und Musik von Wolfgang Amadeus Mozart, Dmitri Schostakowitsch und David Robert Coleman sowie Texten von Fjodor Dostojewskij, Albert Einstein und Sigmund Freud

Muskalische Leitung: Max Renne
Komposition und musikalische Beratung: David Robert Coleman
Inszenierung: Elisabeth Stöppler
Bühnenbild: Annika Haller
Kostüme: Frank Lichtenberg
Licht: Irene Selka
Dramaturgie: Jens Schroth
Besetzung:
Salieri ... Roman Trekel
Mozart ... Stephan Rügamer
Freud / Erzähler ... Angela Winkler
Pianist / Mozarts Genius ... Adrian Heger
Russischer Akkordeonist ... Valentin Butt
Einstein ... Sophie Heinrich
Streichquartett / Violine I ... Sophie Heinrich
Streichquartett / Violine II ... Tobias Sturm
Streichquartett / Viola ... Sophia Reuter
Streichquartett / Violoncello ... Johanna Helm
Mitglieder der Staatskapelle Berlin
Premiere war am 28. Januar 2016
Weitere Termine: 30. 1. / 2., 4., 13. 2. 2016

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Geschrieben von

Andre Sokolowski

Andre Sokolowski ist Inhaber, Herausgeber und verantw. Redakteur von "KULTURA-EXTRA, das online-magazin"

Andre Sokolowski

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